Museumsdirektorin Ortrud Westheider neben dem Gemälde «Rue Halevy Blick aus der sechsten Etage» (1878) von Gustave Caillebotte. Foto: Soeren Stache/dpa
Von Christa Hasselhorst
Auf der Liste der wichtigen Museen weltweit ist das Potsdamer Museum Barberini in die oberste Liga aufgerückt. So beschrieb es die Museumsdirektorin Ortrud Westheider bei der Vorstellung der neuen Ausstellung. Denn Hasso Plattners spektakuläre Impressionisten-Sammlung krönt jetzt sein eigenes, 2017 eröffnetes Museum. Der generöse Stifter selbst blieb zur Eröffnung – Corona-bedingt – an seinem Zweitwohnsitz in den USA. Er ließ sich von seiner Tochter, der Filmregisseurin und -Produzentin Stefanie Plattner vertreten.
Insgesamt 103 Gemälde hat der SAP-Mitbegründer, Software-Milliardär, Mäzen und passionierte Kunstsammler nun dem Museum als Dauerleihgaben aus seiner Privatsammlung übergeben. Ein Kunstwerk schöner als das andere, fast alle von Größen des Impressionismus. Im Focus stehen Landschaft und Natur in allen Schattierungen, aber auch Errungenschaften der aufkommenden Industrialisierung. Heimlicher Hauptdarsteller: das Licht in seinen faszinierenden Facetten und als atmosphärisches Phänomen.
Licht und Farbe werden sinnlich erfahrbar: Paul Signacs Gemälde „Der Hafen bei Sonnenuntergang“ aus dem Jahr 1892 (Öl auf Leinwand, 65 x 81 cm). Foto: Sammlung Hasso PlattnerZum Niederknien allein die Monets: Mit 34 Werken sind in Potsdam nun – nach Frankreich – die meisten seiner Arbeiten in Europa zu bewundern. Daneben gibt sich das Who-is-Who der Impressionisten ein ständiges Stelldichein. Auch die Werke von Gustav Caillebotte (6), Camille Pissaro (8), Paul Signac (4), Alfred Sisley (12), Auguste Renoir (7), Eugene Boudin (6), dem Lehrer Monets, und Maurice Vlaminck (9) sind in ihrer Anzahl deutschlandweit einmalig. Das erste Gemälde dieses Stils, das Plattner erstand, ist ebenfalls zu sehen, Sisleys "Mein Haus in Moret" mit lila Fliederbusch von 1891.
Alle Gemälde eint das Leitmotiv der Impressionisten, Natur mit Licht und Farbe sinnlich erfahrbar zu machen, simple Motive wie eine Blumenwiese durch Leuchtkraft vibrieren zu lassen. Jeder Pinselstrich eine Information, aber auch Emotion, die Wiedergabe des flüchtigen Eindrucks auf den Maler, des Augenblicks, der, ach, so schön ist.
Beliebter Platz für die Plein-Air-Maler ist die Seine; der Fluss fasziniert zu allen Jahres- und Tageszeiten mit ständig wechselnden, irisierenden Reflexionen des Lichts. Hafenstädte wie Le Havre und Honfleur bieten reizvolle Vorlagen, hier tauchen die Maler mit Stahlbrücken und Dampfschiffen in die Moderne ein, am radikalsten Caillebotte mit seiner "Brücke von Argenteuil".
Wie magisch Winterlandschaften auf der Leinwand wirken können, zeigt ein eigenes Kabinett, das die Farbe Weiß feiert: Sisleys "Schnee in Louveciennes" bebt durch die Vehemenz der Pinselstriche. Opulenz prägt die Motive der Künstlergärten, in denen zwei große Seerosen-Bilder Monets – reine Farbe und Fläche – den Betrachter bannen. Aber auch die Metropole Paris mit ihren belebten Boulevards ist ein beliebtes Sujet.
Beim Sammeln verließ sich Hasso Plattner statt auf Berater lieber auf sein Bauchgefühl: "Wir spüren den Wind auf der Haut und die Temperatur des Wassers, wenn wir Monets Segelbooten auf der Seine zusehen", so der leidenschaftliche Segler, "das schafft keine andere Kunst. Die Impressionisten sind Kommunikationsgenies."
Ortrud Westheider erklärte Plattners Auswahl so: "Er suchte immer Werke aus, die den Moment besonders gut erfassen." Zudem habe er auch die Wunden von zwei Diktaturen – und dadurch auseinandergerissene – Sammlungen heilen wollen, "er setzt mit diesen Bildern ein Zeichen deutsch-französischer Freundschaft". Die Sammlung konzentriert in 50 Jahren die Entwicklung des Impressionismus bis zum Übergang in den frühen Expressionismus und Fauvismus. Dieser neuen Richtung widmet sich ein eigener Raum. Die Bilder darin sprengen ihn fast mit ihren fetten Farben in dynamischen Pinselstrichen, ein einziger soghafter Rausch. Maurice de Vlamincks "Wald" (1914-18) glüht in mystischem Grün-Rot.
Apropos: Was für den Pariser Louvre die "Mona Lisa", das ist für Potsdam nun Monets legendärer "Getreideschober" von 1890. Das profane Sujet bannte Monet gleich 25 Mal auf die Leinwand, adelte es durch gleißend flirrende Illumination so, dass Plattner ihm verfiel und es 2019 für den Rekordpreis von 111 Millionen Dollar ersteigerte. Nun strahlt die Impressionismus-Ikone – mit einem weiteren Winter-Heuhaufen – im Potsdamer Barberini, beide sind die einzigen aus Monets Serie in Deutschland.
Info: Zur Ausstellung ist ein prächtiger Katalog erschienen: "Impressionsimus – Die Sammlung Hasso Plattner", Prestel-Verlag, 30 Euro. Die Werke kann man sich auch online ansehen www.museum-barberini.de