Mutiger Helfer wurde zum tragischen Helden
Mehmet Efetürk kam bedrängter Frau zu Hilfe und wurde von mehreren Tätern brutal zusammengeschlagen – Darunter leidet er bis heute

Siegfried Kollmar, Leiter der Kriminalpolizeidirektion Heidelberg, dankt Mehmet Efetürk für seinen mutigen Einsatz. Rechts steht Weinheims Bürgermeister Torsten Fetzner. Foto: Kreutzer
Von Günther Grosch
Weinheim. "Nein", sagt Mehmet Efetürk. Er habe nicht lange überlegt, ob er eingreifen und helfen solle, sondern "einfach reagiert". Und "Ja", er würde es trotz all der nachfolgenden schlimmen Konsequenzen für ihn wieder tun: "Es könnten ja auch meine Mutter, meine Schwester oder meine Freundin sein!" Dennoch wird der 29-Jährige den 11. März dieses Jahres nie mehr vergessen.
Hintergrund
Das Ziel der Aktion "Tu was!", einer "Initiative für mehr Zivilcourage" ist es, innerhalb der Bevölkerung den Gedanken der Solidarität und des Helfens zu fördern. "Oft aber wissen die Bürger nicht, wie sie wirkungsvoll eingreifen können, ohne sich dabei selbst in Gefahr zu
Das Ziel der Aktion "Tu was!", einer "Initiative für mehr Zivilcourage" ist es, innerhalb der Bevölkerung den Gedanken der Solidarität und des Helfens zu fördern. "Oft aber wissen die Bürger nicht, wie sie wirkungsvoll eingreifen können, ohne sich dabei selbst in Gefahr zu bringen", erklärt Tanja Kramper.
Aus diesem Grund hat die Polizei sechs praktische Regeln für mehr Sicherheit zusammengestellt, die jeder anwenden kann.
> Ich helfe, ohne mich selbst in Gefahr zu bringen.
> Ich fordere andere aktiv und direkt zur Mithilfe auf.
> Ich beobachte genau und präge mir die Täter-Merkmale ein.
> Ich organisiere Hilfe unter der Notrufnummer 110.
> Ich kümmere mich um Opfer.
> Ich stelle mich als Zeuge zur Verfügung.
Wer "Helfen lernen" möchte, kann an einem Zivilcouragetraining teilnehmen, das im Rhein-Neckar-Kreis vom "Verein Prävention Rhein-Neckar e.V. mit Unterstützung der Polizei angeboten wird.
Weitere Informationen im Internet unter www.praevention-rhein-neckar.de, www.aktion-tu-was.de und www.polizeiberatung.de keke
An diesem Samstagabend sitzt Efetürk gegen 21 Uhr in der voll besetzten OEG-Straßenbahn der Rundfahrtlinie 5 von Mannheim nach Heidelberg. Er will zum Mathaisemarkt in Schriesheim. Zwischen den Weinheimer Haltestellen Stahlbad und Händelstraße beobachtet er, wie eine junge Frau von mehreren männlichen Personen verbal belästigt und beleidigt wird. Entschlossen eilt er ihr zu Hilfe und versucht schlichtend einzugreifen. Eine Heldentat mit schwerwiegenden Folgen für den jungen Türken.
Einer der Täter verpasste ihm einen Faustschlag ins Gesicht. Sofort danach gingen mindestens neun weitere Personen gemeinschaftlich auf den eingreifenden Zeugen los und versetzten ihm Schläge und Tritte. Diese Gewalteskalation gipfelte in Sprüngen von der Sitzbank auf den am Boden Liegenden. Nur wegen der Rufe einer Zeugin, dass die Polizei verständigt wurde, ließen die Täter von ihm ab und flüchteten an der nächsten Haltestelle aus der Bahn. "Bei seinem Einschreiten erlitt Mehmet Efetürk schwere Verletzungen", heißt es später im Polizeibericht.
Aus dem Krankenhaus lässt er sich kurz darauf auf eigene Verantwortung wieder entlassen. "Mein Großvater war zwei Tage zuvor gestorben und ich wollte meine Familie nicht alleine lassen." Jetzt wurde Efetürk auf dem Weinheimer Rathaus von Bürgermeister Torsten Fetzner, dem Leitenden Kriminaldirektor und Leiter der Kriminalpolizei Heidelberg, Siegfried Kollmar, sowie Kriminalhauptkommissarin Tanja Kramper vom Referat Prävention und Kriminalprävention Mannheim für sein "Beistehen statt Rumstehen" und couragiertes Eingreifen mit einer Urkunde und einem Einkaufsgutschein belohnt.
Eine "kleine Geste" für einen "Helden des Alltags". Der wegen seiner mutigen Tat und der daraus resultierenden mehrmonatigen Arbeitsunfähigkeit seinen auf ein Jahr befristeten Vertrag als Lagerist in einer Mannheimer Firma verlor und auch aus seiner Wohnung ausziehen musste. "Eine Auszeichnung zu vergeben und unseren Dank und Respekt auszusprechen, ist für das, was Mehmet Efetürk getan hat, im Grunde viel zu wenig. Aber mehr bleibt uns nicht", bedauerte Fetzner. Sein Nasenbeinbruch und die mehrfachen Knochenbrüche, die Efetürk erlitten hat, sind mittlerweile verheilt. Doch noch immer leidet der Mann, der derzeit bei einem Bekannten wohnt, unter den traumatischen Folgen jener verhängnisvollen Samstagnacht.
"Seitdem traut sich Mehmet nicht mehr allein auf die Straße aus Angst, er könnte erneut auf seine Peiniger treffen", beschreibt Engin Oktay, der ihn an diesem Tag auf das Rathaus begleitet hat, die Gemütslage seines Cousins: "Und er fährt nicht mehr mit der Straßenbahn".
Dass Efetürk keiner der Fahrgäste in dem voll besetzten Waggon zu Hilfe kam und alle weggeschaut haben, ist erschütternd. "Eine Videoaufnahme des Vorfalls existiert nicht, auf den Zeugenaufruf der Polizei meldete sich lediglich eine einzige Person", erklärt Kollmar. Dennoch konnten insgesamt elf Tatverdächtige, unter ihnen auch zwei bis drei Haupttäter, identifiziert und ausfindig gemacht werden. "Sie alle werden des versuchten Totschlags angeklagt".