Angriff auf Wehrlosen schon einen Monat zuvor
Anwalt las störenden Freunden und Angehörigen der OEG-Schläger die Leviten - Video zeigte die Gewaltbereitschaft der Angeklagten

Das Heidelberger Landgericht. Symbolfoto: Alex
Von Alexander Albrecht
Mannheim/Weinheim. Kurz vor Ende der Verhandlung am Donnerstagnachmittag hat Verteidiger Thorsten Schulte-Günne genug. Genug von der Quasselei, dem ständigen Gekicher und nervenden Kommen und Gehen im Publikum. Eindringlich und mit lauter Stimme liest der Anwalt Freunden und Familienangehörigen der sechs Angeklagten die Leviten: "Das ist ein Strafverfahren hier, eine ernste Sache. Und überhaupt nicht witzig", betont Schulte-Günne. Das sitzt, es wird merklich leiser im großen Saal des Mannheimer Landgerichts.
Eher amüsiert statt mit der gebotenen Ernsthaftigkeit verfolgt haben einige Zuschauer bereits das Video aus einer S-Bahn, die in der Nacht auf den 11. Februar dieses Jahres von Heidelberg nach Mannheim rollt - einen Monat vor dem Angriff auf in der OEG-Linie 5. Darauf zu sehen ist, wie die Angeklagten Özcan K. und Eyyüpcan P. lachend und feixend einen jungen Mann mit Faustschlägen ins Gesicht und Ohrfeigen traktieren. Das körperlich unterlegene und angetrunkene Opfer wehrt sich nicht und weint, steigt später statt nicht wie geplant am Mannheimer Hauptbahnhof aus, sondern schon in Seckenheim. Aus Furcht vor weiteren Repressalien.
"Na, da erkennt man Sie auf dem Video aber verdammt gut wieder", hält der Vorsitzende Richter Joachim Bock Özcan K. vor. Der hat zuvor beteuert, sich an nichts erinnern zu können. Jetzt murmelt er: "Ich hab’ ihm ne Faust gegeben, das passiert halt." Bock meint mit einer gehörigen Portion Sarkasmus, das sei ja "beruhigend". Und der Richter kann sich eine weitere Spitze gegenüber Özcan K. nicht verkneifen: "Der Mann hat sich ja brutal gewehrt. Hätten Sie das auch bei einem kräftigen Kerl gemacht?"
Eine Heidelberger Kripobeamtin sagt, Zeugen hätten zu Protokoll gegeben, dass die Peiniger den Geschädigten immer wieder provozierend fragten: "Hast Du keine Ehre? Warum wehrst Du Dich nicht?" In das Tatgeschehen involviert sind auch die Mitangeklagten Furkan D. und Jermaine L. Nach der Station in Seckenheim sollen sich drei der Vier im Zug einen Bekannten des vorherigen Opfers vorgeknöpft, sein Handy sowie eine E-Shisha geraubt, ihn geschlagen und ihm in einer Toilette die Hose heruntergezogen haben.
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Keine bahnbrechenden neuen Erkenntnisse gibt es im zweiten Fall, wegen dem Furkan D. Jermaine L., Eyyüpcan P. sowie Taufik M. und Filmon N. angeklagt sind: die brutale Attacke auf Mehmet Efetürk einen Monat später in der RNV-Linie 5 (früher OEG) auf dem Weg von Heidelberg nach Weinheim. Efetürk springt einer jungen Frau bei, die von Jermaine L. übel beleidigt worden war. Der "Preis" für seine Zivilcourage: ein gebrochenes Nasenbein, zwei Rippenbrüche, zahlreiche Prellungen und Schürfwunden.
Jermaine L. ("Ich bin der Verursacher") hat am letzten Prozesstag bereits ein Geständnis abgelegt. Haupttäter und treibende Kraft soll nach Erkenntnissen der Polizei aber Taufik M. gewesen sein, der am Dienstag erstmals im Gerichtssaal mit seinem Anwalt Schulte-Günne spricht, sich aber auch mit eigenen Fragen zu Wort meldet. Seine Rolle bleibt rätselhaft. Die am Dienstagmorgen von der siebten Strafkammer vernommenen Eyyüpcan P. und Filmon N. sind sich einig, dass er auf Efetürk gelegen haben soll. Wie er zuvor agiert hat, wissen sie angeblich nicht. Oder wollen es aus Angst vor Taufik, der schon dreieinhalb Jahre wegen einer anderen Straftat im Knast saß, lieber verschweigen.
Filmon N. räumt ein, mitgemacht zu haben. "Weil ich dazu gehören wollte", wie er versichert. Deshalb habe er den am Boden liegenden Efetürk ins Gesäß getreten. Eyyüpcan C. gesteht zwei Faustschläge ins Gesicht des Opfers, nachdem er gestolpert war. Auch Furkan D. will laut Anklage Efetürk treten, trifft allerdings Taufik M.
Info: Der Prozess wird am nächsten Dienstag, 21. November, um 9 Uhr fortgesetzt.



