Zwischen Resignation und Widerstand
Das 72. Internationale Filmfestival widmet seine Retrospektive dem Method Acting und zeigt dabei Glanzauftritte von Sally Field bis Marlon Brando.

Von Wolfgang Nierlin
Heidelberg/Mannheim. Die Retrospektive des 72. Internationalen Filmfestivals Mannheim-Heidelberg beschäftigt sich mit dem Method Acting. Zwölf Filme, die zwischen 1947 und 1980 entstanden, ermöglichen den Blick auf eine ebenso psychisch wie physisch verankerte Schauspieltechnik, die seit ihrer Entstehung in den 1920er-Jahren Einfluss auf das Film- und Theaterschauspiel ausübt und zahlreiche Schauspielerpersönlichkeiten geprägt hat.
Beeinflusst von den Lehren des russischen Theatermachers Konstantin Stanislawski entwickelten unter anderen Lee Strasberg und Stella Adler in den USA eine Methode, die die Schauspieler zu einer möglichst realistischen Darstellung führen sollen. In dem 1947 von Elia Kazan und Kollegen gegründeten Actors Studio von New York, das zum Anziehungspunkt vieler junger Talente wurde, fokussierte der Unterricht vor allem auf die Arbeit mit Erinnerungen und Entspannungstechniken, um durch inneres Erleben eine Identifikation mit der Rolle zu ermöglichen.
Dieser Versuch einer möglichst wahrhaftigen Darstellung ging einher mit einem Interesse für soziale Wirklichkeiten und Milieus sowie deren politischen Implikationen. Elia Kazans "On the Waterfront" ("Die Faust im Nacken", 1954) mit Marlon Brando als zwiegespaltenem, kämpferischem Hafenarbeiter ist dafür ebenso ein Beispiel wie George Stevens "A Place in the Sun" ("Ein Platz an der Sonne", 1951), in dem Montgomery Clift einen ehrgeizigen gesellschaftlichen Aufsteiger verkörpert. Aber auch die Boxerfilme "Body and Soul" ("Jagd nach Millionen", 1947) von Robert Rossen sowie "Raging Bull" ("Wie ein wilder Stier", 1980) von Martin Scorsese, die das Programm der Retrospektive zeitlich und thematisch rahmen, richten das Augenmerk auf die sozialen Zusammenhänge beim Aufstieg und Fall ihrer Helden.
Drei Filme des von Hannes Brühwiler sorgsam kuratierten und motivisch beziehungsreich verflochtenen Programms widmen sich schon in ihren Titeln prägnanten Frauenfiguren. Die Spannweite der Gefühlslagen reicht dabei von politischem Engagement bis zu Resignation. So kämpft etwa die von Sally Field großartig verkörperte Arbeiterin einer Baumwollspinnerei, die außerdem alleinerziehende Mutter von zwei Kindern ist, in Martin Ritts "Norma Rae" ("Norma Rae – Eine Frau steht ihren Mann", 1979) für gerechtere Arbeitsbedingungen. Paul Newmann wiederum inszeniert in seinem Regiedebüt "Rachel, Rachel" ("Die Liebe eines Sommers", 1968) seine Frau Joanne Woodward als eine Dorfschullehrerin, die sich zwischen Traumata und provinzieller Mentalität nur mühsam von ihrem Elternhaus lösen kann.
Auch interessant
Dagegen ist Wanda aus Barbara Lodens gleichnamigem Independentfilm von 1970 eine verlorene Drifterin. Von der Regisseurin (die mit Elia Kazan verheiratet war) selbst gespielt, lässt die junge Mutter Mann und Kinder zurück, um sich ziellos treiben zu lassen. In Begegnungen mit Männern, die sie schlecht behandeln, bleibt sie unentschlossen und teilnahmslos. Wanda ist schwer zu fassen in ihrer Apathie und scheinbaren Naivität, bleibt vielleicht unerreichbar und ist doch in der Tristesse einer unwirtlichen Bergbauregion verhaftet. Ihr teilnahmsloses Wesen offenbart keinerlei Gegenwehr. Einmal sagt sie ganz lapidar: "Ich bin eben nicht gut." Wanda ist eine unbequeme, nur schwer zu verstehende Figur.
Info: Die Filme der Retrospektive sind bis 26. November zu sehen, Programmdetails unter: www.iffmh.de