Tag der Befreiung 1945

Das Ende der NS-Bürgermeister von Großsachsen und Leutershausen

Chronist Rainer Gutjahr hat Informationen über Georg Blasauf (Leutershausen) und August Reinhard (Großsachsen) zusammengestellt

07.05.2020 UPDATE: 08.05.2020 06:00 Uhr 2 Minuten, 53 Sekunden
In der Leutershausener Kreuzgasse marschierten in den 1930/40er-Jahren Nationalsozialisten auf. Foto: Noethe

Hirschberg. (zg/ans) Vor 75 Jahren endete der Zweite Weltkrieg. Aus diesem Anlass hatte die RNZ in ihrer Ausgabe vom 28./29. März die damaligen Geschehnisse in Großsachsen und Leutershausen beleuchtet. Sowohl Wiebke Dau-Schmidt (Historischer Ortsrundgang) als auch Ortschronist Rainer Gutjahr fanden, dass die Informationen zu den beiden NS-Bürgermeistern Georg Blasauf (Großsachsen) und (Johann) August Reinhard (Leutershausen) Ergänzungen bedürfen. Daher hat Gutjahr noch einiges über die beiden zusammengetragen.

In Großsachsen war damals Georg Blasauf Bürgermeister, der letztlich erschlagen wurde. Foto: privat

Georg Blasauf (geboren 1897 in Großsachsen), war kaufmännischer Angestellter in der Firma "Drei Glocken" in Weinheim und wurde im Mai 1936 zum Bürgermeister von Großsachsen ernannt. Er war zu dieser Zeit bereits "Stützpunktleiter" der örtlichen NSDAP. In den Augen seiner Zeitgenossen galt er als anständiger und hilfsbereiter Mensch. Zugutegehalten wurde ihm unter anderem, dass er sich in zwei Fällen für Mitbürger einsetzte, die sich mit dem NS-System angelegt hatten. Sein Amtsnachfolger Gottlieb Hauck beschrieb ihn freilich auch als eitel, leicht zu beeinflussen und letztlich unpolitisch.

Sein trauriges Schicksal besiegelte er durch sein Verhalten anlässlich der Notlandung eines amerikanischen Piloten in der Nähe des Großsachsener Sportplatzes im Tal Anfang 1945. Angesichts einer tobenden Menge, die verlangte, den Piloten totzuschlagen oder aufzuhängen, verpasste Blasauf diesem einen Fußtritt, verhaftete ihn und führte ihn in sein Wohnhaus. Von dort wurde der Pilot in das Lazarett nach Heppenheim verbracht. Man interpretierte das Verhalten Blasaufs so, dass er in der gegebenen Situation zur Wahrung seiner Autorität keinen anderen Weg gesehen habe.

Hier ein Auszug aus dem Sterberegister. Foto: Gemeinde Hirschberg

Nach dem Einmarsch der US-Truppen in Großsachsen am 29. März 1945 blieb Blasauf im Ort. Den Ratschlag, sich durch Flucht in Sicherheit zu bringen, schlug er in den Wind. Nach einer Gegenüberstellung mit dem US-Piloten, der Blasauf als denjenigen identifizierte, der ihm den Fußtritt verpasst und ihn verhaftet hatte, setzte ein US-Kommando Blasauf in einem Anwesen in der Lützelsachsener Schlossgasse fest. Hier lieferten ihn seine Bewacher einer Gruppe ehemaliger polnischer Zwangsarbeiter aus, die ihn im Wald von Lützelsachsen mit Prügeln erschlugen. Als Todeszeitpunkt wurde der 17. April, 10.30 Uhr, angegeben. Das "Badische Volksecho", Organ der KPD, erwähnte den Fall zwei Jahre später mit der Bemerkung, es sei "bekanntlich auch der ehemalige Nazi-Bürgermeister beim Umsturz von verschleppten Auslandsarbeitern wegen Grausamkeit gelyncht worden". Näheres zu dem Vorwurf der "Grausamkeit" wurde nicht ausgeführt. Die Weinheimer Spruchkammer, die über den toten Blasauf zu richten hatte, kam 1948 zu dem Schluss, dass er weder als Hauptbelasteter noch als Belasteter einzustufen sei, und stellte das Verfahren ein.

August Reinhard (geboren 1898 in Dossenheim) war Postbediensteter in Schriesheim und trat im August 1937 seine Ämter als Bürgermeister in Leutershausen und Ortsgruppenleiter der dortigen NSDAP an. Seine Parteioberen hatten ihm zugedacht, die völlig zerstrittene und intrigante Ortsgruppe auf Vordermann zu bringen; sie war nach dem Abgang des bisherigen Ortsgruppenleiters Georg Hahn zeitweilig vom Schriesheimer Bürgermeister und Ortsgruppenleiter Fritz Urban geführt worden.

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Außerdem sollte er, im NS-Sinne, "frischen Wind" ins Rathaus bringen, wo seit 1930 das Nicht-Parteimitglied Georg Peter Hauck als Bürgermeister wirkte und ab und zu auf Beibehaltung rechtsstaatlicher Methoden beharrte. Durch Ausüben von Druck sorgte Reinhard nun dafür, dass die Gemeindebediensteten der NSDAP beitraten.

Reinhard war Wichtigtuer und Freund starker Worte. Dies zeigte sich gleich bei seiner Antrittsrede vor den Leutershausener Parteigenossen. Als Nationalsozialist beweise man sich durch Taten, nicht durch Worte. So dürfe es in der Judenfrage keine falsche Sentimentalität geben. Es sei "mit aller Härte" an das Problem heranzutreten. Er empörte sich darüber, dass nicht-jüdische Leutershausener an der Beisetzung des in der Heil- und Pflegeanstalt Wiesloch verstorbenen Juden Max Haarburger teilgenommen hatten. Zu seinen ersten Entscheidungen gehörte der Ankauf des Hauses Hauptstraße 1 durch die Gemeinde, das der jüdische Vorbesitzer Alfred (Abraham) Schriesheimer unter dem Druck der Verhältnisse abgab. Das Anwesen diente nun als "Horst-Wessel-Haus" den unterschiedlichen NS-Formationen als Quartier. Als charakteristisch für seine "Regierung" können ansonsten die zahllosen Pressemitteilungen gelten, die er zur Veröffentlichung brachte.

Unter dem Hinweis auf den bevorstehenden Einsatz der Wunderwaffen des "Führers" forderte Reinhard im März 1945 die Einwohner auf, den Ort zu verlassen, um selbst zwei Tage vor der Besetzung durch die Amerikaner auf einem gemeindeeigenen Fahrrad das Weite zu suchen. Während seine Frau und seine Tochter in Dossenheim bei Verwandten Unterschlupf fanden, setzte er sich in die spätere französische Zone ab.

Noch 1947 behauptete seine Frau, den Aufenthaltsort ihres Mannes nicht zu kennen. So galt er als seit Kriegsende vermisst. Es gelang ihm auf diese Weise das Kunststück, sich dem obligatorischen Spruchkammerverfahren zur "Entnazifizierung" zu entziehen. Dass er im Schwarzwald lebte, erfuhr man erst 1953, als er sich unverfroren bei der Gemeinde Leutershausen zum Geltendmachen von Pensionsansprüchen meldete. Er starb 1972 in Mannheim-Käfertal.

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