Online-Portale

So geht Camper-Sharing und Zelten in fremden Gärten

Jetzt im Bulli oder mit dem Wohnwagen durch die Lande gondeln, das wäre doch was, oder? Kein Problem, es gibt Alternativen zur klassischen Variante via Reisebüro.

06.08.2022 UPDATE: 07.08.2022 06:00 Uhr 4 Minuten, 4 Sekunden
In Belgien gibt's Patz einer für den eigenen oder geliehenen Bulli. Foto: zg

Von Heiko P. Wacker

Heidelberg. Einen Camper zu mieten, das ist keine Sensation, professionelle Flottenbetreiber sind seit langem am Start. Seit einigen Jahren gibt es freilich Alternativen, das Mieten aus privater Hand, organisiert via Internetportal. Hier finden sich Tausende Beziehungskisten auf Zeit, der Traum auf Rädern ist nur ein paar Klicks entfernt. Zumindest scheint dem so, blättert man durch die einschlägigen Portale wie Paul Camper, Yescapa, Rentalholidays oder Goboony. Alle miteinander machen schon auf den ersten Blick Lust auf die Reise, kitzeln das Fernweh-Gen. Wer ein wenig Zeit auf die Kommentare verwendet, der erkennt rasch, dass es sehr persönlich zugeht, man duzt sich, vielen geht es wirklich um die Idee des Teilens, um nachhaltiges Sharing. Dass am Ende alle etwas davon haben, das zeigt, dass auch eine Dreiecksbeziehung eine runde Sache sein kann.

Den Camper teilen? Warum eigentlich?

Auf der einen Seite nämlich haben wir den Besitzer eines Reisemobils, doch der Hymer, Pössl oder California wird außer in den Sommerwochen kaum genutzt, steht sich vielmehr die Reifen platt. Auf der anderen Seite gibt es Menschen, die mit genau diesem Camper reisen möchten. Im Mai in die Provence, im Herbst zu fränkischen Weinfesten vielleicht, oder diesen August in die wilde Bretagne. Für einen eigenen Camper jedoch fehlen Geld und vor allem der Platz zum Abstellen. Diese beiden Parteien zusammenzubringen, das übernehmen die Portale, sie sind die Vermittler, sind das Scharnier.

Und das will natürlich gut geölt sein, die Schmiere nennt sich Provision. Dafür wird aber auch die Vermittlung geboten, wie auch die Versicherung des Fahrzeugs. So bleibt die Kfz-Versicherung des Besitzers im Schadensfall ganz außen vor, im Mietgeschäft sind regelrechte Schutzbriefe enthalten. Und natürlich bleibt auch beim Vermieter was hängen, je nach Fahrzeug sind durchaus vierstellige Gewinne je Saison machbar. Dafür will der erhöhte Verschleiß berücksichtigt sein. Und Konkurrenz gibt es natürlich auch: Paul Camper hat über 11.000 verifizierte Camper am Start, auch Yescapa gibt sich fünfstellig, Mieter haben wahrlich Auswahl, schon zielloses Blättern macht (durchaus beabsichtigte) Urlaubslust.

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Der Ablauf

Irgendwann registriert man sich als Mieter bei einem Portal, findet einen passenden Camper – und fragt an. Für den Vermieter wird es nun hektisch, denn der hat "48 Stunden Zeit, um ein Angebot zu senden, Fragen per Chat zu stellen, anzurufen" oder sich erst einmal kennenzulernen, schreibt beispielsweise Paul Camper dem Vermieter. Dann gibt es noch den Tipp: "Der schnelle Vermieter fängt die besten Buchungen. Vermieter, die ihre Anfragen in drei Stunden oder weniger beantworten, haben die größten Chancen auf erfolgreich abgeschlossene Buchungen." Klare Sache also: Ohne Schlautelefon plus App macht Sharing für keine der beiden Seiten Sinn.

Nachhaltig und auch noch menschlich!

Andere rücken nicht unbedingt fiskalische Aspekte in den Vordergrund und laden Interessenten zum Kennenlernen – weil ihnen die "Chemie" wichtig ist, auch wenn die Besichtigung sich zum zweistündigen Geplauder erweitert und final keine Vermietung zustande kommt, weil der ehrlich beschriebene Camper denn doch zu klein ist. Allerdings sind dies dann oft für alle Beteiligten sehr erfreuliche Begegnungen, man erweitert den Horizont. Zudem wird hier ganz bewusst der Sharing-Gedanke gelebt. Viele Vermieter wollen anderen eine schöne Zeit ermöglichen, sie an etwas Besonderem teilhaben lassen, speziell Oldies oder kleine Eriba-Wohnwagen tragen diese Idee fast automatisch in sich, das spürt man auch bei der Lektüre der meist sehr liebevollen Beschreibungen und den ab der ersten Vermietung einsetzenden Bewertungen. Zudem kann es mir als Mieter – auch ich kann natürlich mit guten Bewertungen punkten – durchaus geschehen, dass ich auf einem Campingplatz nicht auf der gebuchten Parzelle, sondern recht spektakulär, beispielsweise direkt am Ufer platziert werde. Coole Sache! Und binnen kurzer Zeit sind Fotos der schönen Szenerie in den sozialen Medien und der Campingplatz hat Werbung.

Pfiffige Vermieter legen zudem ein Gästebuch ins Urlaubsgefährt, und auch mit Urlaubsgrüßen oder Karten muss gerechnet werden, man spürt allenthalben die Dankbarkeit vieler Mieter. Das wiederum macht klar, dass Sharing keine schnöde Dienstleistung sein muss, sondern die Einladung sein kann, an einem Reisegefährt ganz sprichwörtlich teil zu haben. Wie so oft hängt es von den Personen ab, die sich hier zwangsläufig kennenlernen. Denn irgendwann steht man bei fremden Leuten auf der Matte und hätte gerne das geliebte Schätzchen für den Urlaub. Cool bleiben – und auch mal positiv denken. Mieter wie Vermieter sind auch nur Menschen, die Spaß an der schönsten Reiseform des Universums (Camping) haben.

Campen in fremden Gärten?

Spannende Menschen kennenlernen, das geht auf jedem Campingplatz, ganz besonders leicht jedoch, sucht man sich einen der "etwas anderen" Übernachtungsplätze aus, wie sie das Portal Campspace bietet. Mehr als 2000 Outdoor-Locations sind es, verteilt über ganz Europa. Offeriert werden diese von Privatpersonen oder kleinen Mikro-Campingplätzen, Wohnmobile sind ebenso am Start wie Jurten, Blockhütten oder urige Baumhäuser. Und da Campspace kürzlich den deutschen Konkurrenten Pop-Up Camps übernahm, kamen Hunderte neue Gastgeber in ganz Deutschland hinzu. So finden auch deutsche Freunde der mobilen Freizeit Angebote in der Nähe: Das erst 2016 begründete niederländische Start-up legt den Fokus auf lokales, nachhaltiges Reisen, immerhin entstehen über 70 Prozent der CO2-Emissionen der Tourismusbranche durch die Fahrt zum Urlaubsort.

Grüne Refugien via Campspace: In Heidelberg findet sich ein Garten fürs Zelt. Foto: zg

Dass das besser geht, das zeigt Campspace jetzt auch in Deutschland, ebenso in Heidelberg natürlich – der Gastgeber möchte schlicht mit Andreas angeredet werden, auch Campspacer sind persönlich und unkompliziert. Andreas bietet einen Streuobstgarten im nördlichen Teil von Heidelberg-Handschuhsheim, geeignet ist dieser für Zelte, nicht für Fahrzeuge, doch das spricht wohl speziell gut geerdete Menschen an: "Einmal hatte ich mich abends um 19 Uhr bei strömendem Regen mit meinen Gästen getroffen; es war ein 70-jähriges Ehepaar aus den Niederlanden. Ich dachte, hoffentlich werden die beiden glücklich in meiner ‚Wildnis‘ bei diesem Niederschlag. Den beiden hat es so gut gefallen, dass Sie mir einen langen Dankesbrief geschrieben haben, wie schön sie es fanden. Das hat mich sehr gefreut."

Schöne Fotos sind auch hier von zentraler Bedeutung im Portal. Andreas rät aber auch: "Die Buchungsanfragen sollte man am besten am gleichen Tag beantworten, das dauert aber ja nur fünf oder zehn Minuten. Die Zeit vor Ort mit den Gästen ist stets bereichernd, ich nehme mir hier meist eine halbe Stunde Zeit, um mit den Gästen zu plaudern und ihnen alles zu zeigen." Andreas blickt ein wenig verträumt über sein kleines, grünes Reich und ist sich sicher: "Campspace ist geeignet für alle, die ein schönes Gartengrundstück und Freude an der Begegnung mit – oft originellen und sehr offenen – Menschen haben." Auch das ist Campingurlaub. Nur einfach mal anders gedacht.