Bruno Frank in seinem Taubenverschlag: Die Brieftaube scheint sich bei ihrem Züchter wohlzufühlen. Foto: Tabea Laier
Von Tabea Laier
Walldürn. "Man braucht eine persönliche Beziehung zu seinen Tauben, sonst wird alles nichts", erklärt Bruno Frank den Grundsatz seiner Taubenzucht. Diese persönliche Beziehung zu den Tieren ist offensichtlich, wenn Bruno Frank seinen Taubenschlag betritt: Nur kurz flattern die 50 Tauben im Schlag hektisch umher, dann setzen sie sich ganz ruhig und zutraulich auf seinen Arm. Seit 70 Jahren züchtet der 83-Jährige Tauben und hat damit unzählige Preise gewonnen. Doch ob die Wettflüge der Brieftauben dieses Jahr von Wien aus stattfinden können, steht noch nicht fest.
Bruno Franks Tauben wohnen in einem Nebengebäude hinter seinem Haus. Zweimal am Tag müssen sie gefüttert werden und auch sonst wird es Bruno Frank mit den Tauben nie langweilig. "Man ist immer beschäftigt. Deshalb ist es auch das ideale Hobby für junge Leute und Rentner," findet Bruno Frank, der beruflich als Wachszieher in einer Wachsfabrik gearbeitet hat. Er selbst begann die Taubenzucht mit 13 Jahren "aus Tierliebe", wie er selbst sagt. Tauben haben ihn schon immer fasziniert und dann habe sich das eben so ergeben.
Trotzdem ist die Taubenzucht ein aussterbendes Hobby. "Die Menschen sind heute viel beschäftigter als früher und nehmen sich die Zeit dafür nicht", sagt Bruno Frank. Vor allem aber müsse man immer da sein, um sich um die Tauben zu kümmern. Auch die zunehmende Zahl an Greifvögeln in der Umgebung schrecke viele Züchter ab, die dadurch hohe Verluste erleiden könnten.
Die Arbeit eines Taubenzüchters besteht aus zwei Teilen: zum einen die Zucht, zum anderen die Wettflüge. Dabei ist das ganze Jahr etwas los: Im Februar beginnt die Anpaarung der Tauben, die daraufhin 18 Tage lang brüten. Jedes Taubenpaar bekommt zwei Jungtauben, die bereits nach drei Wochen selbstständig sind und beringt werden. Dabei erhalten sie einen Ring mit einer Nummer am Bein, damit sie später auseinandergehalten werden können. Im April beginnt dann das Flugtraining mit den alten Tauben. In Vorflügen fliegen sie bis zu 150 Kilometer weit, um nach dem Winter wieder fit zu werden. Die Orientierung müssen die alten Tauben nach dem Winter nicht wieder neu erlernen. Einmal gelernt, finden sie immer wieder nach Hause zurück.
Im Mai starten dann die großen Wettflüge der Brieftauben-Reisevereinigung. Innerhalb von 13 Wochen steigert sich die Distanz des Fluges von 150 Kilometern auf 500 bis 600 Kilometer. So war die letzte Station des Wettflugs im vergangenen Jahr St. Pölten in Niederösterreich. Ein Lkw bringt die Tauben an den Startort. Dann geht es darum, welche als Erstes wieder zuhause ankommt. Nach sieben bis acht Stunden sind die ersten Tauben zu erwarten. Bruno Frank steht dann in seinem Hof und wartet gespannt darauf, dass sich die erste Taube am Himmel zeigt und zurück in den Taubenschlag fliegt. "Das ist der Kitzel an der Sache, wenn sie wieder zurückkommen", sagt er. Nach den Wettflügen kommen die Tauben, die während der Flüge nach Geschlechtern getrennt waren, wieder zusammen in die Nester und ziehen Junge.
Die schnellsten Tauben pro Flug werden geehrt. Am Ende des Jahres stehen dann die fünf Besten fest, die die meisten Preise über das gesamte Jahr gewonnen haben. Bruno Frank war mit seinen Tauben in den letzten 70 Jahren sehr erfolgreich, wie man an einem Blick auf seine unzähligen Pokale erkennt.
Im August beginnen dann die Wettflüge für die Jungtauben. In fünf Flügen mit einer maximalen Distanz von 250 Kilometern kann sich der Nachwuchs beweisen. Im Winter finden normalerweise zwei Ausstellungen statt, die in dieser Saison coronabedingt abgesagt wurden. Auch ob die Wettflüge mit dem diesjährigen Startort Wien stattfinden werden, hängt noch von der Entwicklung der Corona-Lage ab.
Bis zu 20 Jahre alt können die Brieftauben werden. Nach etwa zehn Jahren aber sind sie nicht mehr leistungsfähig und "gehen in Rente", erzählt Bruno Frank. Dann werden sie nur noch zur Zucht verwendet.