Heidelberg

Rund 650 Demonstranten zogen zum St. Josefskrankenhaus

Bei dem Protestzug durch Bergheim und die Weststadt blieb am Mittwochabend alles friedlich. Ärger gab es im Nachhinein um die Anmeldung der Demonstration.

20.01.2022 UPDATE: 20.01.2022 10:49 Uhr 2 Minuten, 17 Sekunden
Zum vierten Mal zogen am Mittwochabend Demonstranten von der Stadtbücherei zum St. Josefskrankenhaus in der Weststadt. Diesmal waren es rund 650 Menschen. Foto: Alex

Von Sarah Hinney

Heidelberg. Erneut protestierten in Heidelberg am Mittwochabend Hunderte Menschen gegen die einrichtungsbezogene Impfpflicht. Hintergrund der Proteste ist, dass für Mitarbeiter im St. Josefskrankenhaus, die weder geimpft noch genesen sind, bereits seit 1. Januar Hausverbot gilt und sie keinen Lohn mehr erhalten.

Waren es bei den drei Protestaktionen der vergangenen Wochen jeweils rund 400 Demonstranten, versammelten sich diesmal gegen 18 Uhr etwa 600 Personen an der Schwanenteichanlage an der Stadtbücherei. Angemeldet war ein "Solidaritätsspaziergang" unter dem Motto "Keine Zwangsmaßnahmen gegenüber Mitarbeitern in medizinischen Einrichtungen". Teilnehmer waren junge Leute, Senioren, Familien mit Kindern und zahlreiche in der Pflege Tätige.

Bild: Alex

Unter den Rednern war der Heidelberger Arzt Dr. Gunter Frank, der regelmäßig impfkritische Beiträge auf dem – im Spektrum der politischen Rechten verorteten – Blog "Die Achse des Guten" veröffentlicht. Gegen 19 Uhr machte sich der Demonstrationszug mit Trommeln und Sprechchören auf den Weg – von der Poststraße ging es über Bergheimer Straße und Voßstraße in die Rohrbacher Straße bis zum St. Josefskrankenhaus in der Weststadt.

In der Spitze liefen nach einer Zählung der RNZ 650 Personen mit. Die Polizei meldete eine ähnliche Größenordnung. Abstände wurden kaum eingehalten, vor allem in der Voßstraße wurde es eng. Vor der Kanzlei der Heidelberger Anwältin Beate Bahner, die Falschmeldungen zur Impfung verbreitet hat und die Corona-Verordnungen als verfassungswidrig ansieht, verzögerte sich der Zug. Bahner stand mit einer Kerze in der Hand am Straßenrand und rief den Demonstranten lautstark unterstützende Worte zu. Zahlreiche Zugteilnehmer blieben bei Bahner stehen und zogen sich die Maske vom Gesicht, um die Anwältin zu umarmen, ihr zu danken oder Selfie-Fotos mit ihr zu machen.

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Bild: Alex

Die überwiegende Mehrzahl der Protestierenden trug während der Demo einen Mund-Nasen-Schutz – aber nicht alle hielten sich an die Vorgabe. Die Polizei zählte 145 Maskenverstöße, stoppte den Zug deshalb kurzzeitig in Höhe des Landgerichts und forderte die Organisatoren auf, auf die Einhaltung der Maskenpflicht hinzuweisen. Die meisten kamen der Aufforderung nach.

Zu Konfrontationen kam es nicht, nur sehr vereinzelt wurden Polizeibeamte beschimpft und ausgebuht, die Stimmung insgesamt war friedlich. Viele trugen Kerzen, Grablichter, auch Leuchtherzen, Holzkreuze und Lichterketten waren zu sehen. Ulrich Becker von der Kleinpartei "Die Basis", die als parteipolitischer Arm der "Querdenker"-Bewegung gilt, war mit Lautsprecher und Lastenrad dabei.

Hintergrund

Ärger um Demo-Anmeldung

Das Bündnis "Progressives Heidelberg", das bereits mehrere Demos für Solidarität in der Pandemie und gegen "Querdenker" veranstaltet hat, kritisiert per Pressemitteilung die Stadt. Sie habe eine angemeldete Demo, die das Bündnis

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Ärger um Demo-Anmeldung

Das Bündnis "Progressives Heidelberg", das bereits mehrere Demos für Solidarität in der Pandemie und gegen "Querdenker" veranstaltet hat, kritisiert per Pressemitteilung die Stadt. Sie habe eine angemeldete Demo, die das Bündnis dem Querdenker-Spektrum zuordnet, nicht im Vorhinein verboten. Das Bündnis habe nächsten Montag selbst vom Bismarckplatz zum Marktplatz ziehen wollen. Doch dieses Gesuch lehnte die Stadt mit Verweis auf die andere, bereits zuvor angemeldete Demo für dieselbe Route ab.

Dass es sich bei dem Anmelder der anderen Demo um die Partei "Die Basis" handelt, wie das Bündnis schreibt, kann ein Stadtsprecher auf RNZ-Anfrage nicht bestätigen: "Die Partei ,Die Basis’ wird in der Anmeldung nicht genannt, es besteht auch kein Bezug zur Parteitätigkeit." Man könne solche Demos auch nicht einfach von vorneherein verbieten: "Dass man sich in Deutschland unter freiem Himmel versammeln kann, ist ein elementares Gut, geregelt in Artikel 8 des Grundgesetzes." Man werde aber, "wie bei jeder angemeldeten Versammlung", mit dem Anmelder ein Kooperationsgespräch über den Ablauf führen und über die Auflagen aufklären.

Die Privatperson habe bis Ende März für jeden Montag Demos angemeldet. Ob die Stadt diese gegebenenfalls doch noch verbietet, "wird sich nach den Erfahrungen aus der Versammlung am 24. Januar zeigen", so der Stadtsprecher. (jola)

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Vor dem St. Josefskrankenhaus legten die Demonstranten einen Kranz nieder, danach versammelten sie sich zur Abschlusskundgebung auf dem nahe gelegenen Wilhelmsplatz. Anwesend waren auch AfD-Politiker und Personen aus dem Querdenker-Spektrum, die aus umliegenden Städten angereist waren.

Um 21 Uhr endete die Demonstration. Die Stadt hatte sie bis 20.45 Uhr genehmigt. Für Ungeimpfte gilt in Baden-Württemberg aktuell eine Ausgangssperre ab 21 Uhr. Die Veranstalter wiesen in einer Durchsage darauf hin, dass der Besuch einer Versammlung samt An- und Abreise einen triftigen Grund als Ausnahme für die Ausgangssperre darstelle. Stadt und die Polizei bestätigten dies auf RNZ-Anfrage.

Das St. Josefskrankenhaus ist bemüht, den Zusammentreffen "mit der größtmöglichen Gelassenheit gegenüberzutreten", teilte ein Sprecher der Artemed-Gruppe, zu der die Klinik in der Weststadt gehört, auf RNZ-Anfrage mit. "Hier hilft sicher, dass wir unser Team auf unserer Seite wissen – von 757 Mitarbeitern sind 751 geimpft." Nichtsdestotrotz seien solche Zusammenkünfte nicht gänzlich ohne Störung von Patienten und Mitarbeitern möglich. Entsprechend wäre die Zuweisung einer alternativen Route wünschenswert, so der Sprecher abschließend.


Hintergrund: Für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im St. Josefskrankenhaus, die weder geimpft noch genesen sind, gilt seit 1. Januar Hausverbot. Auch Lohn erhalten sie nicht mehr. Die betroffenen Mitarbeiter wurden von der Geschäftsleitung der Klinik darüber und über die Optionen, wie das Arbeitsverhältnis beendet oder weiter geführt werden kann, schriftlich informiert. Betroffen sind acht von insgesamt 757 Mitarbeitern des Josefskrankenhauses.

Ort des Geschehens

Update: Donnerstag, 20. Januar 2022, 17.42 Uhr

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