Der erste Maybach wurde vor 100 Jahren präsentiert
Einen solchen Wagen zu lenken, ist nicht ganz einfach, gilt aber noch heute als höchster Fahrgenuss.

Von Rolf Kienle
Reichartshausen/Berlin. Da kommt einiges zusammen: Die Wucht und Schönheit, natürlich die Exklusivität, die 100-jährige Geschichte dieses Fahrzeugs, die Person des Autobauers Wilhelm Maybach, den man "König der Konstrukteure" nannte, sowie die seines Sohnes Karl, deren Besessenheit und Genialität, ein Auto zu bauen, das man heute noch fahren kann – das ist es, was Hans-Jürgen Zapf aus Reichartshausen fasziniert. Er spricht vom "Mythos Maybach", von einer Legende. Wilhelm Maybach stellte sein erstes Auto, den W3, im September 1921 bei einer Automobilausstellung in Berlin vor.
Ein Maybach wurde schon 1921 weder für die Ewigkeit gebaut noch für jedermann. Wer einen solchen Wagen fahren wollte, der musste vermögend sein, sehr vermögend. Und innerhalb von ein paar Wochen war das Auto schon gar nicht zu bekommen: Man bestellte das Chassis bei dem einen Hersteller, die maßgeschneiderte Karosserie beim anderen. So wurden in 20 Jahren Firmengeschichte nur gut 2000 Fahrzeuge gebaut. Von denen heute immerhin noch 160 existieren, obgleich nicht mehr alle fahrbereit sind.

Einen Maybach zu fahren, das ist purer Genuss, ein kleines Fest für die Sinne, sagen jene, die es genießen können. Gerda Tschira zum Beispiel. Ihr Maybach SW 38 steht zwar die meiste Zeit des Jahres im Carl-Bosch-Museum am Schloss-Wolfsbrunnenweg, weil der Nobelpreisträger und BASF-Vorstandsvorsitzende ebenfalls einen Maybach fuhr. Aber ab und zu braucht auch der SW 38 "Auslauf". Wenn Gerda Tschira sich zur Ausfahrt mit dem 2,4 Tonnen schweren Oldtimer entschließt, dann ist sie in einer anderen Welt, einer automobilen Welt. Überhaupt: Sie fährt gern Auto, vor allem ihren Maybach, was nicht heißt, dass das Fahren eines SW 38, Baujahr 1936, ein reines Kinderspiel wäre. Etwas Kraft muss man schon mitbringen, die Servolenkung war schließlich noch nicht erfunden. Fahrer oder Fahrerin sollten deshalb gut in Form sein.
Karl Haitz, Chauffeur bei Geheimrat Bosch, war es. Als Haitz das Fahrzeug übernahm, gab es erst mal acht Tage Technik-Schulung in Friedrichshafen am Bodensee. Ein dichtes Werkstättennetz wie heute existierte nicht, der Fahrer musste allerhand selbst machen können, bis hin zum Austausch der Steckachsen. Aber gefahren sei der Maybach – damals hatte Bosch einen Typ Zeppelin, acht Liter Hubraum, zwölf Zylinder, 200 PS – wie ein D-Zug, erinnerte sich Karl Haitz 87-jährig in den 1990er-Jahren in der RNZ. Bis nach Sizilien chauffierte er einmal einen Sechszylinder-Maybach, 700 Kilometer davon auf Schotterstraßen. "Ohne Probleme."
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Gerda Tschira lässt sich heute bei ihren Ausfahrten gern von Jörg Holzwarth vom Sinsheimer Technik Museum begleiten, gewissermaßen für alle Fälle. 80 bis 100 km/h fährt sie dann, mehr muss es nicht sein, obwohl der Maybach bereits in den 30er-Jahren ohne Mühe auf 140 km/h kam. Zum Vergleich: Der VW Käfer der 60er-Jahre wäre da hoffnungslos überfordert gewesen.

Einen Maybach zu bauen, war nie ganz einfach. Oldtimer-Sammler Hans-Jürgen Zapf weiß alles darüber: "Zunächst wurde ein Holzskelett auf den Rahmen aufgesetzt. Auf die Hölzer kam die Beplankung mit Blechen, die von Hand in Form gebracht und an die Holzteile genagelt wurden. Sattler und Polsterer ergänzten die Innenausstattung und das Verdeck." Die Lackierung der häufig zweifarbigen Karosserien war ein durchweg aufwendiger Arbeitsschritt. "Hierzu wurden mehrere Arbeitsdurchgänge erforderlich. Die Mitarbeiter waren langjährig ausgebildete Fachkräfte und Könner ihres Fachs." Diese Art des Karosseriebaus entstammte eigentlich dem traditionellen Kutschenbau. Viele Betriebe stellten zuvor Wagen und Kutschen für Pferdefuhrwerke her und konnten ihre Erfahrungen auf den Karosseriebau von Automobilen übertragen.
Die Begeisterung des Reichartshausener Unternehmers Hans-Jürgen Zapf für die alten Maybach-Wagen hat neben der Empathie auch einen ganz nüchternen Grund: "Zu ihrer Zeit waren Maybach-Wagen exklusiv, fortschrittlich, leistungsstark, hochwertig, individuell, hatten überdurchschnittliche Fahrleistungen und ein besonderes Image." Und einen entsprechend hohen Preis. Als ein Arbeiter eine Reichsmark Stundenlohn bekam, lag der Neupreis für einen Maybach Zeppelin bei 25.000 Reichsmark – Gegenwert von mehreren Einfamilienhäusern.
Einer, der mit einem Maybach gewissermaßen aufgewachsen ist und eine besondere Beziehung dazu hat, ist Hermann Layher, Chef der Technik Museen Sinsheim Speyer. Schon sein Vater war ein leidenschaftlicher Freund guter alter Technik und fuhr einen Zeppelin. Das war der Maybach-Typ, den auch Carl Bosch besaß: groß, schwer und leistungsstark. Heute ist im Technik Museum Sinsheim mit elf Fahrzeugen eine der größten Maybach-Ausstellungen zu sehen. Darunter eine Rarität wie "die Bandsäge": ein Luxuswagen, der nach dem Zweiten Weltkrieg zum Handwerkerfahrzeug wurde. Er bekam eine Ladefläche und eine Säge. Damit fuhr Georg Ewald im hessischen Trebur zu den Haushalten, um Holz zu zersägen. Irgendwann bot er es schließlich Hermann Layher an, unter der Maßgabe, dass es im Originalzustand erhalten werden müsse. So steht es heute im Technikmuseum: kein bisschen edel, aber originell.