Reichartshausen

"Runter gehen die Baupreise nicht mehr"

Architekt Heinrich Zimmermann plant seit 60 Jahren Häuser. Die derzeitige Entwicklung sieht er kritisch.

02.09.2021 UPDATE: 03.09.2021 06:00 Uhr 3 Minuten, 8 Sekunden
Früher wurden die Baupläne noch von Hand gezeichnet. Einen davon zeigt Architekt Heinrich Zimmermann. Heute werden Häuser am Computer geplant. Fotos: Christiane Barth

Von Christiane Barth

Reichartshausen. "Bauen ist ein Riesenthema", sagt Architekt Heinrich Zimmermann. Der 75-Jährige muss es wissen. 1961 begann er seine Lehre als Bauzeichner, 1972 ging er nach Stuttgart, um sein Studium der Architektur zu beginnen. Was sich in all den Jahren für die Häuslebauer verändert hat? Jede Menge, weiß Zimmermann. "Früher hat man für jedes Fenster einen Plan gebraucht, das ist heute zum Glück nicht mehr so", erinnert er sich. Die Zeit vor rund 60 Jahren sei eine sehr bescheidene gewesen, was das Bauen anbelangt. Da seien die Wohnzimmer noch mit zwölf Quadratmetern bemessen, Bäder oft gar nicht erst eingeplant worden, und an Wärmedämmung habe kaum einer gedacht.

"Als ich meinen ersten Plan gezeichnet habe, hat der Liter Heizöl noch 7,8 Pfennige gekostet", sagt Zimmermann im Rückblick. Später – in den 1970ern, 80ern – habe der Trend auf die andere Seite ausgeschlagen, weil die Eigenheime sehr großzügig gebaut wurden. "Da habe ich Häuser geplant, die deutlich größer waren, als man heute bauen würde – mit Wohnzimmern von 45 Quadratmetern." Für ihre Kinder haben die Bauleute damals beispielsweise noch einen ausbaufähigen Speicher mit großer Grundfläche bereitgehalten, der dann jedoch oft niemals bezogen wurde. Die Kinder hatten andere Pläne. Ende der 1990er-Jahre kam dann das Umdenken, das übrigens bis heute anhält: Denn um das Eigenheim zu finanzieren, musste eine Familie plötzlich deutlich kleiner planen.

Im Baugebiet „Im Trieb-Krummenacker“ dominieren hohe Mauern, um die Hanglage auszugleichen. Fotos: Christiane Barth

Die derzeitige extreme Steigerung der Baukosten bereitet dem Architekten jedoch ein paar Sorgenfalten. Vor eineinhalb Jahren hat der Kubikmeter Holz noch 550 Euro gekostet, heute muss das Doppelte dafür bezahlt werden. Die Preisentwicklung beim Stahl ist ähnlich – und wenig erfreulich für Bauleute. Die Hoffnung mancher Bauwilligen, dass sich diese Entwicklung wieder umkehren könnte, zerschlägt der Architekt: "Runter geht es nicht mehr, ein Preis ist noch nie rückläufig gewesen."

Auch die Gemeinde Reichartshausen erschließt gerade ein Neubaugebiet, die Bettelmannsklinge. Im Herbst ist die Fertigstellung geplant, dann können dort die Häuslebauer loslegen. Doch die rasante Preissteigerung der Baustoffe lässt auch den erfahrenen Architekten den Kopf schütteln, der im Laufe seines jahrzehntelangen Berufslebens viele Turbulenzen erlebt hat.

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Die Baupreisentwicklung hat er gut im Blick, weil er auch Wertermittlungen erstellt. Die Häuser würden ohnehin immer kleiner, damit auch die Finanzierung auf einem guten Fundament steht. Doch können sich Normalverdiener das Eigenheim bald überhaupt noch leisten? "Früher habe ich Häuser gebaut mit 200 Quadratmetern Grundfläche, heute sind es dann vielleicht nur noch 60 bis 80 Quadratmeter." Für ein durchschnittliches Eigenheim mit rund 800 Kubikmetern umbautem Raum müsse man heute mindestens 400.000 Euro einkalkulieren. Hinzu kommen die Kosten für das Grundstück sowie die Planung und die Nebenkosten. "Und wenn man etwas größer bauen will, muss man vorneweg mit einer dreiviertel Million fürs Eigenheim rechnen", verdeutlicht Zimmermann.

Im Gegenzug sei von Vorteil, dass mittlerweile auf dem Baumarkt viele Prozesse in Automatismen stattfinden, wo früher noch von Hand gefertigt wurde. Zudem wird das Mauerwerk heute meist nicht mehr gemörtelt, sondern geklebt, auch das Steinmaß hat sich geändert. Ob sich junge Familien nun von dem derzeitigen Trend, der die Baukosten steil nach oben treibt, abschrecken lassen? "Es sieht so aus, als würde jetzt sogar mehr gebaut werden als die Jahre zuvor", stellt Zimmermann erstaunt fest. Ob es am niedrigen Zinsniveau liegen mag? Während man in den 1970er-Jahren für ein Darlehen noch bis zu zehn Prozent einrechnen musste, ist das Geld fürs Bauen heute bei zu einem Zinsniveau bei rund 1,5 Prozent zu haben. Dennoch: "Bauen ist heute eine riesengroße Investition", stellt Zimmermann fest.

Hinzu komme, dass ein Häuslebauer heute deutlich mehr und auch verschärftere gesetzliche Vorschriften zu berücksichtigen hat als noch in den 1970ern, als das Heizöl günstig war. "Heute sind außerdem die Ansprüche an den Komfort viel höher", sagt Zimmermann.

Um Kosten zu sparen, verzichten viele Bauherren inzwischen auf den Keller. Auch das ist ein Trend. Ob das wirklich Sinn ergibt, bezweifelt der Architekt. Vor allem, wenn er sich die Bebauung im Baugebiet "Im Trieb-Krummenacker" in Reichartshausen ansieht. Er schüttelt so manches Mal den Kopf, wenn etwa aufwendige Geländeaufschüttungen gemacht werden, um das Hanggrundstück einzuebnen und wenn das Erdmaterial dann mit hohen Mauern an der Grundstücksgrenze zum Nachbarn abgestützt wird. Um den fehlenden Stauraum aufzufangen, den ein Keller ja hergibt, werden dann gerne gleich mehrere Gartenhütten auf das Grundstück gestellt. Zimmermann aber ist der Ansicht, dass man mit einem Keller mehr gewonnen hätte – vor allem, wenn das Haus auf einem Hanggrundstück gebaut wird. Zudem lassen sich im Keller auch gut und gerne noch ein oder zwei Wohnräume unterbringen. "Die Aufschüttung und die Mauer sind am Ende nicht viel billiger als ein Keller", gibt der Architekt zu bedenken.

Was aber tun, um die Finanzierung nicht zu sprengen? "Wenn man beim Bauen Geld sparen will, muss man halt ein kleines Haus bauen", meint Zimmermann. Ein Tiny-Haus, also ein Mini-Haus, das immer gefragter zu werden scheint? Gut durchdacht und schick sicherlich, aber für eine Familie mit Kindern wohl kaum geeignet.

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