Eigentlich sollte der gebrauchte Rollstuhl dem Vater von Ghasem A. helfen. Doch der hat aufgrund der Sanktionen gegen den Iran und dank der Spenden aus Weinheim nun vor Ort ein neues Gerät angeschafft... Foto: privat
Weinheim. (keke) Das Internationale Begegnungscafé in der Nordstadt steht im Mittelpunkt einer Geschichte über einen Rollstuhl, der einem Afghanen das Leben im Exil im Iran erleichtern sollte, aber nun einem Menschen in Rumänien hilft. Es ist zugleich die Geschichte von einem Hilfesuchenden, der zum Helfer wurde.
Ghasem A. lebt seit 2016 in Deutschland und ist oft Gast im Begegnungscafé. A. war mit seiner Familie vor dem Krieg in Afghanistan in den 1990er Jahren in den Iran geflohen. Die Familie wurde geduldet und schlug sich durch – ehe A. seinen Duldungsstatus 2016 verlor und in die Bundesrepublik flüchtete. Seine Eltern und seine Schwestern leben noch im Osten des Iran. Ghasem A. spricht fast täglich mit ihnen.
Sein Vater hatte im Krieg in Afghanistan eine Verletzung am Bein erlitten und ist seitdem auf Gehhilfen angewiesen. Seit einiger Zeit war er aber nicht mehr in der Lage, sich mit seinem alten und klapprigen Rollstuhl zu bewegen. Geld für eine neuere und bessere Hilfe besaß er nicht. "Er musste von seiner Frau geschoben werden und konnte deshalb auch nicht mehr in den Straßen Schuhe reparieren", erklärt Siegfried Gross vom Freiwilligenteam des Begegnungscafés, der A.s Geschichte an die RNZ weitergeben hat.
Ghasem A. Foto: privat
Ghasem A. wollte seinem Vater helfen und fand nach vielem Suchen in Weinheim einen gebrauchten, aber funktionstüchtigen Rollstuhl. Er kaufte ihn für 40 Euro und hatte die Absicht, ihn zu seinem Vater zu schicken. Nach einem Besuch bei der Post aber wurde ihm klar, dass das nicht so einfach ist. Er wandte sich ans Freiwilligenteam, bat um Hilfe. Nach Anfragen bei Speditionen und Paketdiensten war schnell klar, dass die gegenwärtige politische Situation kaum Warenaustausch mit dem Iran zulässt. "Und dass das Verschicken des gebrauchten Rollstuhls mehr kosten würde als ein neuer im Iran."
So beschloss man, stattdessen Geld für einen neuen Rollstuhl zu sammeln und es in den Iran zu überweisen. Bereits nach drei Wochen war das benötigte Geld beisammen. Helfer und Besucher des Begegnungscafés, einschließlich Ghasem A. selbst, hatten gespendet. "Aber die nächste Hürde kam schnell", so Gross. Auch der Geldtransfer in den Iran ist so gut wie eingefroren. Zwar beteiligt sich die EU nicht an den Saktionen, die die USA verhängt haben, doch der Handel ist trotzdem fast vollständig zum Erliegen gekommen. "Und beim nicht-offiziellen Geldhandel geht ein Fünftel der Summe an den Mittelsmann."
Von dem gebrauchten Rollstuhl profitiert nun eine Frau in Osteuropa. Foto: privat
Es war schließlich wieder A., der den Ausweg fand. Ein in Mannheim lebender Iraner erklärte sich bereit, das Geld beim nächsten "Heimatbesuch" mitzunehmen und vor Ort überweisen zu lassen. Dies alles ohne Gegenleistung: "Hilfsbereitschaft inspirierte Hilfsbereitschaft."
Zwei Tage später war das Geld angekommen, kaum zwei Wochen später hatte der Vater einen neuen Rollstuhl. "Unseren Informationen nach handelt es sich sogar um ein Produkt aus Deutschland", gibt Gross eine fast aberwitzige "Pointe" wieder. Der letzte Teil der Geschichte führt nach Rumänien. Ghasem A. wollte, dass der anfangs von ihm persönlich gekaufte Rollstuhl einem anderen Menschen mit Bewegungsbeschränkungen hilft. Das Gerät ging daher zusammen mit anderen Hilfsgütern nach Sighetu Marmatiel, einer rumänischen Stadt nahe der Grenze zur Ukraine.
"Hier ermöglichte es Ghasem A. einer gehbehinderten älteren Frau, weiter am Leben teilzunehmen."