Schlossfestspiele Heidelberg

"Heidi" bringt Alpenflair in den Englischen Bau

Karin Eppler inszeniert Johanna Spyris Geschichte - Viel Liebe zum Detail

11.06.2018 UPDATE: 12.06.2018 06:00 Uhr 2 Minuten, 16 Sekunden

Von Ingeborg Salomon

Heidelberg. So ein Gewitter in den Schweizer Alpen ist kein Spaß, da klingt der Donner durch den lautstarken Echohall noch bedrohlicher als über der Heidelberger Schlossruine. Doch zum Glück kam das Donnergrollen am Sonntagnachmittag bei der Uraufführungspremiere von "Heidi" nur aus einem Lautsprecher, der zudem als gemütlicher Kachelofen und später als Frankfurter Bahnhofsuhr phantasievoll verkleidet war. Der Regen war um 17 Uhr auch schon durch, sodass sich die Gäste über 80 Minuten ungetrübten Sommerspaß freuen durften.

Regisseurin Karin Eppler hat Johanna Spyris Geschichte vom Waisenmädchen Heidi, das ziemlich abrupt in die Schweizer Berge zu ihrem Großvater, dem Alm-Öhi, verfrachtet wird und dann zurück nach Frankfurt ins noble Haus der Familie Sesemann, mit viel Liebe zum Detail inszeniert.

Sie beweist, dass der 1880 geschriebene Roman und seine Fortsetzung "Heidi kann brauchen, was es gelernt hat" kaum etwas an Aktualität eingebüßt haben. Themen wie Schulfrust und Heimweh sind generationenübergreifend aktuell.

Laila Richter verkörpert die Titelrolle der freiheitsliebenden Heidi mit viel Temperament und Körpereinsatz. Sie erklettert die Boulderwand (pardon: die Alpen) ebenso leichtfüßig wie ihren Schlafplatz auf dem Heuschober.

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Größer könnte der Kontrast zur wohlbehüteten Kaufmannstocher Klara kaum sein. Lea Wittig entwickelt die Rolle des gelähmten Mädchens, das sich dank Heidis Hilfe von ihren seelischen und körperlichen Fesseln befreit, so glaubhaft, dass nur ganz kritische Geister ihre Wunderheilung zum Schluss bezweifeln.

"Echt jetzt?" staunte ein kleiner Besucher, als Klara zum Schluss sogar gehen kann. Außerdem verkörpert Lea Wittig noch die Rollen von Tante Dete und von Brigitte, der Mutter des Geißenpeters. Marcel Schubbe hat hier den wohl größten Spagat zu leisten, denn neben dem immer hungrigen Analphabeten Peter, spielt er auch Klaras Erzieherin, das stets auf gute Sitten und deshalb ständig pikierte Fräulein Rottenmeier.

Die bremst Heidis Bewegungsdrang und ihre unverkrampfte Art, auf Menschen zuzugehen, kräftig aus. Marcel Schubbe bei diesem Rollenwechsel zuzusehen, ist ein großes Vergnügen.

Dass niemand den Alm-Öhi besser spielen könnte als Jugendtheater-Urgestein Massoud Baygan, versteht sich fast von selbst. Mit Rauschebart, rotem Trachtenjanker und viel Herz ist er der Traum eines Opas, auch wenn er sich an seine so unvermittelt auf die Alm geschneite Enkelin erst gewöhnen muss. Silvia Rhode und Stefan Wunder komplettieren die Besetzungsliste und zeigen in jeweils drei Nebenrollen ebenfalls eine bemerkenswerte Wandlungsfähigkeit.

Dass der Englische Bau zwar eine Traumkulisse, wegen seiner ziemlich langen, aber wenig tiefen Bühne kein einfacher Spielort für die Schlossfestspiele ist, haben hier schon viele Inszenierungen bewiesen. Bühnenbildner Philipp Kiefer holt die Schweizer Alpen durch einen Heustadel und eine Kletterwand auf die Bühne, dazu plätschert ein Brunnen.

Ebenso liebevoll hat Kiefer die Kostüme gestaltet. Er steckt Fräulein Rottenmeier in ein hochgeschlossenes schwarzes und Klara in ein weißes Rüschenkleid mit vielen Spitzen. Heidi lässt er von weißen Spitzensöckchen in blauen Sandalen zu schweren Bergschuhen wechseln.

Pfiffig ist auch die lautmalerische Ausgestaltung des Stücks: Da schnaubt die Lokomotive, das Murmeltier pfeift (und grüßt als entzückende Handpuppe), die Geißen meckern, der Hahn kräht, die Katze maunzt, dass es Stadtkindern ganz warm ums Herz wird. Nur Heidis Schlafwandeln ist wahrscheinlich ein bisschen erklärungsbedürftig.

Mit ihrem somnambulen Ausflug ertrotzt sich das Naturkind die Rückkehr auf ihre geliebte Alm und bringt dort dem Geißenpeter das Alphabet bei - mit Bildkärtchen und Körpereinsatz, wie es die Pädagogik für Erstklässler des 21. Jahrhunderts vorsieht.

Herzlicher Applaus belohnte alle Schauspieler und Regisseurin Karin Eppler für eine großartige Ensembleleistung.

Info: "Heidi" wird bis 13. Juli fast täglich gespielt, alle Termine und Karten unter www.theaterheidelberg.de

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