Neckar-Odenwald-Kreis. (ahn/rüb/tra) Katastrophe, Krise, Existenzangst – das sind Wörter, mit denen Inhaber von Gaststätten und Hotels ihre aktuelle Lage beschreiben.
Bereits vor eineinhalb Wochen ergab eine Blitzumfrage des Dehoga, des deutschen Hotel- und Gaststättenverbands, dass durch die Ausbreitung des Coronavirus 76,1 Prozent der teilnehmenden 10.000 Hotels, Restaurants und Caterer Umsatzrückgänge und 90,4 Prozent Rückgänge bei Neubuchungen verzeichnen. Der Dehoga Baden-Württemberg fordert in einer Stellungnahme angesichts der "bedrohlichen Entwicklung" ein schnelles Handeln von Land und Bund, nämlich vor allem wirksame Liquiditätshilfen, Verbesserungen bei der Kurzarbeitsregelung, und die Reduzierung der Umsatzsteuer auf sieben Prozent für Speisen in der Gastronomie.
Das würde zumindest etwas helfen, denn die Übernachtungszahlen gehen in den Hotels in den Keller. Und auch bei den Gaststätten sieht es nicht besser aus. Erschwerend kommt nun dazu, dass deren Betrieb grundsätzlich untersagt wird – so der Beschluss des Landes, der Montagabend bekannt wurde. Von diesem Verbot ausgenommen sind Speisegaststätten, wenn sichergestellt ist, dass die Plätze für die Gäste so angeordnet werden, dass ein Abstand von mindestens 1,5 Metern zwischen den Tischen gewährleistet ist, wenn Stehplätze so gestaltet sind, dass ein Abstand von mindestens 1,5 Metern zwischen den Gästen gewährleistet ist und wenn in geeigneter Weise sichergestellt wird, dass im Falle von Infektionen für einen Zeitraum von jeweils einem Monat mögliche Kontaktpersonen nachverfolgbar bleiben.
Diese Neuverordnung war noch nicht bekannt, als die Rhein-Neckar-Zeitung mit einigen Gaststätten- und Hotelbetreibern aus der Region redete. Dennoch war der allgemeine Tenor ernüchternd:
Michael Kuhn (Gasthaus "Zum Hirsch", Walldürn): "Wir haben unsere Wirtschaft als reine Vorsichtsmaßnahme für diese Woche geschlossen. Wir waren in Tirol, aber in keinem der Orte, die jetzt als Krisengebiete zählen. Als sich die Lage in Österreich Ende der vergangenen Woche verschärft hat, sind wir sofort abgereist. Uns geht es gut, und wir haben auch keine Krankheitssymptome. Aber wir folgen der Empfehlung von Gesundheitsminister Spahn, die für alle Rückkehrer aus Skigebieten gilt, und lassen lieber Vorsicht gelten. Wir hoffen, das wir am Dienstag nächster Woche wie geplant aufmachen können, aber ich glaube fast, dass alle Wirtschaften geschlossen werden. Das wäre tragisch für unsere Branche. Schon jetzt sind Weiße Sonntage abgesagt, keiner weiß, was mit Ostern und vor allem was mit der Wallfahrt wird. Die Lage ändert sich ja stündlich, und ändern können wir ja sowieso nichts. Untätig herumsitzen kann ich nicht: Wir nutzen die Zeit und renovieren jetzt unsere Gasträume."
Paul Berberich ("Akzent Hotel Frankenbrunnen", Reinhardsachsen, und Beisitzer des Dehoga Baden-Württemberg): "Ich bin zur Zeit rund um die Uhr beschäftigt. Die Situation ist dramatisch. So etwas gab es in dieser Größenordnung noch nicht. Das hat sich jetzt binnen weniger Tage ausgeweitet. So schnell ist noch keine Krise gekommen. Nicht nur bei uns sind die Zahlen von heute auf morgen schlagartig auf Null zurückgegangen.
Paul Berberich.Bei mir im Hotel sind noch ein paar Leute da, die im Freien arbeiten, ansonsten ist alles weg. Von Januar bis März leben wir vor allem von Tagungsbesuchern oder von Business-Leuten. Die sind auch alle weg, zumal viele Firmen ihre Mitarbeiter nicht mehr wegschicken. Das Ostergeschäft war völlig ausgebucht, jetzt sind wir bei Null. Und mit dem Ostergeschäft meine ich nicht nur die zwei, drei Feiertage, sondern eine ganze Woche – eine ganze Woche, die uns an Einnahmen fehlen.
Das trifft aber auf alle Hotels in Deutschland und auch hier im Neckar-Odenwald-Kreis zu. Der Schaden ist so groß, dass viele Unternehmen das nicht wegstecken können. Die Kosten für etwa das Personal bleiben, wobei die Einnahmen wegfallen. Gerade auch bei kleinen Betrieben ist das Material ein Problem. Natürlich kann man einige Einkäufe lagern, aber das andere geht kaputt.
Bei einer Schließung werden diejenigen, die dann nicht mehr da sind, auch nicht mehr aufstehen. Unsere ganze Touristik in Deutschland droht zugrunde zu gehen. Eine Versicherung im Schließungsfall haben lediglich 15 Prozent.
Deswegen versuchen wir vom Dehoga, mit dem Staat zu verhandeln, dass er mit Hilfsprogrammen und Krediten unter die Arme greift. Denn nach sechs bis acht Wochen wären sämtliche Betriebe pleite.
Christine Prukna ("Märchenwald", Osterburken): "In unserem Hotel wurden sehr viele Buchungen storniert. Auch Gäste, die erst in einigen Wochen anreisen wollten, werden nun nicht kommen. Die ausländischen Übernachtungsgäste werden schon seit Wochen weniger, da sie aufgrund abgesagter Flüge zum Teil gar nicht anreisen können. Auch im Restaurant gibt es momentan sehr viel Platz. Es kommen nur wenige Gäste, Reservierungen für Familienfeiern wurden abgesagt. Wir rechnen auch damit, dass die Gastronomiebetriebe bald geschlossen werden müssen. Wie hoch der wirtschaftliche Schaden sein wird, können wir natürlich noch nicht abschätzen."
Matthias Gollnau (Restaurant und Bistro "Brunnegugger", Buchen): "Die Situation ist katastrophal, und sie macht mir Angst: Wir haben unglaublich viele Absagen und Stornierungen von reservierten Tischen. Was die Zahl der Gäste angeht, haben wir innerhalb weniger Tage einen Rückgang von rund 70 Prozent – das ist existenzgefährdend, denn unsere Fixkosten laufen unverändert weiter. Hier ist der Staat gefordert, aber ich befürchte, dass wir Kleinen auf den Verlusten sitzen bleiben. Auch wenn ich mich derzeit hilflos fühle, so bringt es nichts, den Kopf in den Sand zu stecken: Wir müssen alle gemeinsam versuchen, positiv zu denken!"
Alexandra Vogt (Gasthaus und Metzgerei "Zur Sonne", Buchen): "Der Freitag war noch gut besucht, aber seither hagelt es Absagen von Jahrgangstreffen oder privaten Feiern. Falls nötig, könnten wir einige Tische aus dem Gastraum entfernen, so dass ein größerer Abstand zwischen den Gästen möglich wäre. Sollten die Gaststätten ganz geschlossen werden, müssten wir auch damit leben: Die Gesundheit ist das Wichtigste, und da müssen wir jetzt zusammenhalten und alle gemeinsam durch!"
Sabine Münster ("Wohlfahrtsmühle" Hardheim): "Bei uns sind die Übernachtungszahlen inzwischen um 80 Prozent zurückgegangen. Das Restaurant ist noch gut besucht. Aber wir müssen einfach abwarten, ob eine Schließung von Restaurants beschlossen wird. Ich denke, dass dies so kommen wird. Dann müssen wir uns überlegen, ob wir zum Beispiel das Essen zum Abholen anbieten. Wir hoffen, dass die Situation bald vorbei ist."
Diese Hoffnung haben wohl alle, denn nachdem die Krise überwunden sein wird, wird es die Gäste sicherlich – vielleicht mehr denn je – in Strömen in die Gaststätten ziehen. Dieser Gedanke gibt Mut.