Corona-Abendkonzert in der Weststadt: Sebastian, Daniel und Ulrike Wandtke (v.l.) singen am Fenster ihrer Wohnung am Danteplatz „Abendstille überall“ und „Der Mond ist aufgegangen“. Foto: Philipp Rothe
Von Lena Scheuermann
Heidelberg. Um 18.55 Uhr ist es ruhig rund um den Danteplatz in der Weststadt – wegen des Coronavirus ruhiger als sonst: Der Spielplatz ist gesperrt, das Boulevard Café hat geschlossen und nur eine Handvoll Spaziergänger und Anwohner haben sich auf die Straße verirrt. Als die Glocken der nahen Christuskirche pünktlich um 19 Uhr läuten, beginnt es sich auch hinter den hell erleuchteten Fenstern plötzlich zu regen: Die Weststädter machen sich bereit – und wenige Minuten später schallt auch schon vielstimmig das Kinderlied "Der Mond ist aufgegangen" durch die Abenddämmerung.
So ging der Mond über Heidelberg, Dossenheim und Schriesheim auf
Kamera: Peter Dorn, Benjamin Miltner und Lena Scheuermann / Produktion: Reinhard Lask
Seit letzter Woche ruft die Evangelische Kirche deutschlandweit jeden Abend um 19 Uhr zum gemeinsamen "Balkonsingen" auf – gegen die Angst und die Unsicherheit während der Corona-Krise. Egal ob vom Balkon herab oder aus dem Küchenfenster, ob Musiker oder Laie, ob textsicher oder nicht: Hier dürfen alle mitsingen. Beim Balkon- oder Fenstersingen geht es schließlich nicht um Perfektion, sondern um das Gemeinschaftsgefühl.
Das sieht auch Ulrike Wandtke aus der Weststadt so: "Das Singen ist der Ersatz dafür, dass wir uns nicht alle auf dem Spielplatz treffen können." Gemeinsam mit ihrem Mann Sebastian und Sohn Daniel verteilte sie in den vergangenen Tagen bereits Flugblätter in der Nachbarschaft, um die Anwohner zum Mitsingen zu animieren. "Es macht einfach Freude, wenn man ein hoffnungsvolles Lied miteinander teilt", findet Sebastian Wandtke. Sohn David ergänzt: "Und man kann sich den ganzen Tag darauf freuen." Bisher ist die Familie mit der Resonanz zwar zufrieden, hofft aber in den kommenden Tagen oder Wochen auf noch mehr Mitsänger und ähnliche Aktionen in anderen Stadtteilen. "Wir würden uns besonders über weitere spontane Beiträge von Musikern freuen", so Ulrike Wandtke. Wenn die Aktion weiterhin so gut ankommt, überlegt die Familie, noch ein weiteres Lied ins gemeinschaftliche Repertoire aufzunehmen – vielleicht noch ein Kinderlied, sodass auch die Kleinsten mitsingen können. Bis dahin gilt jeden Abend, auch heute: Mitsingen ist ausdrücklich erwünscht.