Im Großen Rathaussaal begrüßte der Erste Bürgermeister Jürgen Odszuck (rechts, sitzend) die Gäste aus Großbritannien. Sie haben ein straffes Programm vor sich. Foto: Philipp Rothe
Von Jonas Labrenz
Heidelberg. Die Reise nach England ist umständlich, seine Einwohner arrogant, das Wetter schlecht und die Küche zumindest gewöhnungsbedürftig. "Das sind alles Lügen", sagte Helmut Less lächelnd, nachdem er die Vorurteile über die Briten aufgezählt hatte. Das Publikum applaudierte. Less hielt die Rede zur Begrüßung der Gäste aus Cambridge, die wegen des Austauschs der Akademie für Ältere einige Tage in Heidelberg zu Gast sind. Im Großen Ratssaal sprach auch Bürgermeister Jürgen Odszuck ein paar Worte zur Begrüßung.
"Es ist wichtig, dass die Menschen sich persönlich treffen - und das ist heute noch wichtiger, als in den letzten Jahren", sagte Odszuck im Hinblick auf den Ausstieg der Briten aus der Europäischen Union (EU). Der Bürgermeister fügte hinzu: "Wir werden Freunde bleiben, auch wenn wir nicht mit einem komplexen politischen Konstrukt wie der EU verbunden sind."
Barbara Eacott hält die Pläne ihrer Regierung für fatal: "Der Brexit ist die größte Katastrophe für Großbritannien", erklärt die Besucherin aus Cambridge. Sie hat im bayerischen Landshut studiert, Praktika in Frankfurt und Aachen absolviert, immer wieder Deutschland besucht. "Ich habe das Land sehr gern", erklärte sie.
Und dass die Medien nun einen Keil zwischen die Länder schieben wollten, mache sie wütend. "Die Zeitungen sind so nationalistisch", so Eacott. Vorurteile gegen Deutsche würden dort geschürt. Und es werde so getan, als wären die Deutschen ein hochnäsiges, humorloses Volk. "Aber das ist überhaupt nicht so. Wenn man persönlich aufeinandertrifft, ist alles anders", erklärte die Rentnerin. Als viele Engländer zur Fußball-Weltmeisterschaft hierher gekommen waren, hätten sie genau das erfahren.
Auch Doris Minaar kann bestätigen, dass Vorurteile sich in Luft auflösen, wenn man sich persönlich begegnet. Sie muss allerdings zugeben, dass in der Vergangenheit doch einige Engländer eher distanziert waren. Minaar ist in der Schweiz geboren, lernte deshalb in der Schule deutsch und zog vor beinahe 50 Jahren nach England. Sie ist das erste Mal in Heidelberg - und war sofort von der Stadt angetan: "Es gibt hier so viel zu sehen, zu hören und zu lesen", erklärte sie begeistert. Seit Langem denke, träume und spreche sie in Englisch, erklärt die gebürtige Schweizerin. Ihre - zumindest schriftliche - Muttersprache, halte sie bei einer deutschen Diskussionsrunde in Cambridge in Gang. Als sie von dem Austausch gehört hatte, war ihre Entscheidung mitzufahren schnell gefallen. "Ich dachte mir einfach, wieso nicht?"
Der Austausch mit Heidelbergs Partnerstadt Cambridge, fand 2006 das erste Mal statt. In den geraden Jahren besuchen die Engländer Deutschland, in den ungeraden ist es andersherum. Am Mittwochabend kamen die Gäste an und werden noch einige Tage hier verbringen.
Für diesen Austausch spreche auch noch mehr, erklärte Odszuck in seiner Rede: "Unsere Städte haben nämlich viel gemeinsam." Auf der einen Seite die lange Tradition universitärer Bildung, außerdem das hohe Alter der Städte. Auf der anderen Seite aber hat auch Cambridge ein Problem mit dem Verkehr: "Wir leben hier ja im Moment auf einer großen Baustelle", scherzte der Bürgermeister. Trotzdem: Bei solch einem Austausch könne man immer auch voneinander lernen.