Der "Woschte Miller" wird berühmt
Jens Müller zur "Persönlichkeit im Handwerk" gewählt - Vertriebsstrategie mithilfe von Fleisch-Automaten überzeugte

Metzgermeister Jens Müller verkauft seine Produkte in speziellen Kühlautomaten. Foto: zg
Von Philipp Weber
Weinheim/Mannheim. Das Interesse war enorm, als Jens Müller 2017 seinen ersten Wurst- und Fleisch-Automaten in Betrieb nahm. Damals hatte der Metzgermeister bei einem bayerischen Spezialisten ein Kühl-Gerät bestellt und es am Rande der Landstraße in Rippenweier eingerichtet. Schon in den ersten Tagen erzielte der automatisierte Grillgutverkauf stabile Umsätze. Später machte der "Woschte Miller" erneut von sich reden, als der Rippenweierer Automat Zuwachs bekam - und Müller nach Schriesheim expandierte. Dort verwehrte ihm der Ausschuss für Technik und Umwelt den gewünschten Standort im Gewerbegebiet. Müller hielt die Füße still - und wich kurzerhand auf den Obsthof Jäck aus.
Hintergrund
Mit dem Siegel "Persönlichkeit im Handwerk" werden auf dem Gründungsportal der baden-württembergischen Handwerkskammern jeden Monat Handwerker ausgezeichnet, die in einer der monatlich wechselnden Kategorien "Frauenpersönlichkeit", "Innovator", "Gründer" sowie
Mit dem Siegel "Persönlichkeit im Handwerk" werden auf dem Gründungsportal der baden-württembergischen Handwerkskammern jeden Monat Handwerker ausgezeichnet, die in einer der monatlich wechselnden Kategorien "Frauenpersönlichkeit", "Innovator", "Gründer" sowie "Nachwuchskraft" Herausragendes geleistet haben. Teilnehmen darf, wer im Handwerk tätig ist, wessen Betrieb den Hauptsitz im Ländle hat - und wer Mitglied einer Handwerkskammer ist. RNZ
Dienten Müller und seine Automaten bisher eher als lokales Beispiel für pfiffige, aber nicht immer unumstrittene Vertriebswege in Zeiten von Laden-Sterben und Digitalisierung, wird der Metzger nun landesweit bekannt. Zumindest in der Handwerkerschaft. Nutzer der Webseite www.selbstaendig-im-handwerk.de haben Müller im August zur "Persönlichkeit im Handwerk" gewählt. Der Metzgermeister sicherte sich in der Kategorie "Innovator" die meisten Stimmen. Mit seiner Vertriebsstrategie - dem Verkauf selbst hergestellter Produkte über Warenautomaten mit eingebauter Kühlanlage - habe er die Besucher des Gründerportals überzeugt, heißt es in einer Pressemitteilung der Handwerkskammer Mannheim Rhein-Neckar-Odenwald.
Er habe selbst nicht damit gerechnet, dass ausgerechnet seine Vertriebsidee die Auszeichnung abräumt, verrät Müller im Gespräch mit der RNZ. Es sei auch nicht sein eigener Einfall gewesen, sich zu bewerben: "Ich habe öfter mit der Handwerkskammer zu tun. Dort hat mich Thomas Dressler auf den Wettbewerb angesprochen und mir empfohlen, es zu versuchen." Gesagt, getan. Natürlich freut sich der Metzgermeister über die Auszeichnung: "Das ist schon eine Anerkennung. Offenbar muss ich mich mit meinem Konzept nicht verstecken", so der knapp 35-Jährige.
Dass der Vertrieb von Grillgut über die beiden Spezial-Automaten läuft, bemerkt Müller aber auch so. Aktuell stehen die Zeichen sogar auf Expansion. Ein weiteres Gerät in Trösel ist bereits geplant. Über Automaten-Standorte in Dossenheim und Wilhelmsfeld laufen Gespräche. Neben den eigenen Automaten beliefert der Rippenweierer Betrieb noch Hofläden und Vereine mit Grillgut.
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Dabei ist Müller übrigens so etwas wie ein beruflicher Wiedereinsteiger: Er hatte den Job des Metzgers für zehn Jahre an den Nagel gehängt - und als Kraftfahrer gearbeitet. "Das war des Geldes wegen", gibt er offen zu. Es sei hier in der Region sehr schwierig gewesen, eine Festanstellung als Fleischermeister zu bekommen, sagt er: "Dieses Angebot gab es eigentlich nur bei einer Supermarktkette, aber das wollte ich damals nicht."
Doch irgendwann überwog der Wunsch, wieder ins Fleischerfach zurückzukehren. "Da war der Metzgerstolz dann doch größer. Ich wollte mich in meinem angestammten Beruf verwirklichen, statt mit dem Lkw durch die Gegend zu fahren", sagt er. Auch wenn die Arbeit als selbstständiger Metzger durchaus zeitintensiv ist.
So besuchte Müller auch in seiner Zeit abseits der Metzgertätigkeit regelmäßig Kurse, Fortbildungen und Messen zum Thema Fleischverarbeitung. Im Januar 2017 mündete die Begeisterung für sein Handwerk in die Gründung eines Unternehmens im Nebenerwerb. Dieses Jahr erfolgte die Ummeldung in den Vollerwerb.
Das wäre ohne digitale Technik nicht möglich: Müller kann vom heimischen PC aus feststellen, welchen Produkten in den Automaten der Ausverkauf droht. Dann kann er reagieren und zeitnah auffüllen. Das Beispiel des "Woschte Millers" zeige, dass Innovation nicht notwendigerweise die Entwicklung eines neuen Produkts bedinge, teilt die Mannheimer Handwerkskammer dazu mit. Neuerungen gebe es auch in der Herstellung, der Vermarktung oder im Vertrieb - so wie in Müllers Fall. Der Metzger will nun eine Teilzeitkraft einstellen, "aus der zu Beginn der nächsten Grillsaison auch eine Vollzeitkraft werden könnte". Auch die Produktionsstätte soll wachsen.