Spuren eines Anschlags: "Fremdenfeindlichkeit" heißt diese Arbeit von Walter Stallwitz. Foto: Friederike Hentschel
Von Heide Seele
Heidelberg. Der Ausstellungstitel ist programmatisch, und der aufmerksame Betrachter mag sich mal wieder darüber wundern, wie vielfältig, originell und eigenständig ein vorgegebenes Motto ausgelegt werden kann. 15 Sinti und Roma aus ganz Europa zeigen gemeinsam mit ebenso vielen Mitgliedern des Künstlerbundes Rhein-Neckar ihre Varianten des "Frei-Seins". Keine leicht zu bewältigende Aufgabe. Von A wie Christian Adam bis W wie David Weiss und Heinrich Weiner - Letzterer hat sich um das Zustandekommen der Ausstellung sehr verdient gemacht - reicht der alphabetische Überblick, und der Reichtum an künstlerischen Positionen überrascht.
Die Gemeinschaftsschau von Künstlerbund und Dokumentations- und Kulturzentrum Deutscher Sinti und Roma, an der auch die Galerie Kai Dikhas in Berlin beteiligt ist, findet im Ottheinrichsbau des Heidelberger Schlosses statt, eine "Location", die seit einigen Jahren viel zu wenig von der Öffentlichkeit genutzt wird. Das ist kaum zu verstehen, denn es gibt keinen Ort in Heidelberg, der attraktiver ist als das Schloss - auch wenn die Hängung von Bildern in den historischen Sälen nicht unbedingt problemlos zu bewerkstelligen ist. Zur Zeit werden hier über 50 Arbeiten gezeigt, die sich durch respektable handwerkliche Solidität und künstlerischen Einfallsreichtum auszeichnen.
Man muss bei der Besichtigung der Exponate nicht unbedingt das Motto "Frei-Sein!" im Hinterkopf haben, denn die bemerkenswerte Ästhetik der in unterschiedlichen Techniken gefertigten Arbeiten bleibt von der Vorgabe unberührt. Oft empfiehlt sich ein nahes Herangehen wie zum Beispiel bei den farbfroh-informellen "Guerillas Gitanas" von Gabi Jimenez, der seine Werke ständig in seiner Heimat Frankreich und anderen Ländern zeigt, während die grausigen Physiognomien in den Mischtechniken von Lita Cabelluts mit ihren Riesenformaten beängstigend erscheinen. Daniel Bakers "Survival blanket" aus silbernem Vinyl wirkt hochästhetisch und anspielungsreich zugleich, während die figurativen Digitaldrucke aus der Edition von Kai Dikhas einen starken Kontrast bilden zu den sanftfarben-kindlichen Collagen von André Jeno Raatsch. Eine informelle Mischtechnik von Manolo Gomez Romero animiert zur intensiven Betrachtung.
Der mittlerweile 87 Jahre alte Walter Stallwitz ist mit zwei erstaunlich farbfroh und plastisch wirkenden Acrylbildern vertreten, der "Fremdenfeindlichkeit" und dem "Abfall", Themen von unübersehbarer Brisanz, während Imrich Tomás mit einem titellosen Beitrag fast österliche Fröhlichkeit vermittelt. Gespinstfein sind dagegen die Kaltnadelradierungen von Alfred Ullrich. Mit diesen Namen sind noch längst nicht alle Künstler erwähnt.
Bei der Vernissage waren zunächst die vier Festredner zu Wort gekommen, die auch alle mit Wort und Bild im gut geratenen Katalog vertreten sind. Jürgen Schütz, erster Vorsitzender des Künstlerbundes Rhein-Neckar, hob Romani Roses Engagement ebenso hervor wie Theresia Bauer, Kunst-Ministerin des Landes Baden-Württemberg, das anno 2013 einen Staatsvertrag mit den Sinti und Roma abgeschlossen hat. Der attestiert ihnen, dass sie zu unserer Gesellschaft gehören und ein Teil Baden-Württembergs sind. Demnächst können sie mit einer großzügigen Förderung rechnen.
Nach den Ausführungen Romani Roses, der seit dem Beginn seines Wirkens in Heidelberg (1971) mit dem Zentralrat der Sinti und Roma für eine offene Gesellschaft plädiert, hob Moritz Pankok, der Kurator der Ausstellung, die Bedeutung von Freiheit für den Menschen hervor und präzisierte: "Wer in einem Ghetto zur Welt kommt, hat keine Chance." Den Mythos vom "freien Zigeuner" entlarvte er als Utopie und bewies wie bereits sein Vorredner Romani Rose sein unermüdliches Engagement für die Belange der Sinti und Roma.
Info: Die Ausstellung läuft bis zum 30. Oktober im Ottheinrichsbau des Heidelberger Schlosses.