So lebten Frauen in dem Jahrzehnt
Die Bilder des Fotografen Fritz Hartschuh geben hierauf eine Antwort. Zu sehen sind sie im Kurpfälzischen Museum.

Von Ingeborg Salomon
Heidelberg. Ein Bild sagt mehr als 1000 Worte. Dass der Spruch abgegriffen ist, ändert nichts an seiner Richtigkeit – und für Fotografien gilt er ganz besonders. Im Kurpfälzischen Museum können sich Besucher jetzt auf eine Zeitreise in das Heidelberg der 1950er Jahre begeben. Gezeigt werden rund 100 Aufnahmen, die Fritz Hartschuh, damaliger Anzeigenchef und Leiter der Technik der Rhein-Neckar-Zeitung, in seiner Heimatstadt gemacht hat.
Wir haben uns die eindrucksvollen Bilder unter weiblichem Aspekt angeschaut. Wie haben unsere Vorgängerinnen gelebt, als die Amerikaner Besatzungsmacht waren und das Wirtschaftswunder voll in Fahrt kam?
Dass die Frauen kräftig dabei waren, sich jenseits von "Kinder, Küche, Kirche" am politischen und gesellschaftlichen Leben zu beteiligen, macht besonders ein Foto aus dem Juli 1952 deutlich: Die "Interessengemeinschaft der Besatzungsbetroffenen Heidelbergs" demonstriert für die Rückgabe der von der US-Armee beschlagnahmten Wohnungen.
Der Protestzug vor dem US-Hauptquartier in der Südstadt besteht zum überwiegenden Teil aus Frauen. Alle sind adrett gekleidet, schwingen großformatige Handtaschen, einige haben ein Hütchen auf. Der Aktentaschenträger an ihrer Seite schaut recht skeptisch – so viel Frauenpower ist ihm offenbar unangenehm, er bleibt auch räumlich auf Distanz.
Auch interessant
Bei der Kundgebung der Gewerkschaften zum 1. Mai 1951 auf dem Universitätsplatz sind die Reihen dicht geschlossen. Ganz überwiegend von (gut behüteten) Männern, denn die stehen voll im Berufsleben und arbeiten meist an sechs Tagen in der Woche acht Stunden. Frauen durften ohne Erlaubnis ihres Gatten gar nicht berufstätig sein, und wenn, dann gerne als Verkäuferin, etwa bei Feinkost Goedecke.
Auch in Heidelberg hatte das Unternehmen mehrere Filialen. Die fünf Mitarbeiterinnen, die im weißen Kittel vor Hartschuhs Kamera bei einem "Hausfrauenabend" in der Stadthalle posieren, prosten dem Publikum fröhlich zu und zeigen demonstrativ Corporate Identity. Vielleicht haben sie auch schon einen kleinen Schwips?
Die Emanzipation entwickelt sich also, aber sie kommt nur langsam voran. Das beweist ein 1951 aufgenommenes Foto der Rhein-Neckar-Odenwald-Orientierungsfahrt, die der ADAC ausgelobt hatte. Erstmals sind auch Frauen zugelassen; die vier Teilnehmerinnen, betitelt als "Rennamazonen", sitzen vergnügt auf ihren Motorrädern und scherzen mit dem männlichen Publikum. Geht doch! Aber dieses toughe Quartett ist die Ausnahme.
Die meisten von Hartschuhs Fotografien zeigen weibliche Wesen in wadenlangen Kleidern und Mänteln, mit praktischen Halbschuhen oder fein herausgeputzt für einen sonntäglichen Spaziergang entlang des Neckars und auf der Hauptstraße beim Schaufensterbummel. Da haben auch die GIs frei und verfolgen die Flaneurinnen sichtlich interessiert.
Die deutsch-amerikanische Freundschaft blüht auf, die ersten "brown babies" erreichen das Schulalter. Als das anrührende Melodram "Toxi" 1952 im Schloss-Filmtheater uraufgeführt wird, sind alle Augen auf Kinderstar Elfie Fiegert gerichtet. Der Film hat ein Happy End, im Gegensatz zum realen Leben dieses Besatzungskindes: Der Vater wurde nach Korea abkommandiert, die Mutter überließ den unerwünschten Nachwuchs dem Kinderheim. Auch diese Aspekte macht die Ausstellung deutlich.
Info: Die Bilder sind bis 28. Januar 2024 zu sehen. Öffnungszeiten und Führungen unter www.museum-heidelberg.de. Am Mittwoch, 25. Oktober, um 12.15 Uhr führt Eva Wick zum Thema "Frauensache".