Wald-Hieroglyphen

Forstgraffiti, die geheimnisvolle Zeichensprache im Wald

Bunte Punkte, Striche und Symbole auf den Bäumen: Förster und Waldarbeiter wissen genau, was damit gemeint ist.

13.12.2020 UPDATE: 18.12.2020 06:00 Uhr 1 Minute, 57 Sekunden
Der Baum mit dem großen H auf dem Stamm ist ein Habitatbaum, der ein Lebensraum für viele Tiere ist. Foto: Kreisforstamt

Rhein-Neckar. (fer/zg) Spaziergänger stehen in den Wäldern des Rhein-Neckar-Kreises vor einem Rätsel: Auf einigen Bäumen sind seltsame "Hieroglyphen" zu sehen, die scheinbar keinen Sinn ergeben. Hier ein rotes Kreuz, da ein schräger Strich und dort ein H mit einer Art Welle darunter. Wer hat diese Zeichen angebracht und was bedeuten sie? Das Kreisforstamt klärt auf.

Försterin Melissa Rupp erläutert, was es mit den bunten Punkten, Strichen und Symbolen auf den Bäumen – dem sogenannten Forstgraffiti – auf sich hat: "Mit den Markierungen bereiten wir uns auf die Arbeit im Herbst und Winter vor. Im Volksmund werden die Farbmarkierungen an den Bäumen auch ,Förstergraffiti‘ genannt. Sie dienen zur Orientierung bei der Waldarbeit", wird sie in einer Mitteilung der Behörde zitiert.

Die Kennzeichnungen, die die Forstleute auf die Bäume gesprüht haben, sagen den Waldarbeitern zum Beispiel, ob ein Baum gefällt werden soll, wo eine sogenannte Rückegasse – ein unbefestigter forstwirtschaftlicher Weg, der zum Transport von gefällten Bäumen dient, – liegt oder ob der Baum ein Zukunfts- oder sogar ein Biotopbaum ist. Es gibt also eine Art Zeichensprache, mit der sich Förster und Forstwirt verständigen. Das Anbringen solcher Symbole mit spezieller Sprühfarbe nennt der Förster "Auszeichnen".

"Beim Auszeichnen richtet sich mein erster Blick in die Baumkrone und auf den Baumstamm", erklärt Melissa Rupp. "Ich schaue dabei nicht primär, welcher Baum weg muss, sondern welcher Baum gefördert werden soll." Solche Zukunftsbäume – oder kurz Z-Bäume – werden unterstützt, indem Konkurrenten, die ihr Wachstum behindern, gefällt werden. Die Z-Bäume werden in der Regel mit Punkten oder mit einer Linie rund um den Baum markiert. Die Waldarbeiter wissen dann: Auf diese Bäume müssen sie besonders aufpassen.

"Entscheidend, ob ein Baum gefördert oder gefällt werden soll, ist beispielsweise, ob es eine seltenere Baumart ist, ob ein Baum besonders kräftig und vital erscheint oder ob ein besonders schöner gerader Stamm verspricht, später einmal wertvolles Holz, beispielsweise für den Möbelbau zu liefern," erklärt Försterin Rupp. Ein roter Strich bedeutet dagegen, dass der Baum bei der nächsten Waldpflegemaßnahme gefällt werden soll.

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"Mit zwei Querlinien werden die sogenannten Rückegassen gekennzeichnet", so Rupp. "Das sind schmale Fahrlinien im Wald, auf denen das Holz transportiert wird." Spezielle Rückeschlepper übernehmen diese schwere Aufgabe. "Die Forstmaschinen fahren ausschließlich innerhalb der gekennzeichneten Rückegassen. So wird der empfindliche Waldboden geschont."

Besonderes Fachwissen setzt auch die Kennzeichnung der sogenannten Biotopbäume voraus. Das sind Bäume, die ökologisch besonders bedeutsam sind, beispielsweise Specht-, Höhlen- oder Horstbäume.

"Häufig sind das richtig urige und alte Bäume mit einem hohen Wert für die biologische Vielfalt. Bei den Förstern im Rhein-Neckar-Kreis hat sich eine ganz individuelle Zeichensprache dazu entwickelt. Manche markieren einen ökologisch wertvollen Baum mit einem "Ö", andere malen Spechtsymbole oder die Geweihstange eines Hirsches auf den Habitatbaum", berichtet Försterin Rupp.

Laut der letzten Bundeswaldinventur gibt es im ganzen deutschen Wald rund 93 Millionen Biotopbäume. Sie sind als Lebensraum vieler Tiere, Pflanzen und Pilze sehr wertvoll und wichtiger Bestandteil des Wirtschaftswaldes. Deshalb werden sie langfristig erhalten (Bild ganz links).

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