Die Gruppenkläranlage Seckachtal mit Sitz in Osterburken unterhält in Roigheim eine Verbandskläranlage. Auch Corona hinterlässt hier seine Spuren. So sind seit dem Aufkommen der Pandemie vermehrt Ablagerungen zu registrieren. Foto: Anita Ludwig
Bauland/Roigheim. (alu) In den letzten Wochen konnten wir alle leidvoll beobachten, dass sich viele Menschen in Ausnahmesituationen insbesondere um ihre Hygiene sorgen. Das Must-Have der Stunde war Toilettenpapier. Geht man einmal davon aus, dass es traditionell verwendet wird, müssten die sanitären Anlagen und die nachgelagerten Einrichtungen dieser Tage Überstunden anmelden. Von der Standard- über die Normal- bis zur vierlagigen Supersoftqualität landet garantiert irgendwann jedes einzelne Blatt aufgeweicht bei Experten aus dem Kläranlagenbetrieb wie Peter Wünsch.
Dem Meister für Abwasser untersteht seit genau 20 Jahren der Betrieb der Gruppenkläranlage Seckachtal in Roigheim. Der Zweckverband "Gruppenkläranlage Seckachtal" mit Sitz in Osterburken besteht aus den Städten und Gemeinden Adelsheim, Osterburken, Roigheim und Seckach. Die Verbandskläranlage, an welche auch der Seckacher Ortsteil Zimmern angeschlossen ist, befindet sich in Roigheim.
Menschen sind vermehrt daheim. Somit bilden sich mehr Schlamm-Feststoffe. Foto: Anita LudwigDie Anlage in Roigheim wird seit einigen Jahren erweitert und für einen Millionenaufwand auf den neuesten Stand der Technik gebracht.
Und das ist wichtig, wie gerade die letzten Tage und Wochen zeigen. Wünsch bemerkte in den letzten Wochen vor allem eine Zunahme des Schlamms und der Fettmengen. Die Menschen sind zuhause. Sie kochen und essen daheim. Da fällt einfach mehr an.
Wünsch deutet auf die erste Station der mechanischen Reinigung. In der Rechenanlage sortiert ein Rechen die Feststoffe aus dem Abwasser, das über den Zulauf einfließt. Diese Feststoffe nennt man Schlamm, und es sind im besten Fall Klopapierreste.
Peter Wünsch ist seit 20 Jahren der Experte im Betrieb der Gruppenkläranlage Roigheim. Foto: Anita LudwigWünsch und sein Mitarbeiter Klaus Keller müssen tatsächlich aktuell vermehrt diesen Schlamm pressen. Auch das Fett, das im sogenannten langen Sandfang, der zweiten Station der mechanischen Reinigung, vom Abwasser abgetrennt wird, hat in letzter Zeit deutlich zugenommen.
Durch die Kläranlage Roigheim, die das Wasser der vier Bauland-Gemeinden und ihren Teilorten reinigt, werden täglich zwischen 2200 und 19.000 Kubikmeter Abwasser gereinigt; je nachdem, ob es gerade recht trocken ist oder ob Regen fällt.
Kritisch sieht Wünsch das Wassersparen. Denn bei geringem Wasseraufkommen und gleichbleibender Schadstoffbelastung steigen die Konzentration und die Schlammmenge erheblich an. Das führt zu höheren Betriebskosten, die wiederum der Endverbraucher zahlen muss.
Der Experte lebt und liebt seine Arbeit, denn sie erfordert ein umfassendes technisches Verständnis und weitreichende Kenntnisse in Biologie und Chemie. Dazu kommen laufend Fortbildungen, die ihn stets auf den neuesten Stand bringen und halten. Drei Wörter umschreiben treffend seinen Beruf: "Messen, Steuern und Regeln".
Gerade steht das Messen an. "Unsere Werte sind gut." Peter Wünsch zeigt auf ein Gerät, in dem ein Röhrchen mit Wasser steht. Der Photometer misst den sogenannten Chemischen Sauerstoffbedarf des Wassers, das nach dem Klärvorgang in die Seckach eingeleitet wird.
Die Dinge laufen, trotz vermehrter Klospülungen. Das ist nicht das Problem. Nachdenklich macht ihn die Vielzahl der Stoffe im Abwasser, die nur in den größten Anlagen der Republik ausgefiltert werden können. Hormone, Antibiotika und andere Medikamente, wie beispielsweise tonnenweise verschriebene Blutdrucksenker, werden oftmals ungenutzt ausgeschieden und landen im natürlichen Kreislauf. "Und das kommt dann auf die eine oder andere Weise zu uns zurück." Von diesen "Nebenwirkungen" hat jeder etwas, ob er will oder nicht. Es gäbe sogar Menschen, die nicht verbrauchte Medikamente in die Toilette werfen würden.
Eine Lösung dieser Probleme sei Aufgabe der Politik. Da tue sich in den letzten Jahren auch einiges. So findet Wünsch es gut, dass kleine Anlagen, die diese Aufgaben definitiv nicht bewältigen können, geschlossen werden und leistungsfähige durch eigens zusammengeschlossene Abwasserzweckverbände betrieben werden. "Unser Zweckverband Seckachtal war da seiner Zeit weit voraus."
Der Fachmann vertraut weiterhin auf hiesiges Wasser. "Wenn ich Durst habe, drehe ich einfach den Hahn auf. Unser Wasser ist das am besten kontrollierte Lebensmittel." Menschen, die Wasser von irgendwoher, noch dazu aus kleinen Plastikflaschen trinken, versteht er nicht wirklich.