Pascal Kapp unterstützt Sabine Bischoff bei der Leitung des Nah & Gut in Ziegelhausen. Dort wird pro Kunde aktuell nur eine Packung Toilettenpapier und Küchenrollen ausgegeben. Foto: Alex
Von Philipp Neumayr
Heidelberg. Während in Heidelberg am Mittwoch viele Geschäfte bis auf Weiteres ihre Türen schließen mussten, geht der Ansturm auf die Super- und Lebensmittelmärkte weiter. Der Grund: Sie bieten existenzielle Produkte für den täglichen Bedarf an – und fallen daher nicht unter die Verordnung der Landesregierung über infektionsschützende Maßnahmen gegen die Ausbreitung des Virus Sars-CoV-2.
Christian Müller betreibt seit 2018 den Rewe-Markt im Stadtteil Schlierbach. Eine Situation wie derzeit, hat er so noch nicht erlebt, erklärt er der RNZ am Mittwoch am Telefon. "Viele Menschen sind sowas von egoistisch." Seit mehreren Tagen begrenzten er und seine Mitarbeiter die Ausgabe von bestimmten Produkten wie Teigwaren, Milch, Konserven und Toilettenpapier. Das Personal würde die Kunden mündlich darauf hinweisen, so Müller.
Die Reaktion der Kunden fällt allerdings oft alles andere als freundlich aus. "Wir werden beschimpft, wir kriegen sogar Schläge angedroht." Zudem kämen Menschen kurz nacheinander in den Laden, um möglichst viel zu kaufen. "Da gibt es überhaupt kein Schamgefühl."
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Gerade in den letzten Tagen habe sich die Lage in seinen Märkten – Müller betreibt einen zweiten Rewe-Markt in Nußloch – noch einmal deutlich zugespitzt, sagt er. "Wir pfeifen aus dem letzten Loch und machen alle Überstunden. Das ist, als ob Weihnachten und Ostern zusammengefallen sind." Seine Mitarbeiter arbeiteten jeden Tag länger als sonst. "Wenn sie nur Dienst nach Vorschrift machen würden, wäre es nicht möglich, die Märkte weiterhin zu öffnen." Bislang, sagt Müller, seien seine Mitarbeiter weitgehend gesund geblieben.
Damit das möglichst lange so bleibt, hält der Marktleiter sein Personal dazu an, regelmäßig und intensiv Hände zu waschen. Zudem versuche man, die Kassen so zu belegen, dass zumindest immer eine dazwischen frei sei.
Am Nachschub von Lebensmitteln und Produkten fehlt es Müllers Märkten nicht. Zwar gebe es Engpässe bei den Waren – aber nur aufgrund von Hamsterkäufen, wie Müller erklärt. Grundsätzlich würden alle Regale aufgefüllt, mehrmals am Tag rollten neue Lieferungen an. "Es gibt definitiv keinen Notstand."
Der Notstand ist auch im Edeka Nah & Gut in Ziegelhausen noch nicht ausgebrochen. Vom Normalzustand ist das, was Marktleiterin Sabine Bischoff derzeit erlebt, aber weit entfernt. "Wir werden überrannt", sagt sie. Erst gestern seien viele Gruppen Jugendlicher in den Markt geströmt. "Da wird kein Abstand an den Kassen und zu Mitarbeitern gehalten." Auch hier würden die Mitarbeiter immer wieder von Kunden bepöbelt. "Wenn die Menschen das Geschäft betreten, dann vergessen sie sich", sagt Bischoff. Ab sofort wolle sie daher keine größeren Gruppen an Menschen gleichzeitig in den Markt lassen.
Wie im Rewe-Markt von Christian Müller werden bei Sabine Bischoff bestimmte Produkte wie Klopapier und Küchenrollen nur begrenzt ausgegeben – maximal eine Packung pro Einkauf. Denn derzeit sind etliche Regale leer. "Würden die Leute nicht so extrem hamstern, wäre auch für jeden etwas da", so Bischoff. Doch so bliebe ihr keine andere Wahl, als zu rationieren. "Wir kommen uns vor wie die Polizeibehörde für Klopapier."
Die Marktleiterin und ihre Mitarbeiter fühlen sich alleine gelassen. "Wir wissen nicht, wie wir uns schützen sollen." Sie wünscht sich, dass Stadt oder Land präzisere Vorgaben machen. Die aktuelle Verordnung der Landesregierung gibt lediglich vor, "dass die erforderlichen Hygienestandards, die Steuerung des Zutritts und das Vermeiden von Warteschlangen sichergestellt ist". Doch mehr als alle zehn Minuten die Einkaufswagen zu desinfizieren, regelmäßig die Hände zu waschen und darauf zu achten, dass an der Kasse genügend Abstand zwischen den Menschen besteht, könnten sie und ihre Mitarbeiter gerade nicht tun.
Noch kann Bischoff auf genügend Personal zurückgreifen. "Aber wenn es mit dieser Belastung so weiter geht, werde ich weitere Aushilfskräfte benötigen."