Wenn Karin Wilke in ihrer Wohnung im Pleikartsförster Hof im Homeoffice arbeitet, während ihre Kinder am Fernunterricht teilnehmen, dann funktioniert das eher schlecht als recht. Der Grund: Das Internet ist zu langsam. Foto: Philipp Rothe
Heidelberg. (ani) Eine gute Internetverbindung ist in Corona-Zeiten wichtiger denn je – jetzt, wo Heimlernen und Heimarbeiten für viele Menschen zur Regel geworden sind. Lebt man allerdings in einem sogenannten weißen Fleck, also an einem Ort, an dem das schnelle Internet bis heute noch nicht angekommen ist, kann der Corona-Alltag zur Qual werden. Der Pleikartsförster Hof am Rande der Stadt ist so ein weißer Fleck. In der Samstagsausgabe der RNZ berichteten einige Bewohnerinnen und Bewohner dort von ihren Internetproblemen. Die Telekom will den Hof zwar anschließen, entsprechende Kabel wurden bereits gelegt. Doch bis es so weit ist, dauert es wohl noch bis zum Sommer. Es gibt aber auch Alternativen, um an schnelles Internet zu kommen.
Das Unternehmen "Heidelberg IT Management" bietet solche Alternativen an – für Geschäfts-, aber auch für Privatkunden. Matthias Blatz, Geschäftsführer des Unternehmens mit Sitz am Kurpfalzring, erklärt: "Wir haben schon vor Jahren beispielsweise den Kurpfalzhof oder auch den Grenzhof mit schnellem Internet versorgt." Auf dem Grenzhof sei es zunächst das Hotel gewesen, das mit "Heidelberg IT Management" zusammengearbeitet hat. Bei einer Versammlung mit allen Bewohnerinnen und Bewohnern des Hofes entschieden sich schließlich auch einige Privatkunden für einen Anschluss des Unternehmens. Das arbeitet für die Internetversorgung mit Richtfunk. Das heißt: Es werden Masten aufgebaut, die mithilfe von besonderen Wellen Signale drahtlos übertragen. Man braucht dabei also keine Kabelverbindungen. Auch schnurlose Telefone und Handys nutzen die Funktechnik oder Computer im W-Lan-Netz. Auch das Gebiet "Im Neurott" wird so teilweise mit schnellem Internet versorgt. Wie bei der Telekom auch, kostet der Anschluss natürlich Geld. Die Tarife bei "Heidelberg IT Management" fangen laut Blatz bei 29 Euro an – und sind damit teurer als bei größeren Anbietern.
Update: Mittwoch, 20. Januar 2021, 21.28 Uhr
Von Anica Edinger
Heidelberg. Die Tochter hat eine Videokonferenz. Das hat die Lehrerin veranlasst. Auch der Sohn muss fernlernen, ebenfalls per Videokonferenz. Die Mutter arbeitet im Homeoffice. So will es der Arbeitgeber, so will es die Politik, so wollen es die Virologen. Denn die Angst vor neuen, noch ansteckenderen Coronavirus-Mutationen ist groß. Zuhause bleiben und zuhause arbeiten soll der Schlüssel sein zur Virusbekämpfung. Doch was, wenn das nicht geht? Wenn täglich das Internet streikt, die Verbindung zu langsam ist? Was, wenn man in einem "weißen Fleck" lebt, einem Ort also, an dem das schnelle Internet heute noch immer nicht angekommen ist? Was, wenn man im Pleikartsförster Hof lebt?
Rund 200 Menschen sind dort, im Nordosten Kirchheims, zuhause, darunter viele Familien mit schulpflichtigen Kindern. Ob sie am Fernunterricht teilnehmen können oder nicht, das ist jeden Tag aufs Neue ein Glücksspiel. Karin Wilke kann ein Lied davon singen. Sie lebt mit ihrer Familie samt zwei Kindern – einer Tochter und einem Sohn – seit vielen Jahren auf dem Pleikartsförster Hof. Sie berichtet: "Die Videokonferenzen laufen ruckelig. Mit viel Glück und ohne Bild schafft man es, nicht alle paar Minuten rauszufliegen." Sie muss derzeit wie viele Eltern mit schulpflichtigen Kindern im Homeoffice arbeiten. Die Internetverbindung, sagt sie, "ist einfach eine Katastrophe".
Das unterstreicht auch Klaus Gassmann, Musiker, Geschäftsführer von Sweet Soul Music und ebenfalls Bewohner im Pleikartsförster Hof. Die Situation mit dem Internet sei einfach "kein Zustand". Er hat für sich und seine Frau einen Hybridanschluss – also über LTE verstärktes Internet – zugelegt. Er weiß aber auch: "Dafür braucht man wieder einen neuen Router, das kann Wochen oder Monate dauern. Und nur die Telekom bietet das an. Wer einen anderen Anbieter hat, kann gar nichts tun."
So wie Karin Wilke. Sie ist nun dazu übergegangen, sich in Videokonferenzen mit dem Handy einzuwählen. Und auch das funktioniert mehr schlecht als recht. Denn: "Auch LTE ist hier nicht besonders gut." Ihre elfjährige Tochter Greta drückt die Misere so aus: "Das Internet hier ist blöd – erst Recht fürs Homeschooling." Wilke nahm ihr Kind deshalb diese Woche einige Male mit zu ihrem Arbeitsplatz in die Innenstadt. Denn dort konnten beide ohne Internetprobleme arbeiten und lernen. "Das geht aber auf Dauer natürlich nicht und ist epidemiologisch auch nicht sinnvoll", so Wilke. Doch die Familie hat vorerst keine andere Wahl. Denn bis das schnelle Internet in den Pleikartsförster Hof kommt, dauert es noch.
Jedenfalls wird derzeit – seit Anfang Dezember – zwischen Pleikartsförster Hof und Pfaffengrund ein Glasfaserleerrohrbündel verlegt, das an das Netz im Pfaffengrund angeschlossen werden soll. "Mit einer Inbetriebnahme der schnellen Anschlüsse in diesem Anschlussbereich rechnen wir derzeit im Frühsommer dieses Jahres, wenn uns die Witterung und auch Corona keinen Strich durch die Rechnung machen", ist von der Telekom zu erfahren. Ansonsten sei der Ausbau in Heidelberg im Plan. Aktuelle Informationen gebe es auf dem Telekom-Blog dazu unter www.telekom.de/heidelberg. Der Gesetzgeber hat geregelt, dass die Bereitstellung von Telekommunikationsdienstleistungen privaten Anbietern – wie der Telekom – obliegt.
Kommunen sind also häufig die Hände gebunden, wenn es ums Netz geht. Sie dürfen nur dann selbst aktiv werden, wenn kein Anbieter innerhalb von drei Jahren ausbaut oder die Geschwindigkeit des Internets unterhalb von 30 Mbit pro Sekunde, seit 2019 unter 50 Mbit pro Sekunde, liegt. Wenn beides zutrifft, spricht man von einem "Marktversagen" – die betroffenen Areale nennt man dann "weiße Flecken". In Heidelberg gibt es "weiße Flecken" in Teilbereichen von Schlierbach, Ziegelhausen, Südstadt, Rohrbach, Rohrbach-Süd, Bahnstadt, Grenzhof, Kurpfalzhof, Kohlhof, Königstuhl, Im Neurott sowie in Teilen des Gewerbegebietes Pfaffengrund und Wieblingen. Dort schließt die Stadt im Zuge ihres eigenen Breitbandausbaus rund 1150 Adresspunkte mit rund 2500 Gebäuden für um die 6000 Bürgerinnen und Bürger an. "Der Netzausbau liegt in den letzten Zügen, erste Teilnetze wurden bereits an den Betreiber übergeben und wiederum Teile davon werden in den kommenden Wochen in Betrieb gehen", so die Stadt. Allerdings: Der Pleikartsförster Hof ist nicht dabei. Schließlich hat die Telekom ja angekündigt, auszubauen.
Stefan Auditor ärgert dieses Vorgehen. Auch er lebt im Pleikartsförster Hof, hat Kinder, die im schulpflichtigen Alter sind und Fernunterricht haben. Er arbeitet ebenfalls im Homeoffice. Jedenfalls, wenn das Internet mitmacht. "Wir brauchen Glück, dass unsere Konferenzen nicht alle zur gleichen Zeit sind", berichtet Auditor. Und wenn doch: "Dann ist das Bild schlecht, es ruckelt, man hört nichts – oder man fliegt raus." Auditor befasst sich mit der Internetverbindung im Pleikartsförster Hof nicht erst seit der Corona-Krise. "Als im letzten Jahr der geförderte Breitbandausbau durch die Stadt geplant wurde, hatte ich beantragt, den Pleikartsförster Hof aufgrund Marktversagens anschließen zu lassen. Dem wurde nicht stattgegeben, da die Telekom – jetzt zum dritten Mal innerhalb von zwei Jahren – die Hand auf unsere Anschlusskästen gelegt hat und behauptete, den Ausbau zeitnah vorzunehmen." Geschehen sei seither bekanntlich: nichts.
Wilke findet: "Die Anbindung an schnelles Internet darf nicht vom Stadtteil abhängen." Zumal der Pleikartsförster Hof nicht abgelegen am Ende der Welt liege – "sondern in Heidelberg". Vor allem für ihre und die vielen anderen Kinder sieht sie in Zeiten von Schulschließungen massive Nachteile beim Lernen. Wilke: "So sieht Chancengleichheit nicht aus."