Von Martina Birkelbach
Eberbach. Rolf (Name geändert) ist kein aggressiver Mensch, eher zurückhaltend, außerdem sehr zuvorkommend und höflich. Er liest gerne und beschäftigt sich mit Eisenbahnen und Modellbau. Er liebt sein Haustier, und darum kümmert er sich auch. Er würde gerne arbeiten, aber er schafft es einfach nicht. Er hat kaum eine Tagesstruktur, kein Durchhaltevermögen. Es gibt gute und schlechte Tage.
An den schlechten Tagen hört er wieder die Stimmen, die ihm sagen, was er machen soll. Etwa Handys kaufen. Der Kauf von über zwölf Handys brachte ihm einen Schuldenberg von rund 20.000 Euro ein. Rolf leidet unter Schizophrenie; die Diagnose wurde ihm gestellt, als er 20 Jahre alt war. Als ihm die Stimmen in seinem Kopf eines Tages sagten, dass er sich umbringen soll, landete er nach einem Selbstmordversuch in der Wieslocher Psychiatrie.
Nach Abschluss des Aufenthalts dort bekam das Diakonische Werk in Eberbach einen Anruf, ob es vor Ort eine Weiterbehandlung im Bereich "Ambulantes betreutes Wohnen" anbieten könne. Rolf war einverstanden, das Diakonische Werk ebenso. Rolf bekam Hilfe bei der Schuldnerberatung, und seit etwa einem Jahr betreut ihn Christine Straßer.
"Wenn er gut drauf ist, kommt er zu uns in die Beratung; wenn das nicht geht, fahre ich zu ihm", sagt die Sozialarbeiterin. Dann hilft sie beim Sortieren von Briefen und Kontoauszügen. Sie überprüfen gemeinsam den Kühlschrank, und wenn eingekauft werden muss ziehen sie zusammen los. "Davor packen wir den Rucksack: Geld, Schlüssel, Tasche. Rolf kann sich oft nicht alles merken, was dazu gebraucht wird." Straßer versucht, ihn wieder am gesellschaftlichen Leben teilhaben zu lassen.
Oft hat er Zurückweisung von Freunden erfahren. Zusätzlich fährt Straßer alle sechs Wochen mit ihm zum Psychiater nach Heidelberg. "In Eberbach gibt es leider keinen mehr." Rolf würde es wohl alleine nach Heidelberg schaffen, aber ob er die Tür zur Praxis dann auch öffnet, weiß sie nicht.
Rolf hatte eine schwere Kindheit, fand unter anderem seinen Vater leblos am Boden vor. Mit 20 landete er das erste Mal in psychiatrischer Behandlung. Danach absolvierte er eine Ausbildung zum Gartenbauer. Mit Medikamenten schaffte er es auch zeitweise in seinem Beruf zu arbeiten. Doch dann kamen immer wieder diese Phasen. Ganze Tage, an denen er nur Stimmen hörte, die ihn in ein Loch trieben.
Für Rolf ein Gefühl, als würde einem jemand Gedanken einpflanzen. "Das kann irgendwer auf der Straße sein." Er arbeitete in diversen Bereichen, doch hielt nie lange durch. Auch, weil er sich teilweise dazu noch mit Alkohol betäubte. Das kam ganz schleichend, doch mit den Medikamenten verträgt sich das überhaupt nicht.
Rolf lebt von Hartz IV, 424 Euro monatlich. Die Kosten für das "Betreute Wohnen" übernimmt das Sozialamt. Beim Ausfüllen all’ der Anträge hat Straßer ihm geholfen. "Allein der Antrag für AGL II ist wahnsinnig kompliziert. Das hätte er alleine nie geschafft."
Schizophrenie ist laut Straßer eine affektive Störung, eine Störung der Empfindung, der Wahrnehmung, der Vorstellung und des Denkens – eine Fehlschaltung im Gehirn. Woher sie kommt, werde noch erforscht. Rolf wird niemals geheilt werden, die Krankheit sein Leben lang behalten. Was Straßer versucht, ist die Krankheit "in Schach" zu halten; "die guten Phasen lange aufrecht zu halten – damit er sich gut fühlt und teilhaben kann am Leben".
Insbesondere junge Menschen mit Schizophrenie nehmen laut der Sozialarbeiterin oft ihre Tabletten nicht. Auch, weil sie sich manchmal ganz wohl fühlen damit, etwa wenn sie denken, sie sind "Superman". Zudem ist man mit den Tabletten nicht mehr so leistungsfähig. Menschen mit psychischen Erkrankungen fühlen sich laut Straßer oft ausgeschlossen von der Gesellschaft. Ausbrüche der Erkrankungen kommen meist zwischen 18 und 23 Jahren, zwischen 28 und 35 sowie im höheren Alter ab etwa 60 vor.
Oft fällt es den Menschen schwer, um Hilfe zu fragen. Dabei steht das Diakonische Werk allen offen; und wenn Eberbach nicht zuständig ist, wird einem eine andere Stelle empfohlen. "Wir lehnen niemanden ab, sind immer ansprechbar. Und wenn wir nicht geeignet sind, leiten wir weiter, bis die richtige Stelle gefunden ist", verspricht Straßer.
Rolf jedenfalls ist sehr dankbar für die Hilfe; für die Hilfe mit den Behörden und dafür, dass er sich nicht mehr so einsam fühlt.
Warum er seine persönliche Geschichte erzählt, bzw. von Straßer erzählen lässt: "Damit psychische Erkrankungen vielleicht etwas mehr Anerkennung erfahren und wir Erkrankte etwas mehr in das gesellschaftliche Leben mit eingebunden werden."
Info: Diakonisches Werk im Rhein-Neckar-Kreis, Kirchenbezirk Neckargemünd-Eberbach, Friedrichstraße 14, 69412 Eberbach; Telefon (0 62 71) 92 640, E-Mail eberbach@dw-rn.de. Infos hier.