Texte voller Weisheit und Humor
Mit Klezmermusik und Gebeten erinnert der Israelsonntag in der Michaelskirche an das jüdische Leben in Deutschland.

Von Barbara Nolten-Casado
Eberbach. "Ose shalom bimromav" – "der Frieden stiftet in seinen Himmelshöhen, er stifte Frieden unter uns und ganz Israel": Von Pfarrer Gero Albert am Klavier und Felix Roh am Altsaxofon gespielt, eröffnete das traditionelle israelische Lied über die letzte Zeile des jüdischen "Kaddisch"-Gebets den Gottesdienst am Sonntagmorgen in der Michaelskirche.
Es war "Israelsonntag", ein Tag, der seit der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts in den lutherischen Kirchen seinen festen Platz im liturgischen Kalender hat. Immer am zehnten Sonntag nach "Trinitatis" (dem Sonntag nach Pfingsten) wird er begangen. In diesem Jahr sollte er aus gegebenem Anlass in besonderer Weise gestaltet werden. So lässt sich 2021 auf 1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland zurückblicken. Dieses Jubiläum soll ein Jahr lang bundesweit mit vielerlei Veranstaltungen gewürdigt werden. Im Februar wurde es von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier bei einem Festakt in der Kölner Synagoge eröffnet.
Die evangelische Kirchengemeinde Eberbach hatte vor einigen Wochen eigens eine Arbeitsgruppe ins Leben gerufen, die diverse Veranstaltungen anlässlich des Jubiläumsjahres vorbereitet hat. Die erste davon war die Ausgestaltung des Gottesdienstes am Sonntag.
Über Jahrhunderte hinweg hatte am "Judensonntag", wie der "Israelsonntag" lange genannt wurde, die Zerstörung des Tempels in Jerusalem im Jahr 70 nach Christus im Zentrum des Gottesdienstes gestanden. Sie wurde als Verwerfung Israels durch Gott verstanden, man betete im Gottesdienst für die Bekehrung der Juden zu Christus.
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Nach dem zweiten Weltkrieg erfuhr der Tag allmählich einen Bedeutungswandel: Die antijudaistischen Töne der Verwerfungsbehauptung, die sich so unheilvoll mit rassistischem Antisemitismus vermischt hatte, sei vom biblischen Befund her nicht haltbar, stellten Theologen nun fest. Bei der Neuordnung der Predigttexte 2018 wurden schließlich die Lesungen für den Israelsonntag neu zusammengestellt. Auch das verzerrte Bild von der jüdischen Religion als einer "Gesetzesreligion" sollte aufgebrochen und korrigiert werden. "Uns verbindet der Glaube an den einen Gott, sein ungekündigter Bund mit seinem Volk Israel und die Hoffnung auf das Reich Gottes, das auch der Jude Jesus verkündet hat", so Albert.
Im am Sonntag von der versammelten Gemeinde gesprochenen Psalm 122 ging es um den Wunsch nach Frieden und Glück für Jerusalem. Die biblische Lesung aus dem 2. Buch Mose, Kapitel 19, thematisierte Gottes Bund mit "seinem" Volk. Über die Treue Gottes als eines der wichtigsten Themen der Bibel sprach Albert anschließend in seiner Predigt – über die Treue zum Bund, den Gott mit dem Volk Israel geschlossen und den er in Jesus Christus bestätigt habe.
Dabei wechselten sich Alberts Ausführungen mit Textbeiträgen aus der jüngeren jüdischen Literatur ab. Klezmermusik, von Felix und Florian Roh an zwei Altsaxofonen vorgetragen, unterstrichen die Botschaften der kurzen Texte voll jüdischer Weisheit und chassidischen Humors, die Ute Krey und Irmtraud Fischer von der Eberbacher Arbeitsgruppe vortrugen.
Vom "Vertrauen auf Gott" oder dem "Hören auf seine Stimme" war darin die Rede, oder vom fehlenden "Weltgewissen" einer ach so unvollkommenen Menschheit.
Dieses "Weltgewissen" bedeute für Christen nicht zuletzt, aufzustehen gegen Rassismus aller Art und insbesondere gegen einen immer wieder neu aufflammenden Antisemitismus, so Albert. "Sollte denn Gott sein Volk verstoßen haben?", fragte er abschließend mit dem Apostel Paulus.
"Nein", lautete die Antwort, "denn was würde es auch für uns bedeuten, wenn Gott seinen Bund nicht hielte?"
Ein paar Fürbitten noch, darunter die Bitte um einen gerechten Frieden im Heiligen Land. Dann endete der Gottesdienst wie er begonnen hatte: mit Klavier und Saxofon und "Ose shalom bimromav".