Die Bewohner des Gebiets Martinsgärten (l.) ärgern sich sehr darüber, dass das Baugebiet Martinshöfe (r.) so nah an ihre Häuser heranrückt. Foto: Sturm
Von Axel Sturm
Ladenburg. Kein anderes Baugebiet wird in Ladenburg derzeit so kontrovers diskutiert wie das neue Wohnquartier "Martinshöfe". Die Gebäude am Stadteingang an der Wallstadter Straße wirken wuchtig. Kritiker sprechen von der unpassendsten Gestaltung, die Ladenburg je gesehen habe. So sieht es auch der Stadtführer im Heimatbund, Klaus Oberhettinger. Er kann nicht fassen, dass so etwas beschlossen wurde.
"Die Gebäude sind höher als der Hexenturm. Man hätte wissen müssen, dass diese massive Bebauung Ladenburg nicht gut tut", so der geschichtlich interessierte Bürger. Er steht mit seiner Meinung nicht alleine da. Auch der langjährige CDU-Stadtrat und Heimatdichter Helmut Kinzig ist entsetzt. Der begeisterte Fastnachter nahm das Bauprojekt in der letzten Kampagne auf die Schippe. "Der Krieg ist vorbei. Ladenburg braucht keinen Bunker mehr", feixte der Alt-Kommunalpolitiker, der den Nachfolgern in Sachen Stadtplanung mangelnde Feinfühligkeit unterstellt.
Schmutz bittet darum, Fertigstellung abzuwarten
Dabei meinten es der damalige Bürgermeister Rainer Ziegler und die Ratsmitglieder gut, als sie das Gelände der "alten Martinsschule" planerisch in Angriff nahmen. Die Stadt als Grundstücksbesitzerin wollte nicht "irgendeine Bebauung" auf den Weg bringen. Angestrebt wurde ein Quartier mit betreuten Wohnmöglichkeiten und einem Geschäftszentrum samt Ärztehaus. Auch junge Familien sollten sich wohlfühlen.
Interessierte Investoren mussten sich einem Wettbewerb stellen. Dieser wurde von einem intensiven Bürgerbeteiligungsverfahren begleitet. Zahlreiche Workshops fanden in der alten Martinsschule statt, denn die Anregungen der Bürger sollten in die Konzepte der Investoren einfließen. Bürgermeister Rainer Ziegler sprach von einem "vorbildlichen Beteiligungsverfahren."
Am Stadteingang Wallstadter Straße entsteht ein Quartier, das unter anderem 146 Eigentumswohnungen beherbergt. Foto: Sturm
Die Konzeption des Stuttgarter Immobilienentwicklers BPD setzte sich durch. Auf dem Gelände zwischen der Wallstadter Straße - direkt gegenüber des Einkaufszentrums - und dem Friedhof entstehen 146 Eigentumswohnungen und 32 Einheiten für betreutes Wohnen. Dazu kommt ein kleines Geschäftszentrum, in das zum Beispiel eine Apotheke zieht. Auch Ärzte siedeln sich in den "Martinshöfen" an. Der Ladenburger Allgemeinmediziner Jörg Eberhard, der bisher am Jupiterplatz praktizierte, und sein Kollege Marco von Fürstenberg (bisher Cornel-Serr-Platz) bilden eine Gemeinschaftspraxis.
Für die technische Projektentwicklung ist beim Investor BPD Thomas Zeitzschel verantwortlich. Ihm gefällt die Kritik nicht. Schließlich habe man die Vorgaben aus dem Wettbewerb akkurat umgesetzt. Dass die Gebäude "derzeit recht massiv wirken", räumt der Projektentwickler ein. Er bittet die Kritiker jedoch darum, das Gesamtprojekt erst nach der Fertigstellung zu beurteilen. Noch fehlten farbliche Gestaltung und Begrünung. Dies trage dazu bei, dass später "alles freundlicher aussieht", so Zeitzschel.
In der Expertise wird von einer "lockeren Blockrandbebauung" mit Baumalleen gesprochen. Der in Ladenburg bestehende "grüne Ring" werde mit dem neuen Baugebiet bis zum Stadteingang optisch fortgesetzt. Hier entstünden vier Baukörper, die eine Blickachse zur Altstadt gegenüber des historischen Martinstors setzen würden, ist in der Beschreibung zu lesen.
Auch Bürgermeister Stefan Schmutz ist nicht überrascht, dass das neue Quartier als mächtig empfunden wird. Er gibt sich indes zuversichtlich. Die Fertigstellung der Fassade und die Begrünung würden den jetzigen Eindruck bald relativieren. "In jedem Fall entsteht hier ein modernes Quartier, das sich hoher Beliebtheit erfreuen wird", so Schmutz gegenüber der RNZ. Er weist darauf hin, dass es sich der Gemeinderat seinerzeit nicht einfach gemacht habe. Auch die Öffentlichkeit sei frühzeitig einbezogen worden. Ein maßstabsgetreues Modell habe zudem die Wirkung der Gebäude veranschaulicht. Schmutz will nicht vorschnell urteilen und die Fertigstellung abwarten. "Der Bau wirkt urban. Er hat einen städtebaulichen Charakter, der Ladenburg als modern und zukunftsorientiert präsentieren wird."
Eine andere Meinung vertritt Stadtbildpfleger Egon Lackner. "Ich bin sauer, mit dem Bau hat man Ladenburg einiges zugemutet", so der Architekt und langjährige Vorsitzende des Heimatbundes. Er hat früh darauf hingewiesen, was für ein großer Baukörper hier entsteht. Antworten auf seine kritischen Bemerkungen habe ihm die Verwaltung nie gegeben. "Ich kann nicht verstehen, wie man so einen Bau genehmigen kann. Das ist ein Hammer", sagte Lackner im RNZ-Gespräch.
Die Anwohner der Martinsgärten schauten bisher auf die "grüne Oase" Martinsschule. Jetzt reagieren sie zum Teil "schockiert". Liesl Kuntz wohnt seit über 50 Jahren an den Martinsgärten, direkt gegenüber dem Friedhof. Sie habe sich immer wohlgefühlt. Nun müsse sie Einschränkungen in Kauf nehmen, ein Stück Lebensqualität aufgeben. Das neue Nachbargebäude verdunkle ihr Anwesen, nach dem Zuzug von rund 400 neuen Nachbarn verschlechtere sich die Parksituation.
Einem anderen Nachbarn schlagen "zwei Herzen in einer Brust". Weil ihn das Konzept überzeugte, hat Gerhard Gerstner eine Wohnung in den Martinshöfen gekauft. Auch er lebt gern in seinem Reihenhaus in den Martinsgärten. Nach Fertigstellung der Martinshöfe wird er aber einige Veränderungen vornehmen. Nachbarn könnten künftig in sein Dachgeschoss blicken, neue Jalousien müssten her.
Vor Kurzem besuchte ihn ein Freund, der Architekt und Stadtplaner ist. Der sei entsetzt gewesen: "Wie kann man denn so massiv bauen?", habe er gefragt. "Ein Stockwerk weniger hätte dem Komplex gutgetan", meint Gerstner. Er kritisiert die Stadt, weil diese ein Sondernutzungsrecht für einen Grünstreifen aufgegeben hat. Dadurch können die neuen Gebäude näher an den Bestand rücken. Die Bauabwicklung funktioniere dagegen, lobt er. Beschwerden würden berücksichtigt.
Der westliche Nachbar der Martinshöfe ist die Freiwillige Feuerwehr. Laut Kommandant Harald Lange ist das Bauprojekt auch im Kreise der Brandschützer ein Thema. Viele Kameraden könnten die Bauweise nicht nachvollziehen.
Lange hofft, dass es keinen Ärger mit den neuen Nachbarn gibt. Wenn die Wehr ausrückt, könnten die Sirenen zwischen den Gebäuden hallen. Aber auch er plädiert dafür, die Fertigstellung abzuwarten.