Frisbee: Die coolste Scheibe der Welt
Wie ein Bäcker und ein Ex-Pilot das Frisbee "erfunden" haben und wie daraus eines der erfolgreichsten Spielzeuge der Welt wurde.

Der Erfinder: Walter Fredrick Morrison mit einer "fliegenden Untertasse".
Von Michael Ossenkopp
Eine kleine, aerodynamische Plastikscheibe eroberte vor 60 Jahren die Welt: das Frisbee. Im Januar 1957 hatte der amerikanische Spielzeughersteller Wham-O das Wurfgerät in die Läden gebracht - zunächst noch unter dem Namen "Pluto Platter". Mit überragendem Erfolg - seither wurden mehr als 200 Millionen Frisbees verkauft; der "Freizeitspaß" ist zu einer der am schnellsten wachsenden Sportarten geworden.

Das Original: Die Kuchenbleche von Bäcker William Russell Frisbie.
Die Geschichte der Wurfscheibe reicht weit zurück. Bereits die alten Griechen schleuderten beim olympischen Diskos ein flaches Geschoss aus Bronze durch die Lüfte. Schließlich dauerte es noch einige Jahrhunderte, bis wieder kleine, runde Körper für Aufsehen sorgten: 1871 eröffnete Bäcker William Russell Frisbie in Bridgeport, Connecticut, seine "Frisbie Pie Company".
Die verkaufte ihre Kuchen auf speziellen, runden Blechen, in die der Schriftzug "Frisbie" eingeprägt war. Der Legende nach sollen sich in der Tortenfabrik Arbeiter die leeren Bleche zugeworfen haben. Angeblich machten es ihnen später Studenten der Yale-Universität nach. Um ihre Kommilitonen vor einem heranfliegenden Blech zu warnen, riefen sie lautstark "Frisbie!".
Hintergrund
An die Tortenböden von damals erinnern Frisbees heute kaum noch. Doch ob aus Blech oder aus Plastik: Die physikalischen Grundlagen, warum die "Untertassen" fliegen, sind die gleichen. Die geformten Scheiben sind quasi rotierende Flügel, durch aerodynamischen
An die Tortenböden von damals erinnern Frisbees heute kaum noch. Doch ob aus Blech oder aus Plastik: Die physikalischen Grundlagen, warum die "Untertassen" fliegen, sind die gleichen. Die geformten Scheiben sind quasi rotierende Flügel, durch aerodynamischen Auftrieb und Kreiselbewegung in der Luft gehalten.
Der aerodynamische Auftrieb entsteht, weil der Luftstrom an der Vorderkante des Frisbees geteilt wird und nun ober- und unterhalb der Scheibe entlangfließt. Weil der Werfer das Frisbee leicht aufstellt und die Oberseite zudem gewölbt ist, muss der obere Luftstrom einen längeren Weg zurücklegen als der untere; dementsprechend fließt er dort schneller. Das hat zur Folge, dass der Luftdruck fällt (Venturi-Effekt) - und wie beim Tragflügel eines Jets erzeugt die Druckdifferenz zwischen Unter- und Oberseite der Wurfscheibe den aerodynamischen Auftrieb, erklärt ein Artikel des Heidelberger Naturwissenchaft-Magazins "Spektrum der Wissenschaft" den Effekt.
Der Hammer: Wird der Frisbee kopfüber geworfen, reißt die Strömung an der Griffkante ab. Statt Auftrieb entsteht ein "Totwasser"- ein Bereich ungeordneter Strömung. Ist der Vorwärtsimpuls der kopfüber fliegenden Scheibe aufgebraucht, fällt sie wie ein Stein zu Boden. Ein solcher Wurf ist schwer zu fangen; in Fachkreisen nennt man ihn "Hammer".
Feine Luftwirbel werden auch durch die Furchen auf der Frisbee-Oberfläche erzeugt. Denn eine turbulente Strömung hat zwar einen höheren Luftwiderstand und erfordert etwas mehr Antrieb (also mehr "Kraft" des Werfers), hat aber den Vorteil, dass sie nicht so leicht abreißt wie eine Strömung ohne Verwirbelungen (laminare Strömung).
Die Rotation hält das Frisbee stabil - ohne die Drehbewegung, die der Spieler der Scheibe gibt, würde diese wie welkes Laub durch die Luft flattern und zu Boden fallen. Grund: Die aerodynamischen Kräfte greifen nicht genau in der Mitte an. Durch die Rotation entsteht ein sogenanntes Kreiselmoment, das - wie beim namensgebenden Spielzeug - die Drehachse stabilisiert. Je größer die auf dem Umfang befindliche Masse eines Kreisels, desto mehr Drehmoment kann ein Werfer übertragen, deshalb sind die Ränder von Frisbees dicker. lex
"Dieser Ausruf wurde nur phonetisch weitergegeben, daher entstanden mehrere Schreibweisen", vermutet Victor Malafronte, der die Geschichte der Wurfscheibe in seinem 1998 erschienenen Buch "Complete Book of Frisbee" untersucht hat. Vor dem handelsrechtlichen Eintrag als Markenzeichen "Frisbee" in den 1950er Jahren kursierten so auch die Schreibweisen "Frisbie", "Frizby", "Phrisbie", oder "Frisbey".
1946 konstruierte der ehemalige Air Force-Pilot Walter Fredrick Morrison (1920-2010) unter dem Namen "Whirlo-Way" eine erste fliegende Disc. Die Idee dazu sei ihm gekommen, als er seiner Freundin den Deckel einer Popcorndose zuwarf. Später versuchte er es nach historischem Vorbild mit runden Kuchenblechen.
1948 entwickelte der Bastler ein Plastikmodell der Scheibe. 1955, als das Ufo-Fieber grassierte, nannte er eine verbesserte Version "Fliegende Untertasse". Dieser "Pluto Platter" wurde zum Archetyp aller modernen Flugscheiben, die Firma Wham-O begann im Januar 1957 schließlich mit der Massenproduktion.
Das scheibenförmige Sport- und Freizeitgerät besteht heute meist aus Kunststoff, hat einen Durchmesser von 20 bis 25 Zentimetern und wird durch Auftrieb und Kreiselbewegung in der Luft gehalten (siehe Hintergrund). Es gibt drei Wurftechniken, den Rückhandwurf, den Dreifingerwurf und den Overhead. Beim Fangen müssen Fluggeschwindigkeit und -bahn abgeschätzt werden, zuzupacken gilt es entweder als Sandwich (Hand von oben und unten) oder auch mit beiden Händen gleichzeitig. Könner schaffen es einhändig.
Die Wham-O-Gründer Richard Knerr und Arthur Melin realisierten schon bald das Vermarktungspotenzial von Morrisons Erfindung. Der hatte die Flugeigenschaften der Scheibe stabilisiert und Riefen im äußeren Drittel auf der Oberseite hinzugefügt.
Trotzdem war der Tüftler über den Erfolg der Plastikscheibe verwundert: "Ich habe nichts zur aeronautischen Wissenschaft beigetragen, indem ich einem Kuchenblech eine Wölbung verpasst habe", kommentierte er lakonisch seine Erfindung. Zudem hielt er die Bezeichnung "Frisbee", die Knerr auf der Verpackung hinzugesetzt hatte, für unbrauchbar. Morrison hatte selbst nie ein Patent inne, wurde aber von Wham-O am Verkauf beteiligt.
Der Spielzeugproduzent hatte noch andere erfolgreiche Entwicklungen wie den Super Ball im Programm. Der bei uns als "Flummi" bekannte Gummihüpfer zeichnete sich durch geringe Elastizität und hohe Sprungkraft aus. Vor allem aber der Hula-Hoop-Reifen avancierte 1958 zu einem absoluten Renner.
"Hula" stand für den hawaiischen Tanz und "Hoop" bedeutet im Englischen "Reifen". Millionen sportbegeisterter Fans ließen den hohlen Plastikreifen aus leichtem und dennoch stabilem Marlex um die Hüften kreisen und machten ihn mit 100 Millionen zu einem der meistverkauften Sportgeräte aller Zeiten. Die "Los Angeles Times" schrieb damals, dass Menschen stundenlang Schlange standen, um einen der begehrten Hula-Hoops zu ergattern.
Nachdem Knerr und Melin die Welt mit mehr als 230 Produkten beglückt hatten, wurden sie des Business überdrüssig und verkauften Wham-O 1982 für zwölf Millionen Dollar an Kransko Group Companies. Nach diversen Weiterverkäufen gehört das Unternehmen seit 2009 der "Aguilar Group". Heute gibt es mindestens 60 weitere Hersteller der fliegenden Scheiben. Der Begriff Frisbee ist aber eine eingetragene Marke von Wham-O, die offizielle Bezeichnung lautet "Flying Disc".
Wham-O förderte auch den Sportgedanken. 1998 sagte Melin in einem Zeitungsinterview: "Frisbee sollte nicht nur ein Spielzeug sein, wir wollten, dass es ein Sport ist." Studenten in Maplewood, New Jersey, setzten diesen Wunsch um und "erfanden" 1967 "Ultimate Frisbee", eine Mischung aus American Football, Fußball und Basketball. Dabei treten zwei Teams mit jeweils sieben Spielern gegeneinander an. In den 1970er Jahren entstand auch das "Frisbee Golf", dabei muss die Scheibe in Metallkörben versenkt werden.
In Deutschland wurde Ultimate erstmals 1979 gespielt, 1981 fand die erste offizielle Meisterschaft in Duisburg statt. Heute gehört bei uns rund die Hälfte der 10.000 aktiven Frisbeesportler einem der etwa 130 Vereine an. Jedes Jahr werden nationale Meisterschaften ausgetragen, deutsche Nationalteams nehmen regelmäßig an offiziellen Europa- und Weltmeisterschaften teil, zudem qualifizieren sich die besten Vereine für die Teilnahmen an Klub-EM und -WM.
Neben den Teamsportarten Ultimate, Frisbee-Golf, Freestyle (mit musikalisch begleiteten, choreografierten Abläufen sowie Trickvorführungen) und Double Disc Court (in zwei Teams treten jeweils zwei Spieler mit zwei Frisbees gegeneinander an) gibt es auch Einzelwettbewerbe.
Dazu gehören Accuracy (Zielwurf), Distance (Weitwurf), MTA (Maximum Time Aloft) und TRC (Throw Run Catch). Zu den eher exotischen Disziplinen zählen Discathon (Querfeldein-Frisbee) oder Frisbee-Boccia, das sich vom traditionellen Kugelwurfspiel ableitet. Eine besondere Attraktion stellt das Zusammenspiel von Mensch und Tier im Hunde-Discsport dar.
Lange war Frisbee ein Spaß im Park oder am Strand, mittlerweile gehört das Scheibenwerfen neben Rugby und Lacrosse zu den am schnellsten wachsenden Sportarten. In den USA existiert inzwischen sogar eine Profiliga. Übrigens: Den Weltrekord im Frisbee-Weitwurf hält der Amerikaner David Wiggins mit unglaublichen 338 Metern.