Die idyllische Szene trügt in geschichtlich finsteren Zeiten: August Diehl (als Franz Jägerstätter) und Valerie Pachner (als seine Frau Fani). Foto: Pandora Film
Von Wolfgang Nierlin
Heidelberg. Der Traum vom Davonfliegen und vom Nest hoch droben in den Wolken wird hart kontrastiert mit Szenen aus Leni Riefenstahls Propagandafilm "Triumph des Willens". Dessen kultische Bilder werden wiederum begleitet von sakraler Musik, was ein leichtes Unbehagen auslöst. Gleich im Anschluss daran inszeniert Terrence Malick die heile Welt eines Bergdorfs im oberösterreichischen St. Radegund, wo aus einer majestätischen Naturkulisse ein schlanker Kirchturm ragt und die Menschen im Einklang mit ihrer Umwelt von der Hände Arbeit leben. Die Verklärung bäuerlicher Arbeit zum "einfachen Leben ohne Sorgen" deutet hier auf mehr als nur eine Idylle. Der Satz: "Wir lebten über den Wolken" beschwört vielmehr das Paradies auf Erden. Die reichen Gaben der Natur sind beseelt vom Göttlichen und über den erdverbundenen Körpern und ihrer kräftezehrenden Arbeit schwebt die Liebe.
Terrence Malick erzählt in seinem aktuellen Film "Ein verborgenes Leben" die wahre Geschichte des bis dato fast vergessenen Franz Jägerstätter, der von August Diehl gespielt wird. Dieser ist in der Vision des amerikanischen Regisseurs, der sich auf einen Briefwechsel Jägerstätters mit seiner Frau Fani (Valerie Pachner) bezieht, ein rechtschaffener Bauer und gläubiger Kirchendiener, dessen Ehe mit zärtlicher Liebe und drei kleinen Töchtern gesegnet ist. Weil der gottesfürchtige Mann und Menschenfreund mit dem Ausbruch des Zweiten Weltkrieges in einen Gewissenskonflikt und damit in Opposition zur Nazi-Ideologie gerät, verweigert er den Dienst an der Waffe. "Was passiert da mit unserem Land, dem Land, das wir lieben?", fragt Franz, der hinter der offiziellen Propaganda-Maske das Böse erblickt. Sein Widerstand isoliert ihn bald nicht nur innerhalb der Dorfgemeinschaft, sondern führt schließlich zu seiner Verhaftung.
Woran erkennt man das Böse, das doch auch ein Teil der Schöpfung ist? Soll man der Obrigkeit dienen, wie der Bischof meint, oder der Stimme seines Herzens folgen? Und schließlich: Darf man seine persönliche innere Wahrheit zum alleinigen Maßstab des Handelns machen, auch wenn die Nächsten darunter leiden? Franz agiert rigoros und damit gewissermaßen auch rücksichtslos – auch gegenüber seiner Familie.
Terrence Malicks gewohnt schönheitstrunkene Cinemascope-Bilder finden das Schöne selbst noch im Hässlichen, um ein verklärtes Bild des Lebens zu zeichnen und die Wahrheit eines reinen Herzens zu vermitteln. Malicks je nach Standpunkt schwer auszuhaltende Ästhetisierung beschwört den Glanz des Paradieses im Diesseits. Für die Antworten auf die Fragen des Lebens vertröstet er seinen Helden und mit ihm die Zuschauer allerdings auf das Jenseits. Das heilsame, von "gläubigem Vertrauen" geleitete Wirken unbekannter Menschen im Verborgenen, so ist Malick abschließend mit George Eliot überzeugt, mache die Welt allerdings schon heute besser.
Info: Heidelberg, Karlstorkino, 12., 20. u. 23. Februar jeweils 19.30 Uhr.