Die „Nextbike“-Leihräder – hier eine Station am Alten Hallenbad in Bergheim werden gut angenommen. Foto: Rothe
Von Micha Hörnle
Heidelberg. Das Fahrradverleihsystem "Nextbike" ist der Heidelberger Stadtverwaltung lieb und teuer – vor allem teuer. So werden ab dem nächsten Jahr knapp 900.000 Euro dafür fällig (wenn auch verteilt auf fünf Jahre), dass dieses System den Nutzern erhalten bleibt – und weiter ausgebaut wird.
Allein die Fortführung und die Digitalisierung kosten über eine halbe Million Euro; dabei werden die alten Räder durch neue "Smart Bikes" mit anderen Schlössern und eingebautem Technik-Schnickschnack für die bessere Bedienbarkeit ersetzt. Für knapp 200.000 Euro sollen 100 dieser neuen "Smart Bikes" im Neuenheimer Feld aufgestellt werden, um dort die Verkehrsprobleme abzumildern. Und schließlich sollen für 170.000 Euro zehn Elektro-Lastenräder zum Ausleihen angeschafft werden.
Diese "gesalzenen Preise" (AfD-Stadtrat Sven Geschinski) trafen im Haupt- und Finanzausschuss auf ziemlichen Unmut. So kostet die Stadt allein ein neues Lastenfahrrad 3400 Euro im Jahr, und das neue "Smart Bike" immer noch 400 Euro. Baubürgermeister Jürgen Odszuck verwies darauf, dass der Anbieter "Nextbike" aus Leipzig – in der Metropolregion ist der Nahverkehrsverbund VRN der Kooperationspartner – bisher der Stadt "keine Kalkulation vorgelegt" habe, man wisse also nicht, ob diese Preise auch realistisch seien. Aber so sei das nun einmal, wenn ein Markt wie der der Leihräder von Monopolen geprägt ist – da sei die Auswahl unter anderen Anbietern relativ klein: "Wir hoffen, dass sich in den nächsten Jahren auf dem Markt etwas tut."
Tatsächlich gibt es im Moment nur noch zwei große Anbieter von Fahrradvermietsystemen: die Privatfirma "Nextbike" und "Call a Bike" von der Deutschen Bahn. Diese Firmen – übrigens beide mit der Note "Gut" die Testsieger der Stiftung Warentest – hatten sich schon vor über fünf Jahren an der VRN-Ausschreibung beteiligt. "Nextbike" war etwas günstiger und bekam den Zuschlag.
Kleinere ausländische Anbieter hatten in den letzten Jahren andere deutsche Großstädte mit Rädern überschwemmt, die dann im Weg standen und langsam verrotteten. Berüchtigt ist der Fall der Firma "Obike" aus Singapur, die im letzten Jahr Konkurs anmeldete – und die seither die Städte im Kampf gegen die zurückgelassenen Schrotträder allein gelassen hat.
Das ist natürlich bei "Nextbike" nicht der Fall, nach anfänglichen Schwierigkeiten gibt es – bis auf die hohen Kosten – kaum Klagen. Ende März 2015 ging "Nextbike" in Heidelberg an den Start; dabei war die Kommune nur ein Teil des Gesamtsystems in der Region. Federführend bei der Aushandlung war der VRN, der dann die Kosten anteilsmäßig an die beteiligten Kommunen weiterreichte.
Auf die Frage, ob es denn nicht auch billiger ginge, antwortet der Verkehrsverbund: "Wir haben seinerzeit ein qualitativ hochwertiges System ausgeschrieben. Es zeichnet sich vor allem durch die hochwertigen Fahrräder und den Service (Verfügbarkeit und Qualität der Räder) aus. Ein billigeres Angebot würde der Qualität des Systems entgegenstehen." Die Behauptung, es gebe keine Kalkulation, sei falsch: "Der VRN kennt die Kalkulation und hat mit ,Nextbike‘ darüber verhandelt."
Mit der Firma sei man zufrieden, die Kooperation sei eine "Erfolgsstory": "Bis einschließlich Oktober verzeichneten wir bisher 375.000 Ausleihen in 2019, seit April 2015 haben wir nun mehr als 1,1 Millionen Ausleihen und sind in insgesamt 17 Kommunen im VRN präsent", so ein VRN-Sprecher.
Auch in Heidelberg gingen die Zahlen nach oben: Im ganzen Jahr 2016 gab es knapp 19.000 Ausleihen, zwei Jahre später waren es 62.000 und im ersten Halbjahr 2019 bereits knapp 64.000. Die E-Tretroller haben den "Nextbike"-Leihrädern nicht geschadet, wie auch Firmensprecherin Mareike Rachhaus betont: "Wir verzeichnen eine starke Nutzungssteigerung."
Aber wieso sind dann die "Nextbike"-Räder für die betroffenen Kommunen so teuer? Rauchhaus erklärt das so: "Im Gegensatz zu anderen Wettbewerbern stellen wir nicht einfach unsere Verkehrsmittel auf die Straße und überlassen diese sich selbst, sondern haben in jeder Stadt Serviceteams mit festangestellten Mitarbeitern, die den Fuhrpark pflegen und die Räder regelmäßig umverteilen." Darum kümmerten sich allein 14 Mitarbeiter in der Region. Die meisten Kosten verursacht also nicht die Anschaffung der Räder, sondern ihre kontinuierliche Instandhaltung und ihre Verteilung.
Auch wenn die "Nextbike"-Kosten vielleicht gesalzen sein mögen, "Mondpreise" sind es immerhin nicht. Denn eine Stadtsprecherin sagte auf RNZ-Anfrage: "Um die Preise am Markt vergleichen zu können, hat VRN eine Marktrecherche durchgeführt. Im Ergebnis sind die seitens ,Nextbike‘ aufgerufenen Preise dem Markt entsprechend."
Was aber denkbar ist: Nach dem Jahr 2024 könnte der VRN das Fahrradverleihsystem europaweit ausschreiben – mit der Hoffnung, dass es dann günstiger wird. Aber erst einmal nahm der Haupt- und Finanzausschuss die hohen Kosten grummelnd zur Kenntnis, stimmte ihnen zu – und wartet auf günstigere Zeiten.