Das Jahrzehnt in der RNZ
Es gibt Schlagzeilen, die fallen auch Jahrzehnte nach ihrer Veröffentlichung noch ins Auge. Ein Kurzüberblick.

Von Klaus Welzel
Heidelberg. Es gibt Schlagzeilen, die fallen auch Jahrzehnte nach ihrer Veröffentlichung noch ins Auge: "Stalins Zustand hoffnungslos", titelt die Rhein-Neckar-Zeitung am 6. März 1953. Hoffnungslos? Vielleicht für den sowjetischen Diktator persönlich, der im Übrigen bereits einen Tag zuvor, also am 5. März, verstorben war.
Die Hoffnung ist also längst der Gewissheit gewichen. Und die Welt hat wenig Grund, dem Verantwortlichen für den Tod von vielen Millionen Menschen nachzutrauern. Der Tod Stalins ist – im Gegenteil – ein Hoffnungsschimmer, was sein Nachfolger Nikita Chrustschow drei Jahre später auf dem Parteitag der KPDSU auch so benennt.
Zu Stalin-Opfern zählen auch zahlreiche Vertriebene, die sich im Mai 1954 in Heidelberg zum "Heimatfest" treffen. Sechs Grußworte stehen in der RNZ auf S. 5 – darunter die von Konrad Adenauer und Erich Ollenhauer, dem SPD-Chef. Auch der Ungarn-Aufstand 1956 findet auf die RNZ-Titelseite. Am 6. November meldet diese Zeitung "In Ungarn wird immer noch gekämpft", die sowjetischen Panzer walzen die Demokratiebewegung ohne Rücksicht nieder.
Nicht Stalins Werk, sondern das seines Nachfolgers. Weshalb RNZ-Verleger Dr. Hermann Knorr passend fragt: "Ist Chrustschow Stalin II?". Zeitgleich bombardieren England und Frankreich Ägypten. Moskau schlägt eine sowjetisch-amerikanische Flotte vor, um das Blutvergießen zu beenden. Und in London gehen die Menschen auf die Straße – ungewohnte Allianzen.
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Man merkt schnell beim Durchblättern dieses RNZ-Jahrzehnts, dass der Kalte Krieg alle wesentlichen Debatten prägt. Die Lage bleibt kompliziert. Der "Sputnik-Schock" ("Sowjetische Mondrakete gestartet") geht mit einem weiteren einher: "Kommunisten in Nahost offensiv" (gemeint ist der Irak). Beide Schlagzeilen stehen auf dem Titel der Zeitung vom 3. Januar 1959.
Die Themen von vor 70 Jahren sind den heutigen gar nicht so unähnlich. Denn einen Monat später wird der Europäische Zionistische Kongress in Amsterdam die Befürchtung formulieren, "dass das Judentum in Europa keine Zukunft mehr hat". Geplant werde die "Umsiedlung aller zionistischen Restgemeinden Europas nach Israel".
Ansonsten technischer Fortschritt: Die Zeitung öffnet ihre Titelseite im Laufe des Jahrzehnt für die ersten Fotos. Auch ein Inhaltsverzeichnis findet zumindest an Wochenenden ganz vorne links seinen Platz und der Wetterbericht hält Einzug ("Tropenhitze zu Ende" – Überschrift am 10. Juli 1952). Als "König Georg VI. verstorben" ist (Ausgabe vom 7. Februar 1952), prangt neben dem Konterfei des Monarchen das Foto einer jungen, selbstbewusst dreinblickenden, hübschen Frau – das von Georgs Tochter Elisabeth. Es ist der Tag als die "Bonner Polizei vorbaut", weil die Wehrdebatte ansteht. "Die ersten Soldaten in Uniform" gibt es am 14. November 1955.
Das Jahrzehnt endet mit großer Zuversicht. Karikaturist Horst Busse freut sich auf den "Gipfel 1960", den er mit einer Arche illustriert, auf der sich Adenauer, Mao und weitere Staatenlenker freuen: "Nach der Sintflut des Kalten Krieges: LAND!". Eine Grafik auf Seite 2 bestätigt diese Sichtweise: Das Institut für Demoskopie hat errechnet, dass sich 65 Prozent aller Deutschen auf die 60-er freuen. Was für eine Zuversicht!