Mosbacher "Spaziergänger" bereiteten Passanten Unbehagen
Die Stadtverwaltung denkt über ein Versammlungsverbot für Montags-Spaziergänge nach.

Von Caspar Oesterreich
Mosbach. Rund 200 Menschen versammelten sich am Montagabend auf dem Mosbacher Marktplatz, um anschließend gemeinsam durch die Innenstadt zu "spazieren" und damit gegen die Corona-Maßnahmen und eine mögliche Impfpflicht zu demonstrieren. Abstand zueinander hielt der Großteil der Teilnehmer häufig nicht, Masken trugen nur sehr wenige. Vielen Passanten, die dem Zug entgegenkamen, war deutliches Unbehagen anzusehen. Einige blieben in Haus- oder Ladeneingängen stehen und ließen die Demonstranten passieren, andere zogen schnell ihre Schutzmasken auf, um sich so sicher wie möglich durch die große Menschenmenge zu bewegen.
Dennoch schritten weder die anwesenden Polizisten noch Mitarbeiter des städtischen Ordnungsamtes ein. Aufgelöst wurde die Versammlung nicht. Untereinander sprachen die "Spaziergänger" von einer "wirklich gelungenen Aktion" und freuten sich, dass "diesmal viel mehr zur Demo gekommen sind als letzte Woche". Direkt gefragt, ob die Demonstration – wenn auch ohne Pappschilder und Parolen, dafür aber mit Trillerpfeifen, vereinbartem Treffpunkt und gemeinsamer Marschrichtung – denn angemeldet sei, hieß es von den Teilnehmern stets, man mache gerade nur einen Spaziergang und habe dabei eben zufällig einige Bekannte getroffen. Eine Anmeldung sei deshalb nicht nötig.
Der RNZ liegen dagegen Chatverläufe aus den sozialen Medien vor, die eindeutig eine Verabredung zu dem "Montagsspaziergang" belegen. Ferner wurden online in einer regionalen Gruppe auch "Verhaltensregeln" geteilt, damit dank "einfacher Tricks" auch jeder Spaziergang gelingt. "Wenn sich zufällig eine Gruppe findet, bleibt man etwas in Bewegung von Anfang an. Stehende Versammlungen ab 35 Teilnehmer sind verboten. 1000 Spaziergänger nicht. Die Polizei kann eine Versammlung auflösen, aber keinen Spaziergang", wird darin etwa geraten. Außerdem: "Auf keinen Fall zugeben, Teil einer Demo oder Veranstaltung zu sein. Niemand kann gezwungen werden, sich dazu zu äußern, warum er gerade jetzt spazieren geht. Keinen Personalausweis o. ä. dabeihaben. Personenfeststellungen müssen lange dauern. 1000 Spaziergänger ohne Ausweis sind nicht zu kontrollieren."
Zur Sicherheit sollten die Teilnehmer in unmittelbarer Nähe eines Polizisten aber keine Parolen skandieren. Auch von Beleidigungen sollte abgesehen werden, der Ausruf "Schämt euch, schämt euch!" falle jedoch nicht in diese Kategorie. Immerhin: Von Gewalt wird abgeraten: "Wer dazu aufruft, hat die Lage nicht erkannt oder ist möglicherweise vom Verfassungsschutz", heißt es dazu in den verbreiteten Verhaltensregeln.
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Auf RNZ-Anfrage teilte die Stadt Mosbach mit, dass man das Geschehen an den vergangenen Montagen beobachtet, "auf ein Einschreiten im Sinne eines Versammlungsverbots jedoch zunächst verzichtet" habe, "insbesondere auch, um Konfrontationen in der Altstadt zu vermeiden". Aufgrund der aktuellen Entwicklung aber würden "Ordnungsamt und Behördenleitung zeitnah zusammentreten und ihre Strategie auch unter Einbeziehung der Polizei neu aufstellen".
Bei den Montagsspaziergängen handele es sich um eine relativ neue Aktionsform, bei der "die Zahl der Teilnehmenden aber auch der Ort aufgrund fehlender Anmeldungen nur schwer zu prognostizieren ist", erklärte das für Mosbach zuständige Polizeipräsidium Heilbronn auf Anfrage. Am 20. Dezember waren es in Mosbach noch rund 65 Teilnehmer gewesen, in Heilbronn demonstrierten am Montag 75 Personen, in Buchen etwa 80. In Brackenheim (Kreis Heilbronn) kamen dagegen mehr als 1000 Menschen zusammen. Insgesamt hätten die Beamten des Polizeipräsidiums zum Wochenstart bei mehr als 20 überwiegend nicht angemeldeten Montagsspaziergängen mit insgesamt mehr als 2500 Teilnehmern Präsenz gezeigt, "über 160 Beamtinnen und Beamte waren zusätzlich im Dienst". Da es sich um ein landes- bzw. bundesweites Phänomen handele, sei "die Kräftelage entsprechend angespannt". Erschwerend komme hinzu, "dass zahlreiche extremistische Strömungen versuchen, die Corona-Demonstrationen zu instrumentalisieren, und dass die Teilnehmer Aktionen vornehmen, um polizeiliches bzw. staatliches Handeln zu erschweren".
Auch wenn es sich um nicht angemeldete Veranstaltungen handle, müsse die Meinungs- und Versammlungsfreiheit beachtet werden. "Solange diese friedlich verlaufen, wird die Polizei nach pflichtgemäßem Ermessen deeskalierend einschreiten." Dort, wo die Abstände nicht beachtet wurden, habe eine Ansprache durch Polizisten stattgefunden – was die RNZ in Mosbach allerdings zwischen 18 und 19 Uhr nicht beobachten konnte. Ob ein Versammlungsverbot die Montagsspaziergänger tatsächlich von einer Zusammenkunft in Mosbach abbringt, bleibt abzuwarten, in Mannheim etwa trafen sich trotz Verbots dennoch zahlreiche "Spaziergänger".
"Wir dürfen diesen Leuten nicht weiterhin gestatten, den wunderschönen Marktplatz als Bühne für eine derart respektlose Kampagne zu nutzen", betonte Daniela Stamoulis vom Restaurant Taverna Mythos und wandte sich mit dieser Forderung auch an Oberbürgermeister Michael Jann. Für die Zeit dieser Spaziergänge könne man die Weihnachtsbeleuchtung abschalten, wie es etwa in Bautzen der Fall sei, schlägt sie vor. Mit einer Menschenkette nach Mannheimer Vorbild ließe sich ein deutliches Zeichen gegen die Montagsspaziergänger setzen.