RNZ-Mitarbeiter Philipp Neumayr im Gespräch mit Anna Daghbashyan. Sie wollte sich nicht zu erkennen geben. Foto: Hentschel
Von Philipp Neumayr
Heidelberg. Eine Wohnung in Heidelberg - für junge Menschen, die neu in die Stadt kommen, fast schon ein Sechser im Lotto. Anna Daghbashyan hatte Glück. 55 Quadratmeter, möbliert, mitten in Neuenheim und das alles für 550 Euro warm. Ein Schnäppchen, so dachte sie, bis sie vor der Haustüre stand.
Daghbashyan ist 26 Jahre alt, Medizinstudentin und kommt aus Jerewan, der Hauptstadt Armeniens. Über den Deutschen Akademischen Austauschdienst hatte sie sich für ein Forschungsstipendium beworben - mit Erfolg. Sie erhält einen Stipendienplatz für einen zehnmonatigen Praxisaufenthalt an der Augenklinik des Universitätsklinikums.
Im April dieses Jahres fängt sie an, nach Wohnungen in Heidelberg zu suchen. Die Studentenwohnheime, teilt man ihr mit, hätten keinen Platz für sie. Also macht Daghbashyan das, was heutzutage alle jungen Menschen machen, wenn sie etwas brauchen: Sie geht ins Internet.
Dort richtet sie sich einen Account bei dem Anbieter Immobilienscout24 ein. Sie erhält mehrere Absagen. Am 10. August schreibt sie einem Herren mit dem Namen Mario Robles wegen einer Wohnung in der Mönchhofstraße 3: "Die Wohnung gefällt mir sehr gut. "Wenn es möglich ist, möchte ich sie von 1. Oktober bis 31. Juli mieten."
Einen Tag später antwortet ihr eine Frau unter dem Namen Sieglinde Rieger per E-Mail. Sie sei die Eigentümerin der Wohnung, komme aus Vilnius, Litauen, habe momentan aber keine Zeit, nach Deutschland zu kommen. Daghbashyan könne die Wohnung mieten, eine vorherige Besichtigung sei allerdings nicht möglich. Die Miete betrage 550 Euro, zum Start sei zusätzlich eine Kaution von 1100 Euro zu entrichten - über einen Link, der zu der Wohnungsplattform Airbnb führe. Am Ende der Miete werde ihr die Kaution zurückerstattet.
In den folgenden Wochen schreiben die beiden einander zahlreiche weitere E-Mails. Mehrfach fragt Dagh-bashyan, ob sie nicht Fotos von der Wohnung sehen könne, nie erhält sie eine Antwort. Stattdessen sagt man ihr, dass sie die geforderten 1650 Euro überweisen und eine Kopie ihres Personalausweises übermitteln müsse. Auf die Frage, ob sie auch später zahlen könne, erhält Daghbashyan folgende Antwort: "Leider nein."
Mitte September, rund zwei Wochen vor ihrer Anreise, bekommt die 26-Jährige einen Link zugeschickt, der sie scheinbar auf die Webseite von Airbnb weiterleitet. Darunter findet sie die Daten zu jenem Konto, auf das sie das Geld überweisen soll. Es läuft unter dem Namen S.V. Preda und gehört zu einer Bank, die in Amsterdam ansässig ist. Daghbashyan zahlt das Geld in bar ein. Zwei Tage später erhält sie die Bestätigung, dass es eingetroffen ist. Sie solle am Tag ihrer Ankunft um 16.30 Uhr zur Mönchhofstraße 3 kommen. Es ist das letzte Mal, dass die Studentin etwas von ihrer Vermieterin hört.
Am 1. Oktober landet Daghbashyan mit mehreren Stunden Verspätung am Frankfurter Flughafen. Mit dem Bus fährt sie nach Heidelberg, von dort aus mit der Straßenbahn nach Neuenheim. Es ist dunkel und kalt, Daghbashyan schwer bepackt. "Ich hatte kein Internet, war hilflos", sagt sie. Die 26-Jährige fragt eine Heidelbergerin, die gerade auf dem Weg nach Hause ist, wie sie vom Bunsengymnasium zu ihrer Wohnung komme. Die Frau bietet Daghbashyan ihre Hilfe an.
Gemeinsam fahren sie zur Mönchhofstraße 3, klingeln. Die Bewohner teilen ihnen mit, dass hier nichts vermietet werde. Auch auf dem Klingelschild findet sich kein Name der vermeintlichen Eigentümerin. Daghbashyan kommt vorerst bei ihrer Helferin unter. Einen Tag später gehen sie gemeinsam zur Polizei. Dort legen sie die entsprechenden Dokumente und Auszüge der E-Mail-Korrespondenz vor. Spätestens jetzt merkt die 26-Jährige: Sie wurde betrogen.
"Leider kommt es immer wieder vor, dass Betrüger die Knappheit auf dem Wohnungsmarkt ausnutzen", erklärt ein Sprecher des Onlineportals Immobilienscout24 gegenüber der RNZ. Gerade ausländische Interessenten seien besonders prädestinierte Opfer, da sie nicht so gut Bescheid wüssten und es für sie schwieriger sei, aus der Ferne an eine Wohnung zu gelangen. Indem auf die Plattform Airbnb verlinkt würde, suggerierten Betrüger zudem, dass die Wohnung ihnen gehöre, was wiederum die Glaubwürdigkeit des Angebots erhöhe.
Ihr Geld wird Anna Daghbashyan wohl nicht wiedersehen. Mit ihrer Darstellung will sie andere vor ähnlichen Betrügern schützen. "Es war eine Erfahrung für mich", sagt sie. Immerhin hat sie mittlerweile eine Wohnung gefunden. Dort kann sie für drei Monate bleiben. Dann muss sie sich vermutlich etwas Neues suchen.