Der weise Priester Hipólito Peralta Ccama unterwegs in den Anden. Foto: Arsenal Filmverleih
Von Wolfgang Nierlin
Heidelberg. Ein Mann geht durch die majestätische Bergwelt der Anden mit ihren weiten Hochebenen und schroffen Felsformationen, mit ihren rauschenden Bächen und grünen Weiden. Er geht die Wege seiner Vorfahren und spricht aus dem Off des Films über den Weg, der von Geburt an für jeden Menschen vorherbestimmt ist. Er sagt, der Weg selbst habe Augen und leite die Schritte des Wanderers.
Der das spricht, heißt Hipólito Peralta Ccama. Als weiser Priester und spiritueller Lehrer bewahrt und vermittelt er das Wissen seiner Vorfahren. In Rodrigo Otero Herauds stimmungsvollem Filmpoem "Die Augen des Weges" (Los ojos del camino), das das Gehen als Metapher für den Lebensweg begreift, bespricht Hipólito den Stein und das Wasser und weiß sich dabei in einer tiefen Verbindung mit den Apus, den umgebenden Göttern der Bergwelt: "Wir gehen nie allein."
Die Zyklen des Lebens und die Kreisläufe der "Mutter Erde" bilden gewissermaßen eine Einheit im animistischen Denken des Priesters und seiner Vorfahren. Deshalb ist auch die Weitergabe des ererbten Wissens so wichtig. Und deshalb stellt sich Hipólito das Wirken der Götter als kreisförmig vor.
Wenn er die Fließrichtung des Wassers, die Eigenschaften von Regen und Nebel, die Wirkungen des Windes und die Weisheit der Steine beschreibt und veranschaulicht, dann geht es immer um einen Prozess des Reifens und Wachsens. Dieser mündet in der Ernte, der Stärkung und zugleich einem Neubeginn. Im Grunde vermittelt dieses andine Wissen eine Praxis ökologischer Nachhaltigkeit, die heute dringender denn je gebraucht wird.
Hipólitos Sorge, der so wichtige Traditionsfaden könnte unter den Wirkungen von Egoismus und wirtschaftlicher Habgier reißen, begleitet seine sich in konzentrischen Kreisen entfaltende Meditation (in Quechua) und hält sie zugleich in einer permanenten Spannung.
Dass die Sorge angesichts des Klimawandels mehr als berechtigt ist, bestätigen die Ethnologen Maruja Salas und Timmi Tillmann, die das ungewöhnliche, sehr persönliche Filmprojekt auf der Produktionsseite begleitet haben.
Im voll besetzten Kino Gloriette erzählen sie nicht nur von der authentischen Gefühls- und Gedankenwelt Hipólitos, der mit seiner Vermittlungsarbeit in einer priesterlichen Tradition steht. Sondern auch vom Schönheitsempfinden des Regisseurs Rodrigo Otero Heraud, der aus einer Künstlerfamilie stammt.
Über die indigene Landbevölkerung, deren Arbeit und archaisch anmutende Rituale im ruhigen Rhythmus des Films eine zentrale Rolle spielen, wissen sie zu berichten, dass trotz diverser Anfeindungen ihre Werte zwar gefestigt seien und bereits die Jugend Verantwortung für das spirituelle Leben übernehme.
Doch durch die Veränderung des Klimas und der Lebensbedingungen, die wiederum eine Landflucht zur Folge haben, sehen auch sie das bäuerliche Erbe bedroht und mahnen: "Der Wechsel in die Stadt führt zum Ende dieser Kultur."
Info: Heidelberg, Gloriette, Freitag bis Samstag und Montag bis Mittwoch, jeweils 17 Uhr.