Nicht nur viele potenzielle Kunden haben haarige Zeiten hinter sich. Am 1. März sollen Friseure wieder öffnen können. Etliche haben sich schon viele Anfragen nach Terminen und sehen sich gut vorbereitet. Foto: Christofer Menges
Von Elisabeth Murr-Brück
Eberbach/Hirschhorn. "Ziehen sie sich warm an", hat Friseurmeisterin Marlen Schmidt in Hirschhorn allen gesagt, die bei ihr einen Termin ergattert haben: "Alle 20 Minuten wird konsequent durchgelüftet." 1. März, der Tag, auf den das Land wartet wie ein Kind aufs Christkind. Ende des Lockdowns für Friseure. Weg mit dem Vogelnest auf dem Kopf, der rausgewachsenen Dauerwelle, dem grauen Scheitel, wir werden wieder die sein dürfen, die wir sein möchten. Ab Montag, wenn Friseure traditionell geschlossen haben. Aber jetzt ist nicht die Zeit für Ironie, das Sein bestimmt das Bewusstsein und mit aufgeräumtem Kopf lässt sich das verbleibende Elend hoffentlich besser ertragen.
So ähnlich sah es wohl auch die Regierung: gepflegtes Haupthaar sei eine Frage der Menschenwürde und hat irgendwie auch was mit Hygiene zu tun. Sicherheitshalber wurde aber auch an den Hygienevorschriften noch einmal gedreht: Figaros dürfen ihren Kunden zwar um, aber nicht an den Bart gehen, so körpernah darf die Dienstleistung nun doch nicht sein, abgesehen vom technischen Problem: Schließlich muss die Maske bleiben und konsequent Mund und Nase abdecken. Pro Person ist eine Fläche von zehn Quadratmetern vorgeschrieben.
Für Friseurmeisterin Rena Helm kein Problem: "Wir sind nur zu zweit", und ihr Salon ist so gestaltet, dass sie auf einem Podest ein paar Stufen höher arbeitet. Zwei Kunden also: "Da kommen wir uns nicht in die Quere". Niemand darf im Geschäft warten. Wenn die Kunden den Salon verlassen haben, wird über das Fenster an der Rückseite und die Tür zur Straße quergelüftet und alles gereinigt und desinfiziert.
Immer schon gab es Haarschnitt nur in Verbindung mit Waschen, dass das jetzt zwingend so sein muss, könnte bei kleineren Kindern vielleicht schwierig werden, vermutet sie. Ein anderes Problem: die Umhänge, Arbeitskleidung und Handtücher kann sie nicht im Salon waschen, denn der befindet sich in einem von Hochwasser gefährdeten Bereich. "Da kann man keine Waschmaschine im Keller aufstellen". Für die Wiedereröffnung hat sie mehrere Garnituren an neuen Umhängen bestellt.
In Hirschhorn wird im "Salon Marlen" in nächster Zeit im Wechselschichtbetrieb gearbeitet, von Montag bis Samstag von 9 bis 29 Uhr, manchmal auch von morgens 8 Uhr bis 20 Uhr abends. Obwohl sie zu dritt sind, waren schon nach kurzer Zeit alle Termine bis Ende März vergeben.
Jacques Wintermans ("Bei Jacques") ist leicht fassungslos amüsiert, wenn er an den 10. Februar erinnert: "Um viertel vor Acht hat Angela Merkel im Fernsehen verkündet, dass Friseure ab März öffnen dürfen". Danach kam er anderthalb Stunden nicht mehr vom Telefon weg. Auch er hat seine Öffnungszeiten verlängert, trotzdem bleibt er entspannt. Er kennt seine Kunden, die Zeitfenster für sie hat er großzügig angesetzt. Es soll auf keinen Fall sein wie im Dezember, wo er sozusagen im Akkord gearbeitet hat, damit noch möglichst viele vor dem Lockdown ihre Haare schön kriegten.
Schwer zu sagen, wer glücklicher ist: Kunden, die einen Termin ergattert haben oder die Friseure selbst, die endlich wieder arbeiten dürfen. Für beide Seiten ist es eine Frage des Selbstwerts, aber natürlich haben die Friseure auch eine wirtschaftlich harte Zeit hinter sich. "Unmoralische" Anfragen und auch Angebote habe es gegeben, sagen alle drei. Darauf einzugehen stand für sie nicht zur Diskussion. Aber auch sie sehen täglich Menschen, die augenscheinlich nicht selbst an ihren Haaren herumgeschnippelt haben.
Vielleicht kam der politische Entschluss, die Friseurläden zu öffnen auch dadurch zustande, dass die Schwarzarbeit unkontrolliert zunahm, je länger der Lockdown gedauert hat. Dessen Logik viele Friseure auch nur schwer nachvollziehen, nicht nur, was die eigene Branche betrifft: Fachgeschäfte sind geschlossen, bei Discountern drängeln sich Kunden um Kleidung und Blumen ebenso wie zu Stoßzeiten in Bussen und Straßenbahnen.
Jacques Wintermans kann der Sache trotzdem etwas Positives abgewinnen. Bei sich selbst hat er festgestellt, dass Einkaufen manchmal vielleicht so etwas wie eine Ersatz-Handlung ist. "Vielleicht fragen wir uns in Zukunft öfter: Was brauchen wir wirklich?" Und zum Ergebnis kommen: weniger Dinge, weniger Arbeit und mehr Zeit.