Klimaschutz in Sinsheim

Ob das so zu schaffen ist?

Neues Klimamanagement im Rathaus, altes Abkommen erneuert, neue Aktivisten im Sitzungssaal.

16.02.2022 UPDATE: 17.02.2022 06:00 Uhr 2 Minuten, 52 Sekunden
Neben „Fridays for Future“ kämpft nun mit „Sinsheim.Zero“ eine zweite Initiative für mehr Klimaschutz. Archiv-Foto: Beck

Von Tim Kegel

Sinsheim. "Ein Riesen-Maßnahmenkatalog", hieß es da, werde "am Ende des Konzepts stehen." Und es zeichnete sich im Gemeinderat ab, dass der Klimaschutz und wie man damit umgehen will und kann, zum Reizthema in der Stadt werden könnte.

Die neue Klimaschutzmanagerin im Rathaus, Stefanie Kalla, war erstmals öffentlich im Gremium zu Gast. Sie ist die Person, die sich um den dicken Maßnahmenkatalog künftig kümmern soll. Originärer Job von ihr ist es, ein Klimaschutzkonzept zu erstellen. Dieses solle "kein Pamphlet für die Schublade werden" und auch nicht "alleine am Schreibtisch mit Fachämtern erstellt" werden, sagt Kalla. Dazu gehören die "Analyse der Situation", die Darstellung, "was schon gemacht wurde" und natürlich das übliche "Ermitteln von Bedarfen" und "Vernetzen von Akteuren". Auch an Schulprojekte und ein Hineinwirken "in private Haushalte" denkt Kalla. Sie sagt: "Klimaschutz muss nicht immer Angst machen"; vieles davon begreift sie "als eine Art von Bildung". Kalla ist 34, stammt aus Sinsheim, hat ab 2007 in Trier Umweltplanung studiert und 2013 ihren Master als Wirtschaftsingenieurin in Stuttgart gemacht, arbeitete dann im Qualitätsmanagement, organisierte Umwelt-Audits im Lebensmittelbereich.

Bei der Stadtverwaltung seit dem 5. November im Amt, hat die zweifache Mutter vom Rathaus noch nicht allzu viel gesehen. Ein vom Klimaschutzmanagement erstelltes Klimaschutzkonzept gilt dort als Voraussetzung zur Teilnahme an diversen Förderprogrammen. Die auf zwei Jahre befristete Stelle wird vom Bund mit 132.000 Euro bezuschusst, die Stadt selbst zahlt rund 45.000 Euro.

Klimaschutz – im Gremium ein Thema verschiedenster Schwerpunkte: Prioritäten gibt es vom Nahverkehr bis zur Gebäudedämmung und vom Windrad bis hin zu Schafen, die unter Solarzellendächern auf bisherigen Ackerflächen weiden könnten. Zwar stimmte die Runde am Dienstag auch geschlossen für die Fortschreibung einer Vereinbarung, in der der Rhein-Neckar-Kreis und dessen 54 Gemeinden in Sachen Klimaschutz an einem Strang ziehen wollen. Beobachter geben aber zu bedenken, dass sich vieles – wie auch das Klimaschutzmanagement – "in der Projektierungsphase" befinde, dass Meinungen aufeinanderprallen werden, wenn es um Umsetzung, Kosten und Folgen geht.

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Doch wie es auch kommt: Bislang Erreichtes und schon Geplantes – das sieht neben Kalla auch ihr Amtsleiter, Sebastian Falke von der Stadtentwicklung, so – könne man ruhig "noch etwas sichtbarer machen". Ins selbe Horn stieß CDU-Sprecher Friedhelm Zoller; aufgrund der Schwerpunkte Biomasse und Biovergärung am Sinsheimer AVR-Standort, die "nicht von ungefähr" kämen, solle sich die Stadt "besser verkaufen". SPD-Rat Jens Jochen Roth fehlen ein Schwerpunkt "beim Thema Mobilität und Verkehr" und "wirklich sichtbare Umsetzungsaktivitäten", die aber auch "Ökonomie, Ökologie und Soziales" in Einklang brächten. Er fürchtet, "dass Klimaschutz verwaltet wird", und auch Aktiv-Sprecher Alexander Hertel redet vom geduldigen Papier und dass er "Dringlichkeit spüren" wolle.

Bereits an "der Präambel" der Vereinbarung stieß sich Grünen-Rätin Anja Wirtherle – an deren "schwammigen Formulierungen": Im Einstieg ist von einer "Vorreiterrolle" zu lesen, die die Gemeinden einnehmen müssten; aber auch ein gewisser Finanzierungsvorbehalt aufgrund knapper Finanzen klingt durch, und dass Kommunen gesteckte Ziele "im Rahmen ihrer jeweiligen Möglichkeiten" fördern können. In Wirtherles Stellungnahme, die mit rund 20 Minuten etwa 15 Mal länger dauerte, als die Kommentare aller ihrer Ratskollegen zusammen, forderte sie, "wirklich alles Machbare" in die Wege zu leiten, sprach von "gut geeigneten Flächen für Windräder" und will "einem Kreisverkehr ein Passivhaus" vorziehen. "Jede Ratsvorlage" müsse auf Klimaneutralität überprüft werden.

Bis 2040 soll Sinsheims Verwaltungsapparat nach Bekunden klimaneutral sein. "Ob das zu schaffen ist?", fragte Freie-Wähler-Sprecher Harald Gmelin in Richtung Kalla. Festlegen will sie sich frühestens "wenn wir über Potenziale reden". Hartnäckig preschte Grünen-Rat Karl-Heinz Schneckenberger vor – hakte Kallas Motivation mit "Lieblingsthemen und Lieblingsstrategien" und über Kommunikationswege im Rathaus erst nach, als schon abgestimmt und die Zeit für Stellungnahmen lange um war. Oberbürgermeister Jörg Albrecht drückte ein Auge zu.

Auf Klima gebürstet wirkten auch manche mehrheitlich jungen Gäste, die schwarze Kapuzenpullis mit dem Aufdruck "Change politics, not climate" – auf Deutsch: "Ändert die Politik, nicht das Klima" – trugen. Die Gruppe, die sich "Sinsheim.Zero" nennt, ist ein Ableger der Organisation "German.Zero" mit Sitz in Hamburg und Berlin und weist auf die "völkerrechtliche Verpflichtung aus dem Pariser Weltklimaabkommen von 2015" hin. Die Gruppe, der auch Rätin Wirtherles Sohn angehört, will Sinsheim schon "bis 2035 klimaneutral machen". Eine Erklärung verlas Martin Donauer, Firmen-IT-Berater aus Eschelbach; es gehe nicht ohne "Menschen, Organe und Lenker der Stadt". Albrecht, Kalla und Falke boten einen Termin an.

Von der ganz anderen Seite um die Ecke kam CDU-Rat Alexander Hotz: Ob an "eine Risikoanalyse" gedacht werde und ob "Potenziale und Ziele" auch für den Fall entwickelt würden, dass man den Klimawandel "nicht aufhält"? Kalla räumte ein, dies "noch nicht in Betracht gezogen" zu haben.

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