Der Fledermausturm ist eine Station auf dem Walldürner Biotoplehrpfad.
Walldürn. (jam) Sie sehen mit den Ohren, fliegen mit den Händen und schlafen mit dem Kopf nach unten: Fledermäuse sind die einzigen flugfähigen Säugetiere. Meistens sieht man sie in der Luft: Dort jagen und fressen sie. Zum Schutz vor Beutegreifern, zum Überwintern, zum Schlafen und zum Paaren sind sie aber auf geschützte Quartiere angewiesen. Ein solches finden Walldürner Fledermäuse in einem "Turm der Artenvielfalt", wie ihn Berthold Mairon und Bernhard Spreitzenbarth vom Biotopschutzbund bezeichnen.
Die Rede ist von einer ehemaligen Transformatorenstation der Stadtwerke im "Großen Wald" in der Nähe der Hornbacher Straße. Die hatte ursprünglich eine Pumpstation am Monbrunnen mit Strom versorgt, sollte dann aber abgerissen werden. Doch der Biotopschutzbund hatte andere Pläne: Gemeinsam mit der Stadt haben Mitglieder den Turm hergerichtet, Zwischendecken eingezogen, das Dach erneuert und "Luxuswohnungen" unter anderem für Fledermäuse geschaffen.
Für den "Turm der Artenvielfalt" hat die Natur ihre eigenen PläneDie Suche nach Unterschlüpfen ist generell schwierig für die nachtaktiven Säugetiere: Es gibt für sie nicht genug Hohlräume in Gebäuden oder Bäumen. Seit Jahren appellieren Naturschützer etwa an Eigentümer, Verstecke an ihren Häusern für die Tiere zu erhalten. Deshalb ist es wenig verwunderlich, dass die hiesigen Fledermäuse die Unterschlüpfe im Turm des Walldürner Biotopschutzbunds so gut annehmen.
Wie viele Tiere sich dort aufhalten, darüber führt Berthold Mairon Buch. Regelmäßig bringen ihn seine Spaziergänge zum grün bemalten Turm, an dessen Außenseite sechs Fledermauskästen hängen. "Dann mache ich den Kot der Tiere weg und sehe so, welche Kästen belegt sind." Derzeit finden sich unter allen sechs Behausungen Spuren der Tiere. "Es handelt sich wohl um Männchen", vermutet Spreitzenbarth. "Die Weibchen sind aktuell für die Aufzucht des Nachwuchses in der sogenannten Wochenstube."
Ein Kleiber hat die große Öffnung des Eulenkastens beinahe völlig "zugemauert".
Fest steht aber zumindest, dass es sich bei den Bewohnern um die größte heimische Fledermausart handelt: das Große Mausohr, das eine Flügelspannweite von gut 40 Zentimetern erreicht. "Wir haben die Art anhand ihres Kots im Naturkundemuseum Karlsruhe bestimmen lassen", erklärt Bernhard Spreitzenbarth, wie sie dem scheuen Tier auf die Spur gekommen sind. Denn: "Während einige andere Arten schon in der Dämmerung aktiv sind, fliegt das Große Mausohr nur bei völliger Dunkelheit", so Mairon.
Dank des Turms haben einige Exemplare zumindest ihr Wohnraumproblem gelöst, doch die Flugkünstler plagen noch weitere Sorgen: "Der Rückgang der Insekten macht den Fledermäusen arg zu schaffen", sagt Berthold Mairon und ergänzt: "Die Spritzmittel dezimieren ihr Nahrungsangebot stark." Aktuell stehen alle der in Deutschland vorkommenden Fledermausarten auf der Roten Liste und sind teilweise vom Aussterben bedroht. Immerhin für das Große Mausohr sind die Zahlen nicht ganz so alarmierend: Die Weltnaturschutzunion stuft sie aufgrund des großen Verbreitungsgebiets und der Anzahl der Individuen als "nicht gefährdet" ein.
Der Kot beweist: Im Turm haben sich Große Mausohren niedergelassen.
Damit das so bleibt, unternimmt der Biotopschutz viel, um die Quartiere in Walldürn für die Flugsäuger attraktiv zu gestalten. "Wir pflanzen kilometerlang Hecken, an denen die Tiere auf Beutejagd gehen können", sagt Bernhard Spreitzenbarth. "Eine verbreiterte Flugschneise vom Turm zu den Jagdhabitaten wäre noch wünschenswert", fügt Berthold Mairon an.
Doch nicht nur Fledermäuse profitieren vom Engagement des Biotopschutzbunds. Der Turm bietet außerdem vier Eulenkästen sowie einen Zwischenboden für Igel oder Insekten. Doch wie das so häufig ist, hat die Natur andere Pläne. Nachdem die Arbeiten am Turm 2014 abgeschlossen waren, zog zwar schnell ein Waldkauz ein. Der fraß dann aber regelmäßig die Vögel aus den umliegenden Nistkästen. "Dann - nach zwei Jahren - erschien der Waldkauz auf einmal nicht mehr, und schon kamen andere Vögel." Seitdem hat sich keine Eule mehr im Turm angesiedelt - zum Leidwesen von Mairon: "Ich bin eigentlich eher an Eulen interessiert als an Fledermäusen", sagt der Walldürner, der früher eine Falknerei betrieben hatte.
Die nur per Leiter zu erreichenden Nistplätze im Turm überprüft Berthold Mairon dennoch regelmäßig. Jüngst überraschte er dabei einen unerwarteten Bewohner: "Ein Siebenschläfer hat seine Kinder darin großgezogen", erinnert sich Mairon an die Begegnung, bei der das kleine Nagetier mit dem buschigen Schwanz rasch Reißaus nahm und seine Jungtiere für kurze Zeit zurückließ.
Über Trittsteine können kleinere Tiere wie Igel den Zwischenboden des Turms betreten.
Doch nicht nur Siebenschläfer zweckentfremden die Nistkästen. Aktuell hat sich ein Kleiber im außen angebrachten Eulenkasten niedergelassen. Getreu seinem Namen hat der Vogel den Eingang zu seiner Bruthöhle mit einer Mischung aus Lehm und Speichel so weit "zugemauert", dass er gerade noch durchpasst. Seine Fressfeinde - darunter auch die Eule - hat er damit effektiv ausgeschlossen. "Die Natur soll das selbst regeln", kommentieren Mairon und Spreitzenbarth diese ungeplante Wendung.
Ob der "Turm der Artenvielfalt" weitere Bewohner anzieht, muss sich zeigen. "Bei solchen Dingen muss man oft Geduld haben", weiß Bernhard Spreitzenbarth. Und die zahlt sich letzten Endes aus. "Inzwischen sind schon einige andere Naturschutzgruppen auf den Zug aufgesprungen und haben ähnliche Türme hergerichtet", freuen sich die Mitglieder des Biotopschutzbunds.