Yama Rahimi: Identity, 2015. Foto: Chlumsky
Von Milan Chlumsky
Walldorf. Es muss für einen Fotodesign-Studenten an der Hochschule für Gestaltung (HfG) in Offenbach schwierig sein, den Lehrer mit eigenen Arbeiten zu übertrumpfen - denn der Lehrer ist Martin Liebscher. Der Fotograf hat bereits mehrmals in der Metropolregion ausgestellt, vor allem in den Kunstvereinen von Ludwigshafen, Speyer und Mannheim die Zuschauer verzaubert. Liebscher versteht sich so meisterlich auf das Klonen seiner Person in verschiedensten Rollen, dass es sein mit 37 Metern "längstes Bild mit einer Person" ins Guinnessbuch der Rekorde schaffte.
Auch jetzt, bei der Präsentation der Studenten seiner Klasse, geht er mit einem furiosen (Klon-) Bild voran: Im Steffi Graf Stadion in Berlin Grünewald hat er sich als Spieler, Referee, Balljunge und 7000. Zuschauer jeweils in neuer Pose dargestellt. Eine beinahe sisyphosähnliche zweiteilige Arbeit von 140 x 480 cm Größe, in die Martin Liebscher eine feine Parodie integrierte: Seine Frau mit dem kleinen Kind sitzt auf der Spielerbank, wo die Tennis-Asse zwischen den Spielen pausieren können. Eine schelmische Geste, bei der sich die Zuschauer mit dem Spiel amüsieren dürfen, wer als erster herausfindet, wo sich der nicht geklonte Liebscher versteckt.
Er ist ein Fotograf der hohen Perfektion, der seinen Studenten jedoch das Anrecht auf Fehler zugesteht, denn nur die Erprobung verschiedener technischer, optischer, digitaler und chemischer - einige Studenten fotografieren mit analogem Film - Elemente kann sie in ihrem Konzept weiterbringen.
Dem Humor Liebschers am nächsten kommt Robert Schiitko (Jahrgang 1987), der ein Stillleben mit Blumen arrangiert hat. Das Foto "Tulip" mit fünf Tulpen in drei Behältern auf einer getöpferten Platte ist kunstvoll auf einem Fotostativ montiert, ein Blumenstiel wird durch eine Klipphalterung (mit der man rahmenloser Bilder fixiert) im Gleichgewicht gehalten. Zu den ironischen Merkmalen dieser Arbeit gehört auch der noble dunkelgrüne Hintergrund, der die Installation klassisch aussehen lässt.
An einem ganz anderen Pol situieren sich die Arbeiten aus der Serie "Durchdringung" von Annika Grabold (Jahrgang 1995), die selbstgetöpferte Gegenstände in einem Architekturmodell so platziert und fotografiert, dass sie Räume für Kontemplation bilden. In weißen und grauen Schattierungen lässt sich beinahe die Kameratrasse verfolgen, bis man auf Gegenstände aus etwas dunklerem Grau stößt, die die Dimension des Raumes anzeigen - eine stille, in sich gekehrte Arbeit.
Der aus Afghanistan stammende Yama Rahimi (Jahrgang 1992), der in Kabul das Fach Regie an der Kunsthochschule abschloss, sieht sich konfrontiert mit der eigenen Biografie, gezeichnet von dem nicht endenwollenden Krieg. Er fotografiert sich selbst, die Augen mit schwarzer Binde verdeckt. Er liest ein Buch - oder ist es ein Dossier mit Anklageschrift? -, sodass man den Menschen dahinter nicht erkennt.
Ist es schon das Gerichtsurteil? Und sind es statt Augen zwei trichterförmige Ferngläser, um besser zu erkennen, wo sich ein Sniper versteckt? Rahimi schrieb Stücke in Kabul, arbeitete an Kunstprojekten mit, drehte Videos und Dokumentarfilme. Seine Frage nach der eigenen Identität ist mehr als berechtigt.
Fünfzehn angehende Künstler und Studenten Liebschers wurden zur SAP-Ausstellung eingeladen, weil sich ihre Arbeiten über ein breites Experimentierfeld erstrecken: von rein technischen Domänen (Dennis Hausstein mit seiner Arbeit zur Noosphäre, die sich als Sphäre des menschlichen Verstandes definieren lässt) über die Arbeiten mit Lochkameras und verschiedenen chemischen Prozessen (etwa Zyanotypien von Zoé Hopf) bis hin zu Chemographien von Tatiana Vdovenko. Sie suchen neue Ausdrucksformen in der Fotografie, in der auch Empathie und Ironie ihren Platz haben.
Info: "Martin Liebscher & Students, Fail early and often". SAP, Internationales SAP-Schulungszentrum (Gebäude 5), bis 13. September; Katalog: 15 Euro. Geöffnet: Montag bis Freitag 10 bis 18.30 Uhr.