Armin Lindauer im Mannheimer Kunstverein
Armin Lindauer erinnert an witzige und nachdenkliche Sprüche auf der Berliner Mauer

"Niemand hat die Absicht, eine Mauer zu errichten": Noch heute gehören diese Worte von Walter Ulbricht, des Staatsoberhaupts der DDR, zu den größten Lügen der Geschichte. Der so genannte "Antifaschistische Schutzwall" wurde kurz danach in Berlin gebaut. Der Riss, der 28 Jahre durch die Stadt lief, machte aus den West-Berlinern Insulaner, während die Ost-Berliner Bewohner eines an geistiger Rachitis leidenden Staates waren, der genau wusste, wie eine bessere Zukunft auszusehen hat. Dass im November 1989 der Finanz-, Ideologie- und Staatsbankrott so offensichtlich würde, dass man die Grenzen unter dem Druck der eigenen Bevölkerung öffnen musste, schien lange Zeit beiderseits der Mauer Utopie zu sein.
Die 37 Kilometer, auf denen die Mauer die Wohngebiete innerhalb der Stadt teilte (insgesamt war das Bollwerk rings um West-Berlin rund 160 Kilometer lang), wurde als größte "Leinwand" der Welt verstanden. Ein Dorado für intelligente Graffitikünstler und eine Schreibtafel für zahlreiche Amateure, die persönliche, aber auch allgemeingültige Nachrichten hinterließen. Auch wenn die Graffiti sehr schnell von den DDR-Grenzsoldaten weiß getüncht wurden, sind immer wieder neue über Nacht erschienen.
Armin Lindauer, Professor an der Hochschule für Gestaltung in Mannheim, hatte zwischen 1984 und 2002 ein Design-Atelier in Berlin. Er war an grafischer Gestaltung jedweder Art interessiert, zumal die Mauergraffitis die Sehnsüchte vieler Bewohner West-Berlins ungefiltert ausdrückten.
Familien wurden durch das Monstrum auseinander gerissen. Mehr als 100 Menschen starben bei Fluchtversuchen, 200 wurden verletzt. Lindauer hat im Mannheimer Kunstverein ein schwarzweißes und ein farbiges Fries entlang der Parterrewände und der Empore ausgebreitet. Seine Schwarzweiß-Bilder stammen aus den Jahren 1984 bis 1987; die Farbe kam später dazu. Worte wie Freiheit finden sich immer wieder auf der Mauer, aber auch Zeichnungen, in denen man durch eine gezeichnete Tür von drüben in die Freiheit (hüben) gelangt. An anderer Stelle stand auch einmal der Spruch "wer hier durchkommt, kriegt von mir 'ne Mark".
Die poetischen Strophen eines Franzosen namens Denis, "Die Worte, die auf den Mauern weinen", deuten darauf hin, dass sich in ganz Europa das Gefühl breit machte, dass an der Zeit sei, den Vorhang zu lüften ("pour lever le rideau dans un mur d'impasse"). Auch wenn darunter "Versteh ich nicht" auf Deutsch steht, deuten die Kommentare darauf hin, was die meisten von dieser inhumanen Betonwand hielten.
Zugleich hatten die West-Berliner das Gefühl, auf einer Insel zu leben. Unter dem bekannten Hinweisschild "Achtung! Sie verlassen jetzt West-Berlin" hat eine unbekannte Hand geschrieben: "So? Wie denn?". Es war mehr als nur eine rhetorische Frage. Auf der anderen Seite waren Proteste gegen die westliche Politik ebenfalls ein Thema, das die Graffitikünstler auf der Mauer aufgriffen - etwa gegen die Stationierung der amerikanischen Pershing-2-Raketen im Zuge der Nato-Nachrüstung.
Die Berliner Mauer war immer ein Symbol der Teilung und ein Politikum. Erst durch ihr Verschwinden 1989 wurde die Wiedervereinigung 1990 ermöglicht. Armin Lindauers Zyklus über die Mauer ist daher eine wertvolle geschichtliche Dokumentation.
Fi Info: "Armin Lindauer, Der antifaschistische Schutzwall - oder wie ich lernte, die Mauer zu lieben", Mannheimer Kunstverein, bis 18. 1. 2015, www.mannheimer-kunstverein.de