Leben hinter Gittern (plus Video)
Die RNZ hat das Jugendgefängnis in Adelsheim besucht – Ein 19-jähriger Häftling berichtet über den Alltag im Knast

Von Lukas Werthenbach
Adelsheim. Es riecht nach kaltem Tabakrauch, wenn man das Hafthaus C2 der Justizvollzugsanstalt (JVA) Adelsheim betritt: In den Einzelzellen ist Rauchen erlaubt, das Nikotin hat sich längst in den Mauern festgesetzt. Zwei Stahltüren trennen den Zellentrakt vom Außengelände des zweitgrößten Jugendgefängnisses in Deutschland. Hier, umgeben von einer 5,50 Meter hohen Mauer und Zäunen, verbringen männliche Straftäter im Alter zwischen 14 und 24 Jahren ihre Haft. Die Gebäude sehen aus wie Kasernen mit doppelt vergitterten Fenstern. Neben den zehn Hafthäusern gibt es Handwerksbetriebe, Sportplätze und eine Schule mit Turnhalle. Ob Gefangener, Sozialarbeiterin oder Wärter: Alle grüßen sich freundlich, wenn man sich begegnet. Ein bisschen wirkt es wie ein Dorf. Ein streng überwachtes und abgeriegeltes Dorf, dessen Bewohner nur zu geregelten Zeiten und Zwecken vor die eigene "Haustür" dürfen. Der 19-jährige Patrick F. ist einer der Häftlinge im Haus C2. RNZ-Zeitjung hat ihn besucht.
Freunde? Lieber nicht!
"Aufstehen Männer", schallt es jeden Morgen um 6 Uhr durch die Lautsprecher. Patrick wacht in seiner sieben Quadratmeter großen Zelle auf. Wieder ein Tag weniger. Seit September 2019 sitzt er hier wegen Drogenhandels ein, am 2. August dieses Jahres kommt er raus. "Am Anfang war es sehr schlimm für mich, aus dem Fenster nur auf eine Mauer zu gucken", sagt Patrick. Von seinem Bett geht er schräg gegenüber ans Waschbecken und putzt sich die Zähne. Direkt daneben steht eine Toilette. Außerdem gibt es Tisch und Stuhl, einen Schrank sowie einen Fernseher. Ein TV-Gerät kann hier jeder gegen eine Gebühr mieten, Patrick verdient das Geld dafür im JVA-Betrieb für Metalltechnik.

Gearbeitet wird auch in einer KFZ-Werkstatt, einer Schreinerei und in vielen weiteren Betrieben, in denen die Häftlinge Ausbildungen absolvieren können. Sogar einen Gabelstapler-Führerschein kann man hier machen. Die Ausbildungen sind fachlich gleichwertig und genauso offiziell anerkannt wie die aus einem Betrieb außerhalb der Mauern. Für Patricks Haftzeit von weniger als einem Jahr lohnte sich der Start einer Ausbildung nicht; er arbeitet als Aushilfe. Und er macht bei einem Projekt mit, das die JVA zusammen mit der Bundesagentur für Arbeit anbietet: Hier werden Häftlinge auf das Berufsleben "draußen" vorbereitet.
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Um 6.20 Uhr schließt ein Beamter die Zellen auf. Im Trakt gibt es einen Freizeitraum, ein Wärter-Büro mit Glasfront und einen Duschraum. Bei "Aufschluss" können sich die Gefangenen auf ihrem Stockwerk unter Aufsicht frei bewegen. "Da kann man sich kurz mit anderen treffen", erzählt Patrick. Wobei er hier lieber sein "eigenes Ding" macht, sagt er mit gesenktem Blick. Er rät davon ab, sich im Knast mit anderen anzufreunden: "In Gruppen sind sie hier so gangstermäßig unterwegs." Ihm ist anzumerken, dass er nicht gerne über dieses Thema redet. "Ich hab’ hier schon Schläge bekommen", sagt er. "Dabei wurde mein Trommelfell verletzt." Vor seiner Zeit in C2 war er in einem "G-Haus" für "gelockerten Vollzug" (vgl. "Zahlen und Fakten"). "Da geht’s anders ab", erinnert sich Patrick. "Ich habe versucht in eine stärkere Gruppe reinzukommen, aber das war halt ein Fehler", meint er heute. "Ein Schwächerer wird dann schon mal von anderen gezwungen, ihre Zelle zu putzen. Oder man soll ihnen ein Lied vorsingen", berichtet er. Seit er das Hafthaus gewechselt habe, komme er aber besser zurecht.
"Arbeiter abrücken" heißt die Lautsprecher-Ansage um 6.45 Uhr. Für Patrick beginnt die Arbeit im Metalltechnik-Betrieb. Dabei lernt er etwa den Umgang mit Standbohr-, Dreh- und Fräsmaschine. Gegen 9 Uhr gibt es Frühstück im Pausenraum: ebenso wie beim Abendessen in der Zelle meistens Brot mit Aufschnitt, dazu Wasser oder Tee. Mittagspause ist um 11.20 Uhr. Jetzt müssen alle Arbeiter ihre Werkzeuge abgeben. Patrick: "Der Chef sucht uns mit Metalldetektor ab, damit wir keine Schrauben oder so einstecken."
Tabak, Kaffee und "Yufka"
Während der einstündigen Pause ist "Einschluss", Mittagessen gibt es in der Zelle. Ein Gericht ist unter den Häftlingen besonders beliebt: "Wir nennen es ,Yufka’, aber es ist eigentlich nur ein Wrap mit Salat und Hackfleisch", schmunzelt Patrick. Nach dem Essen heißt es wieder "abrücken" und arbeiten bis 15 Uhr: Feierabend. "Dann geht alles wieder von vorne los: Metalldetektor und rein in die Zelle."
Bis 17 Uhr ist Patrick wieder eingeschlossen. Dann kann er für eine Stunde zum "Hofgang", natürlich unter Aufsicht. "In dem eingezäunten Hof sind Bänke, Klimmzugstangen und ein Tischkicker", erklärt er. "Freizeit auf dem Stockwerk" ist alle zwei Tage ab 18.30 Uhr für knapp anderthalb Stunden angesagt. Dabei sind noch mal die Zellen offen. "In der Zeit können wir Tischkicker und Billard im Freizeitraum spielen." In einer Küche bereiten sich die Gefangenen gerne eine weitere Mahlzeit zu. "Alle zwei Wochen können wir uns von einer Einkaufsliste aussuchen, was wir freitags geliefert haben wollen", schildert Patrick. Ein kleines Highlight im Knast-Alltag. Bezahlt wird mit dem Arbeitslohn. Tabak und Kaffee stehen hier besonders hoch im Kurs.
Um 20 Uhr geht es wieder in die Zelle – bis zum nächsten Morgen. Wochenenden hier seien "schlimm", sagt der 19-Jährige. "Man freut sich schon fast auf montags." Denn auch am Wochenende gelten die strengen Regeln für Hofgang und Freizeit, die meiste Zeit verbringt man in der Zelle.
Der Blick in die Zukunft gibt Patrick Kraft: "Wenn ich draußen bin, will ich als Allererstes meine kleine Tochter in den Arm nehmen", sagt er. Zuletzt habe er sie vor seiner Verhaftung gesehen. "Und Klamotten kaufen", fügt er an. Sein zweites großes Ziel in Freiheit: eine Ausbildung in der Metallbranche beginnen...