Sie schwingen die Kochlöffel, schnippeln Gemüse klein und achten darauf, dass keiner leer ausgeht: die ehrenamtlichen Helfer des Weinheimer Mittagstischs, der am Montag in St. Marien in der Weststadt begann. Foto: Dorn
Von Günther Grosch
Weinheim. "Am Mittwoch, 15. Februar, kommt wieder Bürgermeister Fetzner mit seiner Gitarre, und am 17. Februar ist sogar Oberbürgermeister Just bei uns". Hartmut (Name geändert) kann seine Begeisterung über die gerade angekündigten Besuche gegenüber seinen Tischnachbarn nicht verbergen. Auch an Heiligabend hat Weinheims Erster Bürgermeister Torsten Fetzner Wohnungslose, Bedürftige und sozial Benachteiligte im Saal der Herz Jesu Gemeinde mit Gesangsbeiträgen begeistert. Und jetzt sei er, Hartmut, neugierig, was der "Singende Bürgermeister" diesmal mitbringen wird.
Viele alte Bekannte, aber auch einige neue Gesichter haben sich am gestrigen Montag zum Auftakt des 21. "Weinheimer Mittagstischs" eingefunden. Die Solidaritätsaktion wird Jahr für Jahr von den Weinheimer Kirchengemeinden auf die Beine gestellt, die sich zur Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen (ACK) zusammengeschlossen haben.
Die Auftaktwoche findet in diesem Jahr im Gemeindesaal von St. Marien im Forlenweg 5 statt. "Zuerst mit der RNV-Linie 5 bis zur Haltestelle Stahlbad fahren und danach ein kleines Stück zu Fuß zu gehen, so ist St. Marien am leichtesten von allen Mittagstisch-Standorten zu erreichen", erklärt Karlheinz seinem Gegenüber. Bereits im Gottesdienst am Sonntag hat Pfarrer Gerhard Schrimpf die langjährige Leiterin des Kochteams aus der Freikirchlichen Gemeinde, Renate Kohn, sowie Maria Regele aus der katholischen Pfarrei St. Laurentius verabschiedet: "zwei Frauen der ersten Stunde" des Mittagstischs. Mit dem ehemaligen leitenden Chefarzt und ärztlichen Direktor an der GRN-Klinik, Werner Schaupp, sowie Harald Weimann sind bereits Nachfolger gefunden.
Auch um ehrenamtliche Nachwuchskräfte brauchen sich die Organisatorinnen des Mittagstischs, Gertrud Oswald und Christine Gassmann, keine Sorgen machen. Das zeigt ein schneller Blick in die Küche. Acht Damen und ein Herr schwingen den Kochlöffel, putzen Salat, schnippeln Karotten und Paprika klein. Dazu gilt es, rund 20 Kilo Geschnetzeltes zuzubereiten und "die Suppe nicht anbrennen" zu lassen.
In einem anderen Raum befinden sich Mechthild Graen und Irmtraud Jörder. Sie sind mit dem Aufschneiden, Streichen und Belegen der Brötchen beschäftigt, die Weinheimer Bäcker und Metzger gespendet haben. Die Gäste dürfen die belegten Brötchen später fürs Abendbrot mitnehmen. Exakt 5000 Papiertüten hat der Revisionsverband der Westkauf-Genossenschaften – kurz Rewe – in diesem Jahr kostenlos zur Verfügung gestellt. 48 Papiertüten haben Graen und Jörder bereits befüllt, als die RNZ vorbeischaut. Noch einmal "für mindestens 30 weitere" gilt das Gleiche.
Etwa 80 Frauen und Männer sind ins Untergeschoss des Gemeindesaals gekommen, darunter der zweijährige Sebastian und seine "große Schwester" Emilia (5) an der Hand ihrer Mutter. Die beiden Kinder dürfen auf dem Heimweg die Stofftasche mit dem Vesper tragen. "Ab diesem Jahr geben wir keine Plastiktüten mehr aus", erklärt Organisatorin Gassmann, die ACK setze auf Nachhaltigkeit und habe 250 Stofftaschen geordert. "Nicht vergessen, die Taschen morgen wieder mitzubringen", so Gassmann.
Seit dem Frühstück brennt die von Birgit Large künstlerisch gestaltete und von Woche zu Woche an die jeweils zuständige Gemeinde weitergereichte Mittagstisch-Kerze. Fachberater Benjamin Weis vom Referat Soziale Dienste der Caritas und Andreas Jordak, der die Wohnungslosenhilfe in der Paulstraße vertritt, machen auf zwei kostenlose Friseurtermine am 24. Januar und am 21. Februar, jeweils von 10 bis 15 Uhr, sowie auf die Fußpflege (20. und 23. Januar, jeweils von 13 bis 16 Uhr) aufmerksam. Dann kehrt schlagartig Ruhe ein. Oswald und Gassmann und ihre Crew rollen den Wagen mit dem großen Suppentopf herein, die Helfer sorgen dafür, dass kein Teller leer bleibt.
Zuvor aber spricht Oswald das Tischgebet, das viele andächtig mitmurmeln. Für die Verantwortlichen nicht weniger schön zu hören: Als es am Nachmittag an den Aufbruch geht und die Stofftaschen mit den gefüllten Papiertüten ausgeteilt sind, bleibt es nicht nur beim verbalen Dankeschön. Zur Freude aller klimpert es auch in der aufgestellten Sparbüchse. Ihr Inhalt geht am Ende der sieben Wochen an die Obdachlosenhilfe – womit sich der Kreis der Gebenden und Empfangenden schließt.
Info: Spendenkonto für den Mittagstisch: Evangelische Bank eG, IBAN DE93.5206.0410.0005 0206 03; BIC GENODEF1EK1. Auf Wunsch wird eine Spendenquittung ausgestellt, Adresse nicht vergessen.