Neckar-Odenwald-Kreis. (rüb) "Die Welle wird kommen. Es geht nur darum, den Anstieg möglichst flach zu gestalten", sagt der Chefarzt der Neckar-Odenwald-Kliniken, Harald Genzwürker (49). Wie sich die Kliniken dafür wappnen, wie Arbeitsabläufe verändert und Dienstpläne angepasst werden, das beleuchten Genzwürker und Pflegedienstleiter Kurt Böhrer (58) im Gespräch mit der RNZ.
Deutschland ist im Ausnahmezustand – wie ist die Lage in den Kliniken?
Genzwürker: Wir haben aktuell in Buchen einen bestätigten Coronafall und einen Verdachtsfall auf der Isolierstation sowie einen Verdachtsfall auf der Intensivstation. In Mosbach haben wir derzeit noch überhaupt keinen Fall. Aber die Welle wird kommen, sie ist unausweichlich. Und wenn sie kommt, werden wir da sein.
Wie bereiten sich die Kliniken vor?
Böhrer: Wir haben bereits Ende letzter Woche damit begonnen, unser OP-Programm zu überprüfen: Alle planbaren Operationen haben wir auf unbestimmte Zeit verschoben. Zudem haben wir jetzt auch andere planbare Untersuchungen wie Darmspiegelungen, sofern ihre Dringlichkeit nicht medizinisch geboten ist, bis auf Weiteres ausgesetzt. Dadurch und durch weitere Maßnahmen schaffen wir Personalkapazitäten, die wir an anderer Stelle dringend brauchen werden. Das geht übrigens über alle Fachabteilungen hinweg. Alle Maßnahmen, die wir jetzt treffen, dienen dazu, gut vorbereitet zu sein.
Über welche Bettenkapazitäten verfügen die Kliniken?
Genzwürker: Auf der Isolierstation in Buchen haben wir acht Betten. Unsere Pandemie-Planung sieht aber vor, dass wir die Isolierstation wenn nötig um den vorderen Bereich der Station erweitern können. Diesen Bereich mit 16 zusätzlichen Planbetten nutzen wir seit dem Wochenende bereits für Patienten mit anderen isolationspflichtigen Krankheiten.
Böhrer: In Mosbach haben wir am Dienstag die Station A4 in eine Isolierstation umgewandelt. Sie verfügt über 26 Planbetten und einen separaten Zugang. Außerdem haben wir in Buchen und Mosbach gemäß Bettenplan je sechs Intensivbetten. Diese Zahl lässt sich auf acht in Buchen und zehn in Mosbach erhöhen. Zudem haben wir je drei Beatmungsplätze an beiden Standorten. Im Bedarfsfall können wir die Zahl auf jeweils vier ausbauen. Im Extremfall wäre auch mehr möglich.
Genzwürker: Hier macht sich bemerkbar, dass im Gesundheitswesen insgesamt aus Kostengründen alles auf den Regelbetrieb ausgelegt wurde: weniger Personal, weniger Betten. Umso schwieriger ist es jetzt, auf eine solche Ausnahmesituation reagieren zu können.
Wie sieht es mit den Hygienemaßnahmen aus?
Genzwürker: Strenge Hygienevorschriften sind für uns im Gesundheitswesen die Grundlage unserer täglichen Arbeit. Darauf satteln wir jetzt noch besondere Vorkehrungen drauf, indem wir beispielsweise das Personal im richtigen Umgang mit der Schutzkleidung schulen.
Apropos Schutzkleidung: Sind die Kliniken mit den benötigten Materialien gut ausgestattet?
Böhrer: Ja, das sind wir. Aber wir erleben jeden Tag, wie schwer es ist, Nachschub zu beziehen. Für manche Produkte wie Schutzmasken zahlen wir derzeit den zehnfachen Preis. Unsere Einkaufsabteilung ist jeden Tag stundenlang damit beschäftigt, Schutzausrüstung und Desinfektionsmittel zu bestellen.
Genzwürker: Es ist nicht gut, dass sich viele Menschen mit Desinfektionsmitteln eindecken, die sie eigentlich gar nicht brauchen.
Wie gehen die Angehörigen mit dem seit Sonntag geltenden Besuchsverbot um?
Böhrer: Die meisten gut. Aber leider gibt es immer wieder Menschen, die kein Verständnis für die notwendigen Maßnahmen haben und dies auch entsprechend lautstark kundtun.
Und wie sieht es mit Ihrem Verständnis aus für Menschen, die sich verhalten wie immer, die sich zur gemeinsamen Freizeitgestaltung treffen und an öffentlichen Plätzen zusammensitzen?
Genzwürker: Wir schränken das öffentliche Leben drastisch ein, um die Zahl der sozialen Kontakte zu reduzieren. Wer sich daran nicht hält, gefährdet die Gesundheit anderer und letztlich die Leistungsfähigkeit unseres gesamten Gesundheitswesens. Es ist absurd: Die Menschen horten Klopapier und Nudeln und sitzen dann fröhlich beisammen ...
Böhrer: Für viele Menschen ist das Risiko noch zu abstrakt, um daraus die richtigen Konsequenzen für ihren Alltag zu ziehen. Ich hoffe aber darauf, dass die Botschaft ankommt: Abstand halten, Hände waschen, wenn möglich zuhause bleiben. Denn nur gemeinsam können wir erreichen, dass der Anstieg der Kurve möglichst flach verläuft und unser Gesundheitswesen handlungsfähig bleibt.
Wagen Sie einen Blick in die Glaskugel: Wie geht es mit Corona weiter?
Böhrer: Das Virus wird uns noch das ganze Jahr beschäftigen und wohl auch darüber hinaus. Allerdings wird das Ganze in Wellen ablaufen: Jetzt kommt eine große, eine zweite dann vielleicht im Herbst.
Genzwürker: Dem kann ich mich nur anschließen. Wenn alle unsere Maßnahmen greifen, dann können wir solche schrecklichen Bilder, wie wir sie gerade aus Italien sehen, verhindern. Das muss unser aller Ziel sein, und dazu kann jeder durch sein Verhalten seinen Teil beitragen!