23. Heidelberger Frühling

Fragend in die Zukunft

Beim Festival Heidelberger Frühling werden in diesem Jahr die großen Themen der Menschheit verhandelt – unter anderem mit einem gewagten Musiktheaterprojekt.

07.03.2019 UPDATE: 14.03.2019 06:00 Uhr 2 Minuten, 17 Sekunden
Das multimediale Musiktheater „Castor&&Pollux“ wird die Aula der Alten Universität in einen besonderen Konzertsaal verwandeln. Foto: rnz​

Von Jesper Klein

Wie wollen wir leben? Mit dieser wegweisenden Frage richtet der Heidelberger Frühling seinen Blick in diesem Jahr in die Zukunft. In der 23. Saison des Musikfestivals möchte der Intendant Thorsten Schmidt nicht weniger als die großen Fragen der Menschheit im Diskurs verhandelt wissen. Mit dem Festivalmotto wird die vor zwei Jahren begonnene Trilogie zu Motiven der Aufklärung zum Ende geführt. Dabei gilt: Antworten? Weniger wichtig. Fragen stellen! Das sei die Grundaufgabe eines Festivals. Fragen stellen in einer Zeit von technologischen Neuerungen und gesellschaftlichen Veränderungen.

Allen voran zeigt sich dies im multimedialen Musiktheater "Castor&&Pollux", das am 2. April Premiere feiert - es ist die größte Eigenproduktion des Festivals seit seiner Gründung im Jahr 1997. In der Alten Aula der Universität trifft der antike Mythos auf futuristische Utopien des Transhumanismus. Ist der Mensch dank des technologischen Fortschrittes bald unsterblich? Barockmusik aus Jean-Philippe Rameaus gleichnamiger Oper wird mit elektronischen Klängen kombiniert. Dazu gibt es ein 4D-Soundsystem, das tagsüber besichtigt werden kann. Als Begleitprogramm bieten die "Future talks" wissenschaftliche Unterfütterung. Das junge künstlerische Team - Jim Igor Kallenberg, Lisa Charlotte Friederich und Lukas Rehm - lernte sich im festivaleigenen "LAB" kennen, einem geschützten Raum für junge Kreativschaffende. Auf die Laborergebnisse darf man gespannt sein!

Neben dieser Insel im Festivalprogramm mit insgesamt mehr als hundert Veranstaltungen steht die Frage nach dem Leben in der Zukunft auch über dem Kammermusikfest "Standpunkte" geschrieben. Vom 4. bis 7. April werden verschiedene "Lebensentwürfe", so der Titel, mit musikalischen Mitteln skizziert. Mögliche Streitpunkte: Die Frage, wie wir in einem anderen politischen System leben würden oder die Lebensentwürfe von Extremisten und Attentätern.

Auch die Reihe "Neuland.Lied" geht der Frage nach dem zukünftigen Leben nach. Musikalisch steht sie im Zeichen des politischen Liedes mit all seinen Möglichkeiten, im Guten wie Schlechten instrumentalisiert zu werden. Im Anschluss an das Lied-Wochenende (21. bis 24. März) wird Georg Friedrich Händels Oratorium "Israel in Egypt" aufgeführt - auf der einführenden Podiumsdiskussion spricht der Ägyptologe Jan Assmann, der im vergangenen Jahr mit dem Friedenspreis des deutschen Buchhandels ausgezeichnet wurde.

Eröffnet wird das Festival am 16. März in der Stadthalle von der Deutschen Kammerphilharmonie Bremen und dem Cellisten Maximilian Hornung. In den folgenden vier Wochen bieten sich dann zahlreiche Gelegenheiten, namhafte Künstler auf der Bühne zu erleben. Unter anderem die Pianisten Khatia Buniatishvili und Yefim Bronfman, den Mandolinisten Avi Avital, aber auch Renaud Capuçon, Nils Mönkemeyer, David Fray oder Alban Gerhardt.

Ein "Frühling" ohne den Pianisten Igor Levit ist ohnehin nicht vorstellbar. Er leitet die Kammermusik-Akademie und präsentiert sich zudem solistisch am 5. April mit Ronald Stevensons Passacaglia über die Initialen Dmitri Schostakowitschs. Die Akademien - neben Kammermusik noch Lied und Musikjournalismus - sind der Ort, an dem das Publikum jungen Musikakteuren, gemeinsam mit namhaften Mentoren, beim Arbeiten zusehen kann.

Als Orchestra in Residence ist das Mahler Chamber Orchestra mehrfach zu hören, unter anderem mit den Pianisten Alexander Melnikov und Mitsuko Uchida. Weiterhin zu erleben: das New Yorker Kammerorchester The Knights und das Venice Baroque Orchestra. Auf Liebhaber kleinerer Besetzungen warten das Quatuor Debussy und das junge Quatuor Arod. Der Musikpreis wird in diesem Jahr an John Gilhooly verliehen, den Leiter der Londoner Wigmore Hall.

Wer sich von so viel Musik inspiriert fühlt, hat am 30. März bei "HDsingt!" die Gelegenheit, selbst aktiv zu werden. Und wenn das Festival am 14. April mit den Münchner Philharmonikern unter Valery Gergiev zu Ende geht, scheint zumindest eines sicher: Die Frage, wie wir in der Zukunft leben wollen, ist dann bestimmt noch nicht abschließend beantwortet.

Info: 23. Internationales Musikfestival Heidelberger Frühling, 16. März bis 14. April. Karten gibt es beim RNZ-Ticketservice; Programm und weitere Infos unter www.heidelberger-fruehling.de.