Zockt die Stadt Autofahrer zu Unrecht ab?
Diskussion um die Zulässigkeit von Tempo 10 in verkehrsberuhigten Bereichen und die damit verhängten Bußgelder

Von Peter Bayer
Eberbach. Der Artikel "Mit 32 Sachen in der Zwingerstraße geblitzt" – erlaubt sind hier höchstens 10 km/h – hat zu einer Diskussion in den sozialen Medien über die Zulässigkeit von Tempo 10-Zonen in Eberbach geführt. Manche erinnern sich noch an die Friedrichstraße, wo seit 2006 maximal Tempo 10 galt. Das wurde Ende 2018 gekippt. Die Begründung: Weil der bundeseinheitliche Verkehrszeichenkatalog kein Schild für eine Tempo-10-Zone in Zusammenhang mit einem "verkehrsberuhigten Geschäftsbereich" vorsieht, darf es auch kein solches Tempolimit geben. Mit der Folge, dass die Stadt Temposündern, die schneller als 10 km/h fuhren, keine Bußgelder mehr aufbrummen durfte. Das Schild kam im Januar 2019 weg, seither gilt dort Tempo 20. Hat die Stadt Eberbach also im vergangenen Jahr Verkehrsteilnehmer in der Zwinger- bzw. Bahnhofstraße Ost zu Unrecht zur Kasse gebeten?

Mitnichten. Obwohl in keinem Teil der Zwingerstraße oder der Bahnhofstraße Ost ein Tempo 10-Schild steht. Allerdings weisen bereits bei der Einfahrt in die Weidenstraße – ihre Fortsetzung ist die Zwingerstraße – und in die Bahnhofstraße Ost blaue Schilder gut sichtbar auf einen hier geltenden "verkehrsberuhigten Bereich" hin. Und in diesem, auch Spielstraße genannt, gilt Schrittgeschwindigkeit. Die liegt bei sieben Stundenkilometern. Doch weil die Messgeräte keine 7 km/h erreichen, wurde der Schwellenwert in Absprache mit dem Eberbacher Gemeinderat auf besagte 10 km/h festgelegt, erinnert Rainer Menges, Leiter des Ordnungsamtes.
Ein verkehrsberuhigter Bereich, in dem die Geschwindigkeit kontrolliert wird, ist die Bahnhofstraße Ost, also der Teil zwischen Friedrichstraße und Michaelskirche. Im Gegensatz zur Bahnhofstraße West – Richtung Bahnhof –, wo Tempo 30 gilt, wurde hier 2012 die zulässige Höchst- auf Schrittgeschwindigkeit festgelegt. Im Rahmen der Sanierungsarbeiten war sogar eine Fußgängerzone im Gespräch. Davon sei man aber wieder abgekommen und hat einen verkehrsberuhigten Bereich daraus gemacht. "Optisch erkennbar durch den niveaugleichen Ausbau", erklärt Michael Erdöffy, Sachbearbeiter im Ordnungsamt. So gibt es darin auch keinen Fußgängerweg. Denn in einem solchen Bereich sind alle gleichberechtigt, ob Fußgänger, Radler oder Autofahrer. "Gegenseitige Rücksichtnahme ist hier angesagt", so Erdöffy. Und wichtig: "Der Verkehrsteilnehmer muss wissen, in welchem Bereich er sich bewegt".

Von der Friedrichstraße kommend bei der Einfahrt in die Bahnhofstraße weisen Schilder auf den verkehrsberuhigten Bereich hin. Foto: Peter Bayer
Ist das in der Bahnhofstraße Ost durch die bauliche Gestaltung eigentlich klar erkennbar, trifft dies auf die Zwingerstraße nicht so recht zu. "Hier ist es schwer zu erkennen, dass man sich noch im verkehrsberuhigten Bereich befindet", räumt Menges ein. Das Hinweisschild befindet sich eingangs der Weidenstraße, welche am Ende links in die Zwingerstraße einmündet. Da beim verkehrsberuhigten Bereich nur Ein- und Ausfahrt beschildert werden müssen, habe man versucht, diese farblich darzustellen – mit rotem Pflaster. "Wir wollen den Schulkindern Sicherheit bieten", begründet Menges, warum es hier seit dem Jahr 2001 den verkehrsberuhigten Bereich gibt. "Viele Kinder werden morgens mit dem Auto in die Schule gebracht und mittags wieder abgeholt."
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Fast jeder Fünfte wurde geblitzt
In der Zwingerstraße bei der Dr.-Weiß-Schule wurde im vergangenen Jahr zwölf Mal geblitzt. Vorwiegend vor bzw. um den Unterrichtsbeginn herum, aber auch um das Unterrichtsende, also genau zu den Zeiten, in denen hier Kinder unterwegs sind. Dabei lag die Quote der Fahrer, die zu schnell unterwegs waren, zwischen ungewöhnlich niedrigen 2,3 und immerhin 37,9 Prozent. Im Schnitt wurde fast jeder Fünfte geblitzt. Der Schnellste fuhr mit 32 km/h an den parkenden Autos bei der Schule vorbei. Wobei der Bereich keine Durchfahrtstraße für Auswärtige sei, vielmehr seien es überwiegend Eberbacher Bürger, die ihre Kinder zur Schule bringen und die Geschwindigkeitsbegrenzung kennen sollten. "Meist sind es die Eltern, die es zu eilig haben, wenn ihr Kind ausgestiegen ist", hat Menges kein Verständnis für jene, die hier zu schnell unterwegs sind. "Im Februar 2018 wurde sogar ein Fahrzeug mit 36 km/h geblitzt – das sind nach Abzug der Toleranz fast 40 Stundenkilometer."
Von einem "Abzocken" könne keine Rede sein, so Menges. "Wir haben Jahre gehabt, wo die Ausgaben höher waren als die Einnahmen", blickt er zurück. "Ginge es ums Verdienen, wüsste ich anderes." Die Messungen würden vielmehr aus Sicherheitsgründen durchgeführt. Und in der Zwingerstraße bislang mit Erfolg. Seither habe es dort noch keinen Schulwegunfall gegeben.