Von Dominik Rechner
Mudau. Beim ersten Blick auf die Zahlen könnte man meinen, es sei alles in bester Ordnung in der Gastronomiebranche: Nach Angaben des Hotel- und Gaststättenverbands DEHOGA Baden-Württemberg arbeiten fast 130.000 sozialversicherungspflichtig Beschäftigte im baden-württembergischen Gastgewerbe, das ist ein gutes Drittel mehr als noch vor zehn Jahren. Doch der Schein trügt: Vor allem in Kleinbetrieben im ländlichen Raum sieht es anders aus. Oft bestimmen Personalmangel, überlastete Inhaberfamilien und unbefriedigende Erträge das Bild. Die Anzahl der Stammgäste geht zurück, und viele Gastwirte benötigen in den nächsten Jahren eine Nachfolgeregelung. Eine Entwicklung, die auch vor den Mudauer Gasthöfen nicht Halt macht.
Seit 1989 leitet Hildegund Link-Di Lenarda die "Rose". Ihr Mann Angelo ist bekannt für seine prämierten Schnäpse.
In den letzten Jahren mussten mit dem Landgasthof "Zum Löwen" und dem Gasthaus "Zum Lamm" bereits zwei Traditionsgasthäuser in der Ortsmitte schließen. Und auch in den altehrwürdigen Gasthäusern "Zur Rose" und "Zur Pfalz" wird in absehbarer Zeit kein Wirtshausbetrieb mehr sein. Die "Pfalz"-Wirte Helmut Link (65) und Frau Elfriede (60), die den Gasthof seit 40 Jahren gemeinsam betreiben, gehen im Herbst diesen Jahres in den wohlverdienten Ruhestand. "Wir haben mittlerweile das Alter, wo wir sagen: wir haben das so lange gemacht, jetzt ist es Zeit, aufzuhören. Wir haben für die Wirtschaft auf vieles verzichtet", so Helmut Link.
Als Wirt müsse man immer da sein, an Feiertagen, an Sonntagen, morgens bis abends, "dann, wenn andere frei haben und zusammen mit ihren Familien sein können. Irgendwann muss man sich im Leben auch mal was gönnen. Jetzt ist die Zeit gekommen", erklärt der gelernte Koch. Seine Frau Elfriede pflichtet ihm bei: "Wir wollen nicht bis wir 70 oder 80 sind arbeiten." Sie hätten dann auch endlich mehr Zeit für ihre Enkel, und Elfriede kann sich noch mehr um ihren Garten kümmern oder einfach einmal abschalten und die freie Zeit genießen.
Doch ein wenig Wehmut wird auch dabei sein, wenn Helmut und Elfriede Link ihr Lokal, das sie in Eigenarbeit in vielen Arbeitsstunden aufgebaut haben, schließen werden. Es sei schwierig, einen Höhepunkt herauszuheben, so Helmut Link. Er und seine Frau hätten in den 40 Jahren als Gastwirte viele schöne Momente erlebt. Seien es Auftritte von regional bekannten Bands wie "Twilight" oder den "Tigers", die im großen Saal des Gasthofs gespielt haben, oder einfach nur die vielen debattenreichen Stammtischabende, die auch unter der Woche früher gerne mal bis 1 Uhr nachts gingen. "Klar wird uns da auch was fehlen. Aber arbeiten ist auch nicht alles", meint Helmut Link.
Das Geschäft laufe immer noch gut, stellt Elfriede Link klar. Obwohl viele Stammkunden mittlerweile gestorben seien und das Feierabendbier bei der jungen Generation nicht mehr gefragt sei, so Helmut Link. Früher seien jeden Tag nach Feierabend mindestens 20 Leute gekommen, es sei viel geselliger gewesen. "Banker saßen neben Landwirten, das war ganz normal. Das gibt es heute nicht mehr. Jetzt sind es nur noch vereinzelt Leute, die nach Feierabend kommen", erzählt Elfriede. Mittlerweile lebt das Ehepaar vor allem von den vielen Familien- und Weihnachtsfeiern. "Nur vom Tagesgeschäft könnten wir nicht mehr leben", erklärt Helmut.
Was mit der "Pfalz" in Zukunft passiert, wissen die Wirtsleute noch nicht. Nachfolger gibt es noch keine. Sie haben zwar erwachsene Kinder - zwei Söhne und eine Tochter, die auch immer bei Feiern oder an Fastnacht in dem Familienbetrieb mitgeholfen haben, doch den Gasthof wollen sie nicht übernehmen. "Wir hätten sie natürlich unterstützt, wenn sie den Gasthof übernommen hätten. Aber wir akzeptieren, dass sie das nicht wollen. Das ist in Ordnung", stellt das Ehepaar klar. Auf die Hilfe ihrer Kinder konnten sie in ihrem Familienbetrieb immer zählen. "Dafür sind wir ihnen sehr dankbar", betonen die Wirtsleute.
Helmut und Elfriede Link betreiben die "Pfalz" seit 40 Jahren. Sie sagen: "Früher war es geselliger in den Wirtschaften."
Ähnlich sieht die Situation ein paar hundert Meter weiter beim Gasthof "Zur Rose" aus. Wirtin Hildegund Link-Di Lenarda hat das Gasthaus zusammen mit Ehemann Angelo Di Lenarda im Jahr 1989 von ihren Eltern übernommen. Noch immer wirkt sie im Tagesgeschäft als Köchin und Bedienung gleichzeitig. Doch auch sie möchte - wie die "Pfalz"-Wirte - aus Altersgründen in absehbarer Zeit aufhören. "Es fällt mir schwer zu sagen, dann und dann mache ich zu. Ob in einem Jahr oder später - den Zeitpunkt kann ich noch nicht nennen. Im Moment geht es noch, aber ich möchte nicht warten, bis es nicht mehr gehen würde", so Hildegund Link-Di Lenarda. Mit dem Gasthaus verbinden sie viele schöne Erinnerungen wie die großen Stammtische früher oder Veranstaltungen zahlreicher örtlicher Vereine.
Doch der Normalbetrieb unter der Woche sei zurückgegangen. Die jungen Leute kämen nicht mehr wie früher nach Feierabend in die Wirtschaft, um bei ein paar Bier zu plaudern. Die Generation "Handy" habe andere Interessen. Was geblieben ist, sind viele Weihnachtsfeiern, auch Generalversammlungen von Vereinen oder Fahrradgruppen, die im Sommer den Weg in die "Rose" suchen. Hier kann die Wirtin immer auf die Unterstützung von Familie und Bekannten zählen. Alleine wäre die Arbeit bei größeren Gesellschaften nicht machbar.
Angelo wiederum hat ein besonderes Talent als "Schnapsbrenner". Neun Schnäpse und drei Liköre, durchweg prämiert mit hohen Auszeichnungen, führt seine Brennerei "Rose" im Programm. Damit hat er die Tradition der Familie Link fortgesetzt, denn seine Ausbildung absolvierte der gebürtige Italiener bei seinem Schwiegervater Heinrich. Zur Zukunft der "Rose" kann das Ehepaar noch nichts sagen. Nur so viel: Ein Nachfolger steht noch nicht in Aussicht.
Fallen "Pfalz" und "Rose" weg, so sind von ehemals sechs Gaststätten in der Mudauer Ortsmitte nur noch die Pizzeria "Ragazzi" und der ehemalige "Engel" gegenüber der "Rose" übrig, wo nun seit November indische Spezialitäten angeboten werden. Insgesamt keine erfreuliche Entwicklung, das weiß auch Bürgermeister Dr. Norbert Rippberger. Doch der Bürgermeister hält das Angebot an Gastronomie in seiner Gemeinde nach wie vor für gut: "Klar haben wir in Mudau teilweise große Verluste an Gasthäusern zu verzeichnen, vor allem wenn man die Anzahl der Wirtschaften mit früher vergleicht. Dennoch stehen wir auch im Vergleich zu anderen Gemeinden ähnlicher Größe gut da", so Norbert Rippberger.
Es gelte, nicht zu jammern, sondern das Positive zu sehen. Dazu gehöre, dass sich schon seit einigen Jahren im Golfclub Mudau das Restaurant "Carrubo" mit einer sehr guten italienischen Küche etabliert habe. Auch die "Goldene Olive", die seit zwei Jahren in den Räumlickeiten des ehemaligen Gasthofs "Mudbachtal" griechische Spezialitäten biete, werde sehr gut von den Bürgern angenommen.
"Die Tatsache, dass Gastronomen wie der neue Inder sich trauen, in Mudau sesshaft zu werden und in ein Lokal zu investieren, stimmt positiv und spricht für uns", meint Rippberger. Dazu gebe es seit einigen Jahren mit "Leo´s Coffee and Bakery" auch ein modernes Café in der Ortsmitte. "Nicht zu vergessen das Café Waldfrieden, das es schon sehr lange gibt", so Rippberger. "Und für den ,Löwen’ sucht der Besitzer auch einen Pächter, das Restaurant ist in einem guten Zustand. Vielleicht ergibt sich da etwas. Und wenn die Qualität des Essens stimmt, wird das Restaurant auch gut laufen."
Info: Die RNZ beleuchtet in einer Artikelserie verschiedene Aspekte rund um die Gastronomie. Anregungen sind erwünscht: Tel. 06281/5240-50, E-Mail: red-buchen@rnz.de.