Von Arndt Krödel
Heidelberg. Die Einführung von Dieselfahrverboten in einigen deutschen Städten hat die Autofahrer in Wallung gebracht - geht es dabei doch an die Wäsche ihres (fast) liebsten Kindes, ihres Fahrzeugs nämlich, dessen Mobilität sie ja eigentlich als unbegrenzt verstanden wissen wollen. Soll man solche Verbote durchsetzen oder muss man es sogar, bringen sie überhaupt etwas oder verlagern sie nur die Probleme?
Die Debatte ist aufgeheizt, wie Dr. Patrick Hilbert vom Institut für deutsches und europäisches Verwaltungsrecht der Universität Heidelberg in einem Vortrag feststellte. Da tue eine "Abkühlung" im Sinne einer nüchternen Klärung der Thematik gut. Der Rechtswissenschaftler sprach im Rahmen der "Akademischen Mittagspause" in der gut besetzten Peterskirche über das Thema "Warum gibt es Dieselfahrverbote?" Diese regeln, dass bestimmte räumliche Bereiche nicht mit einem bestimmten Dieselfahrzeug befahren werden dürfen. Und da es nur um Dieselmotoren geht, die bestimmte Abgaswerte nicht erreichen, typischerweise um solche unterhalb der Euro-6-Norm, kommt die sachliche Beschränkung noch hinzu.
Rechtlich betrachtet sind Dieselfahrverbote Verwaltungsakte in Gestalt einer sogenannten Allgemeinverfügung, wie Hilbert erläuterte. Höchstrichterlich ist klargestellt worden, dass diese Verbote auf Grundlage der Straßenverkehrs-Ordnung (StVO) erlassen werden dürfen, aber nicht unbeschränkt.
Freiwillig führe in Deutschland (fast) keine Straßenverkehrsbehörde Dieselfahrverbote ein, weiß der Verwaltungsrechtler. In einem Automobilland wie dem unseren scheine dies "politischer Selbstmord", und welcher Landrat oder Oberbürgermeister wolle sich dem schon aussetzen? Doch: Die Behörden werden in sogenannten "Luftreinhalteplänen" zu Dieselfahrverboten verpflichtet.
Wenn ein solches Verbot in einem Luftreinhalteplan steht, muss die Straßenverkehrsbehörde es anordnen. Doch auch die - in Baden-Württemberg - für die Pläne zuständigen Regierungspräsidien nähmen Dieseleinfahrverbote, so Hilbert, nicht freiwillig darin auf. Allerdings verpflichten die Verwaltungsgerichte die Behörden immer häufiger, die Aufnahme von Dieselfahrverboten in Luftreinhaltepläne zumindest "ernsthaft in Erwägung zu ziehen".
Hier tritt das Recht der Europäischen Union auf den Plan. Deren Mitgliedsstaaten haben verpflichtende Zielvorgaben bei der Stickstoffdioxidbelastung vereinbart - der aktuelle Grenzwert liegt gemittelt über das gesamte Kalenderjahr bei 40 Mikrogramm pro Kubikmeter. Wie das eingehalten wird, ist Sache der einzelnen EU-Staaten. Schafften sie es nicht, führte der Wissenschaftler weiter aus, müssten sie Maßnahmen benennen, mit denen die Grenzwerteinhaltung zeitnah möglich sei - und diese Maßnahmen müssten sie dann auch ergreifen. Tun sie aber häufig nicht: "Grenzwertüberschreitungen sind seit 2010 gang und gäbe", stellte Hilbert fest.
Dass Gerichte die Behörden nun verpflichten, ihre Luftreinhaltepläne zu erneuern und hierbei auch Dieselfahrverbote zu erwägen, hat nach seinen Worten den Grund, dass nach geltendem deutschem Recht betroffene Einzelpersonen und auch sogenannte Umweltverbände auf die Einhaltung der Grenzwerte des europäischen Luftqualitätsrechts klagen dürfen.
Die ganze Thematik hat noch einen gravierenden politischen Hintergrund, wie Hilbert darlegte: Er sieht ein Versäumnis darin, dass die Politik seit Mitte der 1990er-Jahre nicht genug unternommen hat, um auf eine Einhaltung der Grenzwerte hinzuwirken - trotz seit 2010 verbindlich geltender Grenzwerte. Der Rechtswissenschaftler kritisierte eine "unverfrorene Verweigerungshaltung mancher Politiker", auch in Baden-Württemberg. Gerichtliche Entscheidungen zur Verschärfung der Luftreinhaltepläne würden zum Teil einfach nicht befolgt. Es sei ein Skandal, wenn staatliche Funktionsträger hier "aus opportunistischen Gründen" den rechtsstaatlichen Konsens aufkündigten.