Ukraine-Krieg

Walldorfer Ekosem-Agrar bittet Gläubiger um Hilfe

Der Ukraine-Krieg macht dem in Russland aktivem Agrarunternehmen zunehmend zu schaffen.

07.04.2022 UPDATE: 08.04.2022 06:00 Uhr 1 Minute, 52 Sekunden
Stefan Dürr aus Eberbach vertreibt in Russland unter anderem John-Deere-Geräte und ist zum größten Milchproduzenten des Riesenreichs avanciert. Archiv-Foto: Anspach

Von Matthias Kros

Walldorf. Der Krieg in der Ukraine macht der in Walldorf ansässigen Ekosem-Agrar AG, deutsche Holdinggesellschaft der auf Milchproduktion in Russland ausgerichteten Unternehmensgruppe Ekoniva, zunehmend zu Schaffen. In einer Börsen-Pflichtmitteilung gab der Vorstand des Unternehmens in dieser Woche bekannt, "dass sich die Gesellschaft aufgrund der Auswirkungen des Russland-Ukraine-Konflikts in einer finanziellen Krise befindet". Sogar von einer "drohenden Enteignung" ist in der Mitteilung die Rede.

Die wesentlichen Gründe hierfür seien zum einen, dass sich in Euro und US-Dollar zu bezahlende Stoffe wie Saatgut, Dünger und Ersatzteile für Landmaschinen erheblich verteuert hätten und sich bei der Beschaffung teilweise massive Auswirkungen hinsichtlich Lieferfähigkeit und Logistik ergeben würden. Zum anderen sei die Kapitalmarktrefinanzierung von Unternehmen mit Russlandbezug und die Versorgung mit Liquidität massiv erschwert worden und der Zahlungsverkehr zwischen Russland und Deutschland aufgrund der verhängten Sanktionen und Restriktionen erheblich eingeschränkt.

Um in dieser Situation liquide zu bleiben, schlägt das Unternehmen unter anderem vor, die Laufzeit von zwei breit gestreuten Anleihen deutlich zu verlängern und den Zinssatz zu reduzieren. Maßnahmen wie eine drohende Enteignung, ein Finanzierungsverbot oder weitere mögliche Restriktionen für ausländische Gesellschaften würden in Russland bereits diskutiert und für einige bestimmte Fälle in Kraft gesetzt, warnt Ekosem-Agrar. "Die Gesellschaft hält es im Interesse der Anleihegläubiger für erforderlich, auf diesen Fall vorbereitet zu sein". Für Anfang Mai lädt das Unternehmen daher zu entsprechenden Anleihegläubigerversammlungen in Sinsheim ein. "Es bleibt uns derzeit keine andere Wahl, als die beiden Anleihen zu veränderten Konditionen zu verlängern, um den unternehmerischen Handlungsspielraum zu erhalten und die Anleihegläubiger bestmöglich zu schützen", so Wolfgang Bläsi, Finanzchef der Ekosem-Agrar AG.

"Die aktuelle Situation war für uns nicht vorhersehbar", rechtfertigt Stefan Dürr, Vorstandsvorsitzender und Hauptaktionär der Ekosem-Agrar AG, den Schritt in der Mitteilung. "Unser Unternehmen steht seit über 20 Jahren symbolisch für eine erfolgreiche deutsch-russische Zusammenarbeit und für einen fruchtbaren Dialog und Wissenstransfer zwischen unseren Ländern. Umso betroffener macht uns die jüngste Eskalation im Russland-Ukraine-Konflikt und das damit verbundene Leid von Millionen Menschen. Wir hoffen auf eine baldige friedliche Lösung und eine schnelle Rückkehr zum Dialog."

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Die Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger (SdK) teilte am Donnerstag mit, dass man für die Gläubiger-Versammlungen eine kostenlose Stimmrechtsvertretung anbiete. Vor dem Hintergrund der politischen und wirtschaftlichen Entwicklung der letzten Wochen erscheine eine Anpassung der Laufzeit sowie des Zinssatzes der Anleihe zwar grundsätzlich sachgerecht, schreibt die SdK. Die genauen Details der Beschlussvorschläge erschienen jedoch sehr weitgehend und würden daher aktuell noch von den eigenen Anwälten geprüft. "In jedem Fall sollten sich die betroffenen Anleiheinhaber organisieren und ihre Interessen gemeinsam durchsetzen", empfiehlt die Schutzgemeinschaft.

Die Ekoniva Gruppe ist mit einem Bestand von mehr als 216.000 Rindern und einer Milchleistung von rund 3100 Tonnen pro Tag der größte Milchproduzent Russlands. Die Gruppe verfügt über eine landwirtschaftliche Nutzfläche von rund 630.000 Hektar und zählt darüber hinaus zu den großen Saatgutherstellern Russlands. Beschäftigt werden rund 12.000 Mitarbeiter.

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