Belletristik

Das sind die neuen Heidelberg-Romane

Vorschau auf belletristische Neuerscheinungen mit Heidelberg-Bezug im kommenden Frühjahr - Cihan Acar, Ingrid Noll, Lutz Seiler und Peter Bieri

20.01.2020 UPDATE: 21.01.2020 06:00 Uhr 3 Minuten, 51 Sekunden
Vom Heilbronn- bis zum Berlin-Roman: Die Autoren (v.l.) Cihan Acar, Ingrid Noll, Lutz Seiler sowie Peter Bieri (alias Pascal Mercier) sind mit Heidelberg verbunden und veröffentlichen in führenden deutschsprachigen Verlagen neue Bücher. Fotos (v.l.): Hanser Berlin Verlag, Arne Dedert, Uwe Anspach, Hanser Verlag

Von Heribert Vogt

Heidelberg. Eine junge, kraftvolle Stimme mischt nun nicht nur Heilbronn literarisch auf, sondern im kommenden Frühjahr auch die belletristischen Neuerscheinungen mit Heidelberg-Bezug. Denn der gebürtige Heilbronner Cihan Acar (Jahrgang 1986) studierte in Heidelberg Rechtswissenschaften. In seinem mit Spannung erwarteten Roman-Debüt "Hawaii" bietet er in zerrissener Gesellschaft einen "rauschhaften Trip" durch seine Heimatstadt. "Hawaii" meint hier nicht das Urlaubsparadies, sondern einen Problembezirk in Heilbronn, der ebenfalls so genannt wird. Dagegen setzt die Weinheimer Krimi-Queen Ingrid Noll (Jahrgang 1935) ihre lange Erfolgsserie fort. Dieses Mal mit Kurzgeschichten in dem Band "In Liebe Dein Karl". Krimineller Witz und warmherzige Lebenserfahrung kommen dabei nicht zu kurz.

Und die Heidelberger Poetikdozenten sind wieder eine sichere Bank. So legt Lutz Seiler (Jahrgang 1963), der 2015 am Neckar gastierte und zuvor für "Kruso" den Deutschen Buchpreis gewonnen hatte, den Roman "Stern 111" vor – ein Panorama der ersten Nachwendejahre in Ost und West. Und Pascal Mercier veröffentlicht schon in wenigen Tagen den Roman "Das Gewicht der Worte". Hinter dem Pseudonym Pascal Mercier verbirgt sich der Schweizer Philosoph Peter Bieri (Jahrgang 1944), der in Heidelberg studierte und lehrte, dann 2008 Poetikdozent war. Schließlich erscheint von Maxim Biller (Jahrgang 1960, Dozentur 2018) das Taschenbuch "Wer nichts glaubt, schreibt. Essays über Deutschland und die Literatur" (Reclam Verlag, 11. März).

Außerdem wirft der 250. Geburtstag des mit Heidelberg verbundenen Dichters Friedrich Hölderlin (20. März) seine Schatten voraus. Hier eine Auswahl der Neuerscheinungen:

Friedrich Hölderlin: "Sämtliche Werke und Briefe". Hrsg.: Michael Knaupp. Hanser Verlag. Drei Bände im offenen Schuber. 2840 S., 98 Euro. (Erschienen)

Friedrich Hölderlin: "Gedichte aus dem Turm". Nachwort: Karl-Heinz Ott. Hanser Verlag. 64 S., 3,50 Euro. (17. Februar)

Friedrich Hölderlin: "Bald sind wir aber Gesang". Werke und Briefe. Ausgewählt und mit einem Vorwort von Navid Kermani. C.H. Beck Verlag. 256 S., 20 Euro. (27. Januar)

Beatrix Langner: "Übermächtiges Glück". Die Liebesgeschichte von Hölderlin und Diotima. Insel Verlag. 224 S., 12 Euro. (8. März)

Peter Michalzik: "Der Dichter und der Banker. Friedrich Hölderlin, Susette und Jacob Gontard". Reclam Verlag. 160 S., 16 Euro. (11. März)

Violetta L. Waibel (Hrsg.): "‚Ein Zeichen sind wir, deutungslos‘. Hölderlin lesen, Ikkyu Sojun hören, Musik denken". Wallstein Verlag. 312 S., 29,90 Euro. (2. März)

Cihan Acars brisantes Roman-Debüt "Hawaii" ist für den 17. Februar geplant.

Es sind die heißesten Tage im Jahr, Hundstage, die angeblich schweres Unheil bringen. Kemal Arslan läuft durch Heilbronn, ein Fußballstar, der nach einem Unfall seine Karriere beenden und von vorn anfangen muss. Unbeteiligt steht er auf einer türkischen Hochzeit herum, geht in ein Striplokal und ins Wettbüro, gerät in eine Straßenschlacht zwischen Rechten und Migranten, trifft seine Exfreundin Sina und besucht seine Eltern, die, wie die meisten Türken der Stadt, in Hawaii wohnen, einem Problembezirk mit heruntergekommenen Hochhäusern und rauem Straßenleben, der nichts mit der Urlaubsinsel gemeinsam hat. Acar erzählt von zwei Tagen und drei Nächten eines jungen Mannes, in denen er alle Stadien von Illusion, Sehnsucht und Einsamkeit durchquert. Ein Buch über Heimatlose, Nachtgestalten und Romantiker, die in einem Dazwischen leben. Von Cihan Acar erschienen zuvor bereits Bücher über Hip-Hop und über den Istanbuler Fußballclub Galatasaray.

Info: Cihan Acar: "Hawaii". Roman. Verlag Hanser Berlin 2020. 256 S., 22 Euro.

Ingrid Nolls Band "In Liebe Dein Karl. Geschichten und mehr" kommt am 22. Januar heraus.

Die ganze Palette von Ingrid Noll: Geschichten über einen sehr besonderen Sankt-Martins-Tag, an dem endlich ein-mal zwischen Arm und Reich gerecht geteilt wird. Über ein tödliches Hühnerfrikassee. Einen verhängnisvollen Lottoschein. Darüber, was ein Hund im Bett alles anrichten kann. Scheinheilige Weihnachten. Wenn einer Frau buchstäblich Flügel wachsen. Hänsel und Gretel und die Tiefkühltruhe. Wie der geniale Caravaggio seine Modelle in Stimmung brachte. Aber auch Autobiographisches, so eindrücklich wie auch nachhallend: ihre Kindheit in China. Ihre frühen Idole. Ein wunderbarer Brief an ihre verstorbene Mutter; die Rolle ihres Vaters. Außerdem die Tücken des Alters. Und dann Ingrid Noll als Mutter und Schriftstellerin – das sind zwei dauerhaft konkurrierende Lebensträume. Nolls Bücher wurden in 27 Sprachen übersetzt. Zahlreiche ihrer Kriminalromane spielen in Heidelberg sowie Mannheim.

Info: Ingrid Noll: "In Liebe Dein Karl. Geschichten und mehr". Diogenes Verlag, Zürich 2020. 336 S., 24 Euro.

Lutz Seilers aktueller Roman "Stern 111" wird am 2. März auf den Markt kommen.

Zwei Tage nach dem Fall der Mauer verlassen Inge und Walter Bischoff ihr altes Leben – die Wohnung, den Garten, die Arbeit und das Land. Ihre Reise führt die Fünfzigjährigen weit hinaus: Über Notaufnahmelager und Durchgangswohnheime folgen sie einem lange gehegten Traum, von dem selbst Sohn Carl nichts weiß. Dieser verweigert das elterliche Erbe und flieht nach Berlin. Er lebt auf der Straße, bis er in eine Gruppe junger Leute aufgenommen wird, die dunkle Geschäfte, einen Guerillakampf um leer stehende Häuser und die Kellerkneipe Assel betreibt. Dort schlingert Carl durch das Chaos der Nachwendezeit, immer in der Hoffnung, Effi wiederzusehen. Lutz Seiler führt die Geschichte seines Bestsellers "Kruso" fort – zum einen in einem Roadtrip um den halben Erdball, zum anderen in einem Berlin-Roman, der die ersten Tage einer neuen Welt zeigt. Nebenbei wird die Geschichte einer Familie erzählt, die der Herbst 1989 sprengt, sodass sie neu zueinanderfinden muss.

Info: Lutz Seiler: "Stern 111". Roman. Suhrkamp Verlag, Berlin 2020. 528 S., 24 Euro.

Pascal Merciers (Peter Bieris) Roman "Das Gewicht der Worte" wird am 27. Januar veröffentlicht.

Seit seiner Kindheit ist Simon Leyland von Sprachen fasziniert. Gegen den Willen seiner Eltern wird er Übersetzer und hat das Ziel, alle Sprachen zu lernen, die rund um das Mittelmeer gesprochen werden. Von London folgt er seiner Frau Livia nach Triest, wo sie einen Verlag geerbt hat. In der Stadt großer Literaten glaubt er, den idealen Ort für seine Arbeit gefunden zu haben – bis ihn ein ärztlicher Irrtum aus der Bahn wirft. Doch dann erweist sich die vermeintliche Katastrophe als Wendepunkt, an dem er sein Leben noch einmal völlig neu einrichten kann: "Jetzt, da er wieder eine Zukunft hatte, wollte er verschwenderisch mit seiner Zeit umgehen." Wieder legt Pascal Mercier einen philosophischen Roman vor. Geboren wurde er im Jahr 1944 in Bern, er lebt in Berlin. Sein Roman "Nachtzug nach Lissabon" wurde ein Bestseller. Ausgezeichnet wurde dieser in Italien mit dem prestigeträchtigen Premio Grinzane Cavour für den besten ausländischen Roman.

Info: Pascal Mercier: "Das Gewicht der Worte". Roman. Hanser Verlag, München 2020. 576 S., 26 Euro.

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