Hauchdünne Mehrheit rettete Webers zweite Amtszeit
1998 wurde die SPD-Amtsinhaberin mit 51 Prozent der Stimmen im Amt bestätigt. Ihr Gegenkandidat Wolfgang Lachenauer erreichte knapp 48 Prozent.

Von Steffen Blatt
Heidelberg. Die Liste reicht zurück bis ins Jahr 1805, zu Georg Daniel Mays, der Heidelberg von da an 14 Jahre lang als Stadtoberhaupt regierte. 20 Männer und eine Frau sind ihm seitdem im Amt des Oberbürgermeisters gefolgt – acht von ihnen nach Ende des Zweiten Weltkrieges. In der Serie "Heidelbergs Oberbürgermeister" wirft die RNZ vor der OB-Wahl am 6. November in mehreren Teilen einen Blick zurück auf die Amtsinhaber und Wahlen seit 1945. Heute: 1998.
Es war eine lange Party in der "Nachtschicht" an diesem 8. November 1998. Rund 1500 Menschen drängten sich in der Diskothek auf dem Landfried-Gelände, der Perkeo-Fanfarenzug spielte auf, Sandhausens Bürgermeister Erich Bertsch hielt eine Rede und der Konditormeister Robert Gantert servierte eine Torte. Sie alle feierten den Wahlsieg von Beate Weber, die an diesem Tag im Amt der Heidelberger Oberbürgermeisterin bestätigt worden war.
Es mischte sich sicherlich auch viel Erleichterung in die Feierlaune, denn das Ergebnis war äußerst knapp ausgefallen: Mit 51,48 Prozent der Stimmen hatte die SPD-Amtsinhaberin im zweiten Wahlgang gegen ihren Herausforderer Wolfgang Lachenauer von der Wählerinitiative "Die Heidelberger" gewonnen, der auf 47,95 Prozent kam. Zwei weitere Kandidaten landeten bei unter 0,4 Prozent.
Lachenauer hatte im ersten Wahlgang drei Wochen zuvor noch bei 25,9 Prozent gelegen. Nun profitierte er von den Wahlempfehlungen zweier Kandidaten, die nicht mehr angetreten waren: CDU-Mann Wolfgang Fürniß, der ehemalige Oberbürgermeister von Wiesloch und damals Generalbevollmächtigter von SAP, hatte nach seinem enttäuschenden Ergebnis von 20,6 Prozent zurückgezogen.
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Auch Margret Dotter, die für die "Internationale Liste" ins Rennen gegangen war und 1,1 Prozent geholt hatte, sprach sich für Lachenauer aus. FDP und Freie Wähler empfahlen ebenfalls den 49-jährigen Rechtsanwalt Lachenauer, der 1973 als Basketballer mit dem USC Heidelberg die Deutsche Meisterschaft gewonnen hatte.
Dem gegenüber standen Webers 47,3 Prozent aus dem ersten Wahlgang und die Unterstützung der GAL-Kandidatin Dorothea Paschen, die 3,4 Prozent der Stimmen geholt hatte – und da beide Lager ziemlich genau den Empfehlungen folgten, reichte es für Weber knapp, um wiedergewählt zu werden.
Doch Lachenauers sensationelles Ergebnis – vor allem sein zweiter Platz im ersten Wahlgang – machten deutlich, dass sich in den vergangenen acht Jahren ein "Anti-Weber-Lager" im Gemeinderat gebildet hatte. "Die Heidelberger" waren in Opposition zur Politik der Oberbürgermeisterin gegründet worden, Lachenauer zog für die Wählerinitiative 1994 in den Gemeinderat ein, womit das sogenannte bürgerliche Lager noch einmal gestärkt wurde. Die SPD war mit ihren 11 Sitzen (von damals 40) auf Verbündete angewiesen.
Trotzdem konnte Weber nach ihrem Amtsantritt ihre Versprechen von einer offeneren Verwaltung und mehr Bürgernähe einlösen. Nach und nach wurden in allen Stadtteilen Bürgerämter eingerichtet, in denen die Heidelberger die allermeisten Behördengänge erledigen konnten, ohne durch die halbe Stadt zu fahren – ein Modellprojekt, das zu diesem Zeitpunkt einmalig war in Deutschland.
Es gab mehr Bürgerbeteiligung, Stadtteilrahmenpläne wurden aufgestellt, Zukunftswerkstätten für Frauen organisiert und ein neues Tourismusleitbild erarbeitet. Zudem bekamen die Ämter mehr Eigenverantwortlichkeit über ihre Budgets.
Doch zwei Kritikpunkte kamen im Wahlkampf immer wieder auf: Die schlechte Situation sowohl beim Individualverkehr als auch bei den öffentlichen Verkehrsmitteln und die mangelnde Wirtschaftsförderung, die unter anderem zu einer zunehmenden "Verödung" der Hauptstraße geführt habe. Lachenauer warf Weber in diesen beiden Punkten sogar "Versagen" vor.
Hintergrund
Mehr zur Heidelberger OB-Wahl 2022 finden sie auf www.rnz.de/obwahlhd.
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Deren Replik in der RNZ: "Wenn ein männlicher Kollege eine solch gute Bilanz gerade im Hinblick auf Finanzen und Wirtschaftsförderung vorgelegt hätte, würde man ihn feiern ohne Ende."
Am Ende wurde es nichts mit dem Wechsel an der Stadtspitze, und so mussten die weber-kritischen Stadträte weiter mit der Amtsinhaberin auskommen, während die mit wechselnden Mehrheiten agieren musste – ähnlich wie ihr Nachfolger Eckart Würzner in den vergangenen Jahren. Und auch schon damals wurde über ein Projekt diskutiert, das erst kürzlich wieder eine Art Auferstehung gefeiert hat: "Stadt am Fluss" inklusive Neckarufertunnel.



