Ladenburg

Was geschieht mit dem Wasserturm?

Bürgermeister schweigt weiter darüber, wie das städtische Wahrzeichen der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden soll

08.01.2020 UPDATE: 09.01.2020 06:00 Uhr 4 Minuten, 13 Sekunden
Rund um den zu sanierenden Wasserturm wurde eine Freilandausstellung aufgebaut. Die Informationstafeln am Bauzaun erzählen die Geschichte des Ladenburger Wahrzeichens und stoßen bei den Bürgern auf reges Interesse. Foto: Sturm

Von Axel Sturm

Ladenburg. Als Ladenburg im Jahr 2003 den Wasserturm zum symbolischen Preis von einem Euro an den Seckenheimer Architekten Karlheinz Erny verkaufte, war die Skepsis in der Stadt wegen dieser Gemeinderatsentscheidung groß. Einige meinten, ein städtisches Wahrzeichen solle nicht so einfach veräußert werden. Dazu kam, dass der Wasserturm just in diesem Jahr seinen 100. Geburtstag feierte.

Obwohl der damalige Bürgermeister Rolf Reble ein schlüssiges Nutzungskonzept vorstellte, will die Kritik bis heute nicht abebben. Denn betreten konnten die Ladenburger den Turm die vergangenen 17 Jahre nicht – und wie es in Zukunft weitergeht, darüber schweigt sich die Verwaltung aus.

Aus Sicht der Stadt war der Verkauf des Denkmals 2003 wirtschaftlich vernünftig. Der Turm musste renoviert werden, die Kosten wurden auf mehrere Hunderttausend Euro geschätzt. Karlheinz Erny verpflichtete sich mit dem Kauf, die Renovierung auf eigene Kosten umzusetzen, um danach im Wasserturm ein Museum für Tonträger und alte Schallplattenspieler einzurichten. Die Planungen wurden allerdings nie umgesetzt, weil Erny offenbar die finanziellen Möglichkeiten für die Arbeiten und schließlich auch das Museum fehlten.

Der Wasserturm fiel in einen langen Dornröschenschlaf. Nach eigenen Angaben hat Erny in den vergangenen Jahren zwar viel Geld in den Turm investiert, der bauliche Zustand allerdings wurde immer schlechter, sodass die Stadt – obwohl sie nicht mehr Besitzerin war – vor einigen Jahren aus Sicherheitsgründen handeln musste. Betonteile des Wasserturms krachten auf den Boden, der Bauhof musste 2015 eine Absperrzone um den Turm errichten.

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Letztendlich waren alle Beteiligten mit der Entwicklung unzufrieden. Der Eigentümer, der wohl aus finanziellen Gründen nicht in der Lage war, das Projekt zu stemmen, die Stadtverwaltung, die große Sicherheitsbedenken hatte, und die Bürger, die zuschauen mussten, wie das Denkmal vor sich hin bröckelte. Bis sich im vergangenen Jahr alles änderte. Eine bislang anonyme Stiftung kaufte den Wasserturm von Erny zurück und übergab ihn an die Stadt.

Der großzügige Spender will auch für die Restaurierung des Gebäudes aufkommen. Um wen es sich dabei handelt, ist nicht bekannt. Die Verwaltung hat dem Investor vertraglich zugesichert, dass sein Name nicht genannt wird. "Daran werde ich mich auch halten, ansonsten würde ich das ganze Projekt gefährden", sagte Bürgermeister Stefan Schmutz vor wenigen Tagen gegenüber der RNZ.

Bekannt ist mittlerweile, dass Erny laut eigener Aussage für das Wahrzeichen 35.000 Euro erhalten soll. Überwiesen sei das Geld aber bislang nicht, und bis zu diesem Zeitpunkt bleibe er auch Eigentümer des Wasserturms, sagte Erny am Dienstag der RNZ. Das sei im Notarvertrag so festgehalten.

Dabei sind einige Gewerke für die Sanierung des Turms bereits vergeben. Das betrifft die Projektsteuerung, die Steinmetzarbeiten, die Dachdeckerarbeiten, das Gewerk Gerüstbau und das Lichtkonzept. Auch die alten Plattenspieler, Grammophone und Schallplatten, die Erny im Wasserturm gelagert hatte, sind längst abgeholt worden und liegen mittlerweile im Bauhof. Ein Schritt, der Anfang Januar dazu führte, dass Erny die Stadt wegen Diebstahls anzeigte. Er wirft der Verwaltung vor, seinen Besitz ohne seine Zustimmung aus dem Turm entfernt zu haben.

Ebenfalls im Widerspruch zu Ernys Aussage steht ein Hinweis auf einer Tafel der Freiluftausstellung, die von der Verwaltung am Bauzaun am Wasserturm angebracht wurde. Auf Plakaten ist dort die Geschichte des Ladenburger Wahrzeichens nachzulesen – und dort steht bereits geschrieben, dass die Stadt Eigentümerin des historischen Gebäudes sei.

Ebenso genannt werden schon die Projektbeteiligten bei der Renovierung des Gebäudes. Das sind unter anderem die Untere Denkmalbehörde, die im Landratsamt des Rhein-Neckar-Kreises angesiedelt ist, und das Landesamt für Denkmalpflege, eine Abteilung des Regierungspräsidiums in Karlsruhe. Der 1903 gebaute Wasserturm steht unter Denkmalschutz, ein Status, der bei der Konzepterstellung zu berücksichtigen ist.

Was das Nutzungskonzept für den umzubauenden Wasserturm betrifft, gibt es im Rathaus eine Informationssperre. Wie die RNZ erfuhr, mussten sich die Beteiligten in der Verwaltung sogar verpflichten, keine Informationen an die Öffentlichkeit zu geben. Bürgermeister Stefan Schmutz ließ in einer Ratssitzung vor einigen Monaten lediglich verlauten, dass der Wasserturm nach der Renovierung für die Öffentlichkeit zugänglich sein soll.

Wie diese Zugänglichkeit aussehen soll, darüber schweigt Schmutz. Auf der einen Seite ist dieses Vorgehen die auf die Spitze getriebene Einhaltung der Verschwiegenheit, die er dem oder den Spendern gegeben hat. Auf der anderen Seite sind damit aber Spekulationen Tür und Tor geöffnet.

"Wissen Sie, was mit dem Wasserturm passiert?", fragte eine Passantin dieser Tage, "ich habe gehört, im Erdgeschoss wird ein Café eröffnet und es soll abgeteilte Räume geben für Veranstaltungen und kleine Ausstellungen." Ob es tatsächlich so kommt, ist aber nicht zu belegen.

Im Herbst 1902 wurde mit dem Bau des Ladenburger Wasserturms begonnen, ein Jahr später wurde das Gebäude eingeweiht. Foto: Sturm

Die kleine Freiluftausstellung vor dem Wasserturm lässt erahnen, wie wichtig dessen Bau 1903 für die Bürger Ladenburgs und die angesiedelten Unternehmen war. Anfang des 20. Jahrhunderts wurden auch die Wassertürme in Edingen, Wallstadt und in Feudenheim gebaut. Bereits 15 Jahre zuvor wurde der Mannheimer Wasserturm am Friedrichsplatz mit einem Fassungsvermögen von zwei Millionen Litern eingeweiht.

Auch in Ladenburg bestand um die Jahrhundertwende bei der Wasserversorgung Handlungsbedarf. Die wachsende Bevölkerung des späten 19. Jahrhunderts konnte zusehends schlechter mit Brunnenwasser versorgt werden. Ein Wasserturm war daher das Mittel der Wahl für eine neue Wasserversorgung. In Ladenburg genehmigte der Bürgerausschuss am 11. Juni 1902 das Projekt und stellte zur Umsetzung 180.000 Reichsmark zur Verfügung.

Der 42 Meter hohe Wasserturm wurde ein Jahr später von der Mannheimer Firma "Süddeutsche Baugesellschaft für Feuerungsanlagen und Schornsteinbau" im Bereich des Neckars gebaut, da hier nur wenige Gebäude dem Bau im Weg standen. Der Wasserbehälter aus Eisen an der Turmspitze fasste insgesamt 250 Kubikmeter Wasser. Davon waren für den kontinuierlichen Verbrauch 160 Kubikmeter und für den Brandfall 90 Kubikmeter vorgesehen.

Um das Wasser in die Leitungen zu pumpen, wurde ein sechs PS starkes Dampflokomobil von der Mannheimer Firma Lanz angeschafft. Insgesamt wurden neun Kilometer Rohr verlegt und über 100 Hydranten aufgestellt. Auch ein Wasserwerk entstand. Nach der Einweihung des Wasserturms waren über 400 Haushalte und die meisten Ladenburger Firmen an das Wasserleitungsnetz angeschlossen.

"Die Wasserversorgung startet aus dem Hahn", titelte im Dezember 1903 das Ladenburger Wochenblatt. "Ein praktisches, allgewünschtes Christkindchen wurde der Einwohnerschaft am heutigen Tag übergeben. Die Wasserleitung funktioniert gut und die Menge des Wassers, die dem Hahnen entströmt, legt das beste Zeugnis ab von der wohlgelungenen Anlage des ganzen Werkes", schwärmte der Journalist des Wochenblatts in seinem Artikel.

Beim Grünprojekt 2005 hatte der Wasserturm Leuchtturmcharakter. Zu dieser Zeit gehörte das Wahrzeichen bereits nicht mehr der Stadt. Foto: Sturm

Eine umfangreiche Renovierung fand von 1949 bis 1951 statt. Das Dach des Wasserturms wurde erneuert, die Fassade und der Hochbehälter wurden neu gestrichen, es waren Eisenbetonarbeiten erforderlich. Auch die Fenster wurden neu verglast. Beim Grünprojekt 2005, als der Wasserturm bereits verkauft war, stand das Wahrzeichen Ladenburgs noch einmal im Mittelpunkt. Der 40 Meter hohe Turm wurde zum Neckar-Küsten-Leuchtturm umgestaltet.

Wie weitreichend die nun anstehenden Renovierungsarbeiten am Wasserturm werden, ist derzeit nicht bekannt. Dasselbe gilt für die anfallenden Kosten. Sicher ist aber nicht erst seit Bekanntwerden der Anzeige Ernys gegen die Stadt, dass das Ladenburger Wahrzeichen noch einige Zeit lang ausreichend Gesprächsstoff liefern wird.

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