Heidelberger Porträt

Wolfgang Lachenauer – Ein Mann mit klarer Kante

Ehemaliger OB-Kandidat, Deutscher Meister im Basketball und Galionsfigur der "Heidelberger": Wolfgang Lachenauer hört nach 27 Jahren als Stadtrat auf.

12.11.2021 UPDATE: 13.11.2021 06:00 Uhr 5 Minuten, 29 Sekunden
Nachdenklich, aber auch gut gelaunt lässt Wolfgang Lachenauer, hier in seiner Anwaltskanzlei in der Vangerowstraße in Bergheim, die Kommunalpolitik nach knapp drei Jahrzehnten hinter sich. Foto: Philipp Rothe

Von Holger Buchwald

Heidelberg. Als bekanntester Gegenspieler von Beate Weber, Gründungsmitglied der Wählervereinigung "Die Heidelberger" und als deren langjähriger Fraktionsvorsitzender im Gemeinderat hat Wolfgang Lachenauer die Kommunalpolitik in den letzten drei Jahrzehnten entscheidend mitgeprägt. Doch nun, mit 72 Jahren, ist er nachdenklich und ungeduldig geworden. 27 lange Jahre saß er im Gemeinderat. Am Mittwoch war Schluss. Es war seine letzte Sitzung – auf eigenen Wunsch.

Wolfgang Lachenauer empfängt zwei Tage vor seinem offiziellen Abgang in seiner Rechtsanwaltskanzlei in der Bergheimer Vangerowstraße. Die Besucher hier werden von Dackel Oskar begrüßt. Der Hund von Lachenauers Sohn und Sozius Marc fordert lautstark ein, wenn er gegrault werden will. An der Wand des großzügigen Büros hängt neben anderen bunten Bildern ein großer Druck von Keith Haring. "Es wird eine Verabschiedung in ganz kleinem Rahmen", sagt Lachenauer, während er Platz nimmt: "Es ist wie damals, als ich gewählt wurde, das war auch keine große Sache."

Lachenauer reckt nach dem Meisterschaftstriumph 1973 die Trophäe nach oben. Foto: privat

1994, bei seiner ersten Wahl, hatte er gar nicht damit gerechnet, in den Gemeinderat einzuziehen. Schließlich hatte er auf dem scheinbar aussichtslosen Listenplatz 10 kandidiert. Doch viele Heidelberger kannten den ehemaligen Basketballspieler, der den USC in der Saison 1972/73 als Mannschaftskapitän zur deutschen Meisterschaft geführt hatte, und gaben ihm ihre Stimmen.

Inzwischen ist es seine fünfte Legislaturperiode. Vor zwei Jahren, bei einem RNZ-Interview zu seinem 70. Geburtstag, hatte Lachenauer gesagt: "Die Streitlust ist noch da." Ein Herzinfarkt, der beim Austausch seiner künstlichen Hüfte in der Orthopädie diagnostiziert worden war, galt als überwunden. Daher konnte er es sich damals gut vorstellen, noch einmal komplette fünf Jahre im Gemeinderat zu sitzen. Nun, im Herbst 2021, sieht der Rechtsanwalt dies nüchterner. Er will nicht mehr in den Oberbürgermeister-Wahlkampf eingreifen. "Das ist mit ein Grund, warum ich aufhöre."

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"Die Corona-Pandemie hat mich entschleunigt", begründet Lachenauer, warum er es nun gerne etwas ruhiger angehen lässt. Er gesteht aber auch, dass er Eckart Würzners Kurs in der Klima- und Verkehrspolitik nicht mitgehen kann. "Als jemand, der die Politik des Oberbürgermeisters lange mitgetragen hat, fällt es mir schwer, das zuzugeben." Der parteilose Würzner war lange Zeit auch der Kandidat der "Heidelberger". "Ich sehe auch keine Alternativen", meint Lachenauer. Darum hört er lieber mit der Kommunalpolitik auf, als seinen Duzfreund Eckart öffentlich im Wahlkampf zu kritisieren.

"Der Klimawandel ist da, daran gibt es doch überhaupt nichts zu rütteln", sagt Lachenauer. Und natürlich müsse sich die Stadt in diesem Punkt engagieren. Der harte Schwenk, den Würzner gemacht habe, ist dem "Heidelberger" aber zu "krass". Als Beispiel nennt er das Pilotprojekt für einen kostenlosen Nahverkehr, für das auch die Autofahrer zur Kasse gebeten werden könnten. "Die Pendler verbringen viel Lebenszeit im Stau. Viele von ihnen, weil sie sich in Heidelberg keine Wohnung leisten können." Jetzt könne man sie doch nicht auch noch dazu zwingen, noch mehr dieser kostbaren Zeit im öffentlichen Nahverkehr zu verbringen. "Das Ziel einer umweltfreundlichen Verkehrspolitik ist ja in Ordnung, man muss aber die Leute auch mitnehmen", sagt Lachenauer. Und: "Wenn man in diesen Punkten auch nur leise Kritik äußert, wird man gleich in eine Ecke gestellt, in die man nicht will und in die man auch nicht gehört."

Ihm fehle nun der innere Antrieb, sich mit vollem Einsatz im Gemeinderat zu engagieren. "Wenn ich Politik mache, will ich in der ersten Reihe kämpfen", erklärt Lachenauer. So wie zu den Anfängen 1994. "Wir waren unzufrieden mit der neuen Politik von Beate Weber, die gesagt hatte, der Autoverkehr müsse wehtun." Als unabhängige Wählerinitiative wollte man die Sache nun selbst in die Hand nehmen. Und das mündete für Lachenauer 1998 schließlich in die OB-Kandidatur.

Er kämpfte mit harten Bandagen. Nur drei Prozentpunkte fehlten dem "Heidelberger" damals zum Sieg. Den CDU-Kandidaten Wolfgang Fürniß ließ er hinter sich, am Ende empfahlen ihn die Christdemokraten zum zweiten Wahlgang. 45 Jahre alt war Lachenauer damals. "Wenn ich heute noch einmal in dem Alter wäre, würde ich es wieder machen." Obwohl die Kandidatur ein großes finanzielles Risiko mit sich brachte, seine erste Ehe darunter litt und am Ende zerbrach. Seine beiden Söhne Marc und Tobias aber waren damals schon 20 und 18 Jahre alt.

"Ich wollte nie Stadtrat werden", gibt Lachenauer zu. Zu abschreckend war das Beispiel seines Vaters Otto Lachenauer, ebenfalls Anwalt und CDU-Urgestein. Die Ehe seiner Eltern wurde 1951 geschieden. Wolfgang Lachenauer und sein eineiiger Zwillingsbruder Eckhard wuchsen bei ihrem Vater auf. Bis die beiden zwölf Jahre alt waren, war ihr Zuhause das Hotel Stiftsmühle in Ziegelhausen. Inhaberin war Lachenauers Großmutter, Alma Schmeißer.

Die Zwillingsbrüder Wolfgang und Eckhard Lachenauer zogen zu Beginn ihres Studiums aus – auch wegen des angespannten Verhältnisses zu ihrer Stiefmutter. Das Haus der Burschenschaft Allemannia wurde ihr neues Heim. Mit allem, was dazugehört. "Viermal habe ich gefochten", lacht Lachenauer, obwohl er beim ersten Mal "Schiss" gehabt habe: "Aber das war die Eintrittskarte." Die Allemannia war liberal-konservativ und blieb es auch. "Wir haben mit dafür gesorgt, dass sie nicht in den Bundesverband der Deutschen Burschenschaften eingetreten ist", betont Lachenauer nicht ohne Stolz. Dieser Verband gilt als nationalistisch.

Ja, er habe auch die Farben der Burschenschaft getragen. "Ich bin mit Hut und Band durch die Altstadt gelaufen", erinnert sich Lachenauer. In der Zeit der 68er sei das ein Spießrutenlauf gewesen. Er engagierte sich im Studentenparlament, ruinierte aber auch einmal die Stimmung bei einem familiären Weihnachtsessen, als er vehement den Kniefall von Willy Brandt in Warschau verteidigte. Nicht nur seine Großmutter, sondern auch sein Vater hatten dafür überhaupt kein Verständnis. "Er war ein glühender Kohl-Verehrer."

Drei Semester blieb Lachenauer im Allemannenhaus, danach hatte er mehrere Buden in der Altstadt. Das Weinloch, die Destille, die Lupe, aber auch die Tangente, in der er sogar kurz Türsteher war, waren seine Lieblingslokale. "Ich musste aus der Altstadt weg, sonst hätte ich wahrscheinlich nie mein Examen gemacht", scherzt er. Für kurze Zeit zog er nach Göttingen.

Sport ist und war Lachenauer immer wichtig. Zusammen mit seinem Bruder spielte er zunächst Hockey, "doch wir waren beide zu hüftsteif". Die Tante meldete die Geschwister schließlich bei den Basketballern des USC an. "Als ich in die erste Mannschaft kam, saß ich erst einmal drei Jahre auf der Bank. Ich war der siebte oder achte Ersatzmann", berichtet er. Doch dann kam der legendäre Didi Keller ins Team, und ein amerikanischer Trainer übernahm. "Auf einmal war ich unter den ersten Fünf und Mannschaftskapitän", lacht Lachenauer. Seine Kameraden hatten ihn dazu gewählt, wegen seines Durchhaltevermögens. Und weil er sich immer um alles gekümmert hat.

In der Saison 1972/73 gelang dem USC der große Triumph – die Meisterschaft. Im Europapokal der Landesmeister schafften es die Heidelberger sogar in die zweite Runde. "Den portugiesischen Meister aus Mozambique haben wir noch geschlagen. Gegen Real Madrid war aber Schluss. Im Auswärtsspiel verloren wir mit 68 Punkten Unterschied", erinnert sich Lachenauer. Der USC sei bei dieser Partie nur selten über die Mittellinie gekommen.

Regelmäßig geht Lachenauer immer noch zu den MLP Academics – endlich spielt sein USC wieder in der Bundesliga. "Die Atmosphäre in der neuen Großsporthalle ist toll." Ein bisschen habe auch er mitgeholfen, dass sie gebaut wurde. Selbstkritisch sieht der "Heidelberger" aber, dass er in seinem kommunalpolitischen Engagement doch mehr auf der Soll- als auf der Haben-Seite zu verzeichnen habe. Weder sein geliebter Neckarufertunnel wurde gebaut, noch in jüngerer Zeit der Betriebshof auf dem Ochsenkopf oder das Ankunftszentrum in den Wolfsgärten. Ein Bekannter tröstete ihn neulich: "Er sagte zu mir: Schau doch lieber, was Ihr alles an Schlimmerem verhindert habt." So könne man es natürlich auch sehen, sagt Lachenauer und lacht. Er ist mit sich im Reinen.

Respektvoll und höflich begann Lachenauer stets seine Wortmeldungen im Gemeinderat: "Meine Damen und Herren, Herr Oberbürgermeister". Was folgte, war aber immer eine klare, kurze und pointierte Abfolge von Argumenten, die manchmal auch scharf sein konnten. Oft warnte er seine Kollegen oder die Stadtverwaltung vor drohenden juristischen Niederlagen. Die Klatsche im Streit um die Straßenbahn ins Neuenheimer Feld sah er zum Beispiel voraus. Wortbeiträge, die niemals zu enden scheinen, sind Lachenauer ein Graus.

Die "Heidelberger" verlieren mit dem erfahrenen Stadtrat zwar ihre jahrelange Galionsfigur. Doch Lachenauer sieht die Wählerinitiative mit Larissa Winter-Horn als Fraktionsvorsitzender, Marliese Heldner und seinem Nachfolger Matthias Fehser in guten Händen. "Die Truppe macht es mir leicht, zu gehen." Es könne zwar sein, dass er in ein paar Monaten diesen Rückzug schon wieder bereue. Seine zweite Ehefrau Jutta habe jetzt schon Bedenken.

Als Rechtsanwalt will er aber auf jeden Fall weitermachen. Und möglicherweise werde er sich auch auf andere Weise politisch engagieren – zum Beispiel für eine bessere Verkehrsanbindung des Neuenheimer Feldes, sei es mit einer Fünften Neckarquerung oder einem "Radieschentunnel" unter dem Handschuhsheimer Feld. "Vielleicht werde ich Aktivist", scherzt Lachenauer zum Abschied: "Das würde mir gefallen."

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