Wie macht man die bäuerliche Landwirtschaft zukunftssicher? Darüber diskutierten die Teilnehmer eine Online-Veranstaltung des Grünen-Kreisverbands Neckar-Odenwald. Foto: Martin Bernhard
Neckar-Odenwald. (mb) "Landwirtschaft der Zukunft – ökologisch, ohne Gift und Gentechnik" lautete der Titel einer Online-Diskussionsveranstaltung des Grünen-Kreisverbands Neckar-Odenwald am Freitagabend mit rund 30 Teilnehmern. Der Bundestagsabgeordnete Harald Ebner sprach sich dabei für eine Landwirtschaft ohne Gentechnik aus, die den Bauern trotz des Klimawandels ein wirtschaftliches Auskommen sichern soll.
Amelie Pfeiffer, Landtagskandidatin von Bündnis 90/Die Grünen im Neckar-Odenwald-Kreis, ging in ihrer Begrüßung auf das Spannungsfeld ein, in dem sich die Landwirte befinden. Verbraucher lehnten mit großer Mehrheit Gentechnik und den Einsatz von Pestiziden ab und sprechen sich für Tierwohl und Naturschutz aus. Allerdings wollen sie Lebensmittel möglichst günstig einkaufen. Landwirte müssen mit niedrigen Erzeugerpreisen auskommen, immer mehr Regeln und Vorschriften erfüllen und Anschuldigungen aus der Bevölkerung hinnehmen.
Nach den Worten von Pfeiffer ist die Agrarpolitik auf Export, Intensivierung und Spezialisierung ausgerichtet. Der Klimawandel bewirke Ertragseinbußen bei den Bauern, die ihrerseits zur Klimaerwärmung beitrügen. "In diesem Spannungsfeld kann eine Agrarpolitik nicht so weitergehen. Zu viele Aspekte deuten darauf hin, dass wir einen Umbau der Landwirtschaft brauchen", sagte Amelie Pfeiffer. Verbraucher sollten bereit sein, für gute Produkte gutes Geld zu bezahlen. Die Politik sollte finanzielle Anreizsysteme schaffen, die den Landwirten ein faires Einkommen sichern. Familiengeführte Betriebe müssten erhalten, der Klimawandel und Artenschwund aufgehalten werden.
Pfeiffer wies auf gute Ansätze in der Landwirtschaftspolitik hin, zum Beispiel auf das Biodiversivitätsstärkungsgesetz, die Stärkung der Landschaftserhaltungsverbände und die Biotopverbundkonzepte auf kommunaler Ebene. Man fördere die Direktvermarktung und habe einen "Runden Tisch gentechnikfreier Neckar-Odenwald-Kreis" gegründet. Pfeiffer wies darauf hin, dass derzeit auf EU-Ebene darüber diskutiert werde, ob die mit neuen Gentechniken veränderten Pflanzen unter das Gentechnikgesetz fallen sollen.
Harald Ebner, der Referent des Abends, ist Bundesabgeordneter, Obmann im Ausschuss für Ernährung und Landwirtschaft, Sprecher für Waldpolitik und Sprecher für Gentechnik- und Bioökonomiepolitik der grünen Bundestagsfraktion. Er wies auf einen "dramatischen Artenverlust", die Klimakrise, die Afrikanische Schweinepest, den "katastrophalen Preisverfall" bei landwirtschaftlichen Produkten und den coronabedingten "Schweine-Stau" hin. "Statt dass die grundsätzlichen Dinge im System hinterfragt werden, denkt man sich neue Werkzeuge aus wie Gentechnik und die Digitalisierung der Landwirtschaft", stellte der Bundestagsabgeordnete fest. "Wir müssen aber vieles ändern, wenn wir die Landwirtschaft erhalten wollen."
Nach den Worten von Ebner versuchen die Vertreter der sogenannten "neuen Gentechnik" zu verbergen, dass es sich dabei um Gentechnik handelt. Doch auch hier werde in das Erbgut, die DNA, eingegriffen. Man könne damit artfremdes Material in einen Organismus einfügen und auch Punktmutationen realisieren. Diese Agro-Gentechnik sei nicht so leicht zu beherrschen, weil sie in der freien Natur eingesetzt werde.
Jeder Verbraucher solle entscheiden können, ob er gentechnisch manipulierte Produkte kaufen wolle oder nicht. Damit diese Wahlfreiheit bestehe, brauche man ein zuverlässiges Nachweisverfahren für gentechnisch veränderte Produkte. Außerdem sollten diese als solche gekennzeichnet werden. Ebner betonte, dass die Gentechnik-Hersteller bisher ihre Versprechen nicht hätten einhalten können. Man wolle mit Gentechnik zum Beispiel einen Anbau ohne Pestizide ermöglichen und schädlingsresistente Pflanzen erzeugen. "Geschafft hat das bisher niemand", stellte der Grünen-Politiker fest.
Ganz anders sehe es dagegen bei Züchtungen aus. Damit sei es gelungen, schädlingsresistente Nutzpflanzen zu entwickeln. Allerdings dauere dies bedeutend länger als Gentechnik. "Wir sollten jeden Bauern wieder zum Züchter machen", forderte Ebner. Er forderte, Agrarsubventionen nicht nach der Flächengröße, sondern als "Gemeinwohlprämien" auszuzahlen. Forschungsgelder sollten nicht in Gentechnik, sondern zum Beispiel in die Erforschung von Mischkulturen fließen.
Amelie Pfeiffer wies darauf hin, dass das Züchten neuer Sorten zeit- und kostenintensiv sei. Neue Sorten könne man allerdings nicht patentieren lassen im Gegensatz zur Gentechnik. "Die Firmen verdienen an Züchtungen nichts", stellte sie fest. Ebner verwies auf das sogenannte "Sortenrecht", das in Deutschland gelte. Danach würden Züchter über zertifiziertes Saatgut, das an Landwirte verkauft werde, entlohnt. Wer dagegen die Sorte durch Züchtung weiterentwickle, könne dies kostenfrei tun. Er forderte eine "Open Source Datenbank" für Sorten.
In der anschließenden Diskussion wurden die finanziellen Folgen eines Systemwechsels in der Landwirtschaftspolitik thematisiert. "Irgendwann machen wir das nicht mehr mit, wenn wir das nicht bezahlt bekommen", stellte ein Teilnehmer fest. Ein anderer befürchtete, dass durch die zunehmende Trockenheit bäuerliche Existenzen stark gefährdet seien. Er plädierte für eine hybride Landwirtschaft, die konventionellen und ökologischen Anbau verbindet.